Nach Gewaltdelikten: Frauenhäuser sind voll

Im Jänner sind bereits fünf Gewaltverbrechen an Frauen in Niederösterreich passiert. Die von Gewalt Betroffenen seien nun sensibler geworden, man wagt eher den Schritt ins Frauenhaus, heißt es im Frauenhaus St. Pölten.

Mehr als 4.746 Frauen sind 2017 Opfer von Gewalt in Niederösterreich geworden. Die Zahl der Gewaltdelikte stieg nach Angaben der Polizei in den vergangenen Jahren stetig an. Die meisten Vorfälle passieren laut Kriminalstatistik in der Beziehung. Und da dreht sich die Gewaltspirale oft langsam.

Bei der 42-jährigen Sabrina fing es mit Kleinigkeiten an. „Zuerst waren es nur Beschimpfungen, aber tiefste Beschimpfungen wie ‚Arschloch, Idiot, blöde Drecksau, blade Sau‘, also alles Mögliche. Dann ist es immer mehr geworden“, erzählt die Betroffene. Mehrere Jahre lang erlebte Sabrina ärgste Gewalt, ausgeübt durch ihren Ehemann.

Auch die Kinder waren von Gewalt betroffen

Im Video schildert die 42-jährige Sabrina ihre Erfahrungen, die sie mit ihrem gewalttätigen Ehemann erlebt hat.

Im Frauenhaus fand die 42-Jährige Schutz. Fünf Frauenhäuser gibt es in Niederösterreich. Seit den jüngsten Mordfällen wurde der Ansturm größer, sagt Olinda Albertoni, Leiterin des Frauenhauses St. Pölten. „Wir sehen, dass es sehr wohl so ist, dass jetzt die Frauen erkennen, dass sie bei Gefahr vielleicht rascher einen Schritt nach draußen wagen sollten. Wir haben das Haus im Moment voll, wir wissen auch von den anderen Frauenhäusern in Niederösterreich, dass die Häuser im Moment voll sind. Das heißt, die Frauen sind sensibilisiert.“

Gewalttätiges Patriarchat auch in Österreich

Albertoni begrüßt die öffentliche Aufmerksamkeit, nun müsse es aber Maßnahmen geben, um das Problem zu bekämpfen. „Wir brauchen zum Beispiel auch den Ansatz, dass Männer in die Beratungen eingebunden werden und dass die Männerberatung Kontakt zu den Männern aufnimmt. Unmittelbar nach dem Betretungsverbot müssen auch Angebote da sein, gleichzeitig ist aber auch wichtig, den Opferschutz zu stärken.“

Wichtige Telefonnummern:

Frauenhaus Amstetten
07472/66 500

Frauenhaus Mistelbach
02572/50 88

Frauenhaus Neunkirchen
02635/68 971

Frauenhaus St. Pölten
02742/366 514

Frauenhaus Wr. Neustadt
02622/88 066

Helpline
0800/222 555

Die jüngsten Mordfälle waren Beziehungstaten, die Täter stammten etwa aus Mazedonien oder Syrien, ein Verdächtiger hat türkische Wurzeln. Gewalt gegen Frauen gäbe es auch in österreichischen Familien, sagen Experten.

„Wenn man jetzt nur die Zahl der Vorfälle der letzten Zeit betrachtet, dann ist eine Steigerung bei Tätern mit Migrationshintergrund natürlich erkennbar. Wichtig ist aber, dass man das Problem auf allen Seiten betrachtet, um keine blinden Flecken zu haben. Gewalt gab es schon immer in Österreich, häusliche Gewalt, quer durch alle Schichten und durch alle Bevölkerungsgruppen“, sagt Alexander Grohs, Leiter des Verein Neustart für Niederösterreich und das Burgenland.

4.000 Personen beziehen jährlich Bewährungshilfe

Zum Verein Neustart kommen Gewalttäter automatisch über die Bewährungshilfe. „Das Ziel der Bewährungshelferinnen und -helfer ist dann, beim Klienten die Motivation zu erzeugen, sich ändern zu wollen. Wir betreuen in Niederösterreich in der Bewährungshilfe pro Jahr knapp 4.000 Personen.“ Diese Betreuung findet durch Betreuungsgespräche einzeln oder in der Gruppe statt, wo analysiert wird, wie es zu Gewaltdelikten kommen konnte.

Im Fall von Sabrina ist Hoffnung in Sicht. Der Schritt ins Frauenhaus war wichtig - auch für die Kinder, ist sie überzeugt. „Wie ich ihnen gesagt habe, wir fahren jetzt, und wir fahren nie wieder zurück, war das für sie wirklich eine Freude.“ Und heute verschwendet Sabrina keinen Blick mehr zurück: „Im Gegenteil. Ich hadere damit, dass ich so lange zugeschaut habe.“

Doris Henninger, noe.ORF.at