Landestheater: „Wie hältst du’s mit der Türkei?“

Die letzte Premiere der Saison am Landestheater in St. Pölten ist eine Uraufführung: „Die Eroberung des goldenen Apfels – Geschichte einer Belagerung“ lotet das historisch gewachsene Verhältnis zwischen Europa und der Türkei aus.

„Die Eroberung des Goldenen Apfels – Geschichte einer Belagerung“ ist ein Theaterprojekt des in Berlin lebenden, türkischstämmigen Regisseurs Hakan Savas Mican, der Text stammt von Emre Akal, Bühne und Kostüme von Sylvia Rieger, die Musik von Matthias Jakisic.

Im Zentrum dieser musikalisch-theatralen Suche stehen die Wiener Türkenbelagerungen und „die große Frage nach all den kleinen Dingen von Wert – auf gesellschaftlicher wie persönlicher Ebene“, heißt es auf der Website des Landestheaters. Auf der Bühne stehen Zeynep Bozbay, Tim Breyvogel, Stanislaus Dick, Vidina Popov, Michael Scherff und Volkan T.

Warum fürchtet man sich vor dem Fremden?

Über die Handlung des Stücks heißt es: „Ein Theater, irgendwo im Nirgendwo. Während auf der großen Bühne ein fulminanter Operettenabend über die zweite Wiener Türkenbelagerung gegeben wird, sitzt ein Haufen verlorener Theaterstatisten in der Kantine und wartet auf den großen Auftritt. Vielleicht seit Stunden. Vielleicht auch seit Jahrhunderten.“

Doch der Ruf des Inspizienten ertönt nicht, der Auftritt verzögert sich auf unbestimmte Zeit. Und die Leere des Wartens fördert Verborgenes zutage: „Sehnsüchte und Ängste, Hoffnungen und Enttäuschungen. Langsam aber sicher wächst ein Verdacht: Werden sie jemals auf die Bühne gerufen – oder werden sie einfach vergessen, abgehängt zwischen Bier und Glücksspielautomat?“ Der 39-Jährige Theaterautor und Regisseur Hakan Savas Mican erforscht in seinem Theaterstück gemeinsam mit dem Ensemble die Ursachen gesellschaftlicher Ängste vor dem Fremden.

Grundlage für das Stück waren Recherchen, erzählte Mican in einem Interview mit der Tageszeitung „Der Standard“: „Die Figuren sind sehr stark inspiriert von unserer Recherchearbeit, von historischen Figuren, allem voran aber von Elizabeth T. Spiras ‚Alltagsgeschichten‘. Ihre Art, an Menschen heranzugehen und in den kurzen Begegnungen etwas Wahrhaftiges aszustoßen, hat mich faszniert“, so der Regisseur.

Mican: „Es ist alles echt, alles wahrhaftig, nah“

Hakan Savas Mican wurde 1978 als Sohn türkischer Einwanderer in Berlin geboren, wuchs aber bei seiner Großmutter in der Türkei auf. Nach der Matura kehrte er wieder nach Berlin zurück und schloss ein Architekturstudium sowie ein Regiestudium an der Deutschen Film- und Fernsehakademie ab.

Podiumsdiskussion

„Wie halten Sie´s mit der Demokratie?“ Mit Kenan Güngör (Soziologe, Wien), Alev Korun (Die Grünen), Clemens Neuhold (Journalist, Wien), Georg Mayrhofer (Autor, Wien); Moderation: Heinz Sichrovsky; 13. Mai, 18.00 Uhr

Danach drehte er einige Kurzfilme (u.a. „Fremd.Yaban“ 2007) und schrieb Theaterstücke wie „Der Besuch/Ziyaret“ (2009) und „Schnee“ (2010) nach Motiven des gleichnamigen Romans von Orhan Pamuk. In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ nannte er den Stil seiner Inszenierungen unspektakulär und bodenständig. Er arbeite nicht mit Schauspielern, sondern mit Menschen, deren Individualität er in die Theaterfiguren integriere. „Ich bin nicht in der Lage, wahnsinnig abstrakte Szenen zu bauen. Es ist alles echt, alles wahrhaftig, nah. Es fängt beim Schauspiel an und endet auch dort“, so der Autor.

„Die Eroberung des Goldenen Apfels – Geschichte einer Belagerung“ wird nach der Uraufführung am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten am 5. Mai weiters am 13. Mai sowie am 1., 2., 10. und 14. Juni gezeigt, in der Bühne Baden gibt es Aufführungen am 18. August und 6. September.

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