Wolf offenbart Natur des Menschen

Der Wolf offenbart die Natur des Menschen. Verhaltensbiologe Kurt Kotrschal kommt in seinem Buch „Wolf - Hund - Mensch“ auf diese Erkenntnis. Jahrelang hat er im Wolfsforschungszentrum Ernstbrunn (Bezirk Korneuburg) für sein neues Werk recherchiert.

In seiner wissenschaftlichen Laufbahn ist Kurt Kotrschal über den Fisch, die Graugans und den Raben auf den Wolf gekommen. In seinem neuen Buch kommt er vom Wolf auf den Hund und immer wieder auf den Menschen. In „Wolf - Hund - Mensch“ beleuchtet der Verhaltensbiologe, der mit dem von ihm mitbegründeten „Wolf Science Center“ (WSC) in Ernstbrunn einer breiten Öffentlichkeit bekannt geworden ist, die „Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung“, nämlich jener zwischen Mensch und Wolf bzw. zwischen Mensch und Hund.

Zusammenleben mit Wölfen reicht 60.000 Jahre zurück

Kotrschal sieht in Wölfen und Hunden „in einem erstaunlichen Ausmaß unser wesensmäßiges Alter Ego“, kaum jemand bleibe von der Art - der Biologe plädiert dafür, Hund und Wolf als eine einzige biologische Art zu betrachten, da sie mit fruchtbaren Nachkommen kreuzbar sind - unberührt: Die Tiere werden geliebt oder gehasst, geachtet oder verachtet. Kein Wunder, reicht doch das Zusammenleben des Menschen mit Wölfen und Hunden rund 60.000 Jahre zurück.

Kurt Kotrschal und Wölfe

Daniel Zupanc

In Ernstbrunn forschte Kotrschal lange Zeit für sein neues Buch.

Man kann die Beziehung aber auch als „Machtkampf um Lebensraum und Ressourcen“ sehen, denn mit Mensch und Wolf seien zwei Arten aufeinander getroffen, „die aufgrund ihrer geistigen Leistungen ihre Umwelt beherrschen“. Beide Arten waren jedenfalls erfolgreich, laut Kotrschal haben Grauwölfe „wahrscheinlich die weiteste geographische Verbreitung aller Säugetierarten, die jemals die Erde bevölkerten - natürlich mit Ausnahme der Menschen“.

„Mensch war immer schon vom Wolf fasziniert“

Der „Wissenschafter des Jahres 2010“ bemüht sich um eine objektive Sicht auf den Wolf, räumt aber ein, dass die schwieriger sei als bei vielen anderen Tieren, denn die „Menschen waren offenbar seit Urzeiten vom ‚Parallelwesen‘ Wolf fasziniert“. Kotrschal schreibt sogar von den „sozialen Schwesternarten Wolf und Mensch“ und gibt wissenschaftlich fundiert, aber leicht verständlich Einblicke in Stammesgeschichte, Leben und Verhalten jener Art, von der alle Hunde abstammen. Immer wieder sieht der Biologe auch Parallelen zwischen Wolf und Mensch, in ihrer Lebensweise bezeichnet er Wölfe „den Menschen ähnlicher als die nächsten Verwandten, die Schimpansen“.

Zwei kleine Wölfe

Daniel Zupanc

Das Buch „Wolf - Hund - Mensch. Die Geschichte einer jahrtausendealten Beziehung“, erschienen im Christian Brandstätter Verlag.

Oft war der Wolf Feind des Menschen, wurde erbittert verfolgt, bis hin zur lokalen Ausrottung. Heute leben in Europa 20.000 Grauwölfe, in Russland 40.000, in Nordamerika 65.000 Wölfe, wobei die meisten Populationen in den USA und Europa expandieren.

Nur Österreich erweise sich als „Bermudadreieck“ für große Beutegreifer, wie Kotrschal unter Verweis auf die verschwundenen wiederangesiedelten Braunbären oder die jährlich etwa fünf bis zehn einwandernden Wölfe, die trotz geeigneten Lebensraums hierzulande noch kein Rudel gegründet haben, schreibt. Dabei wäre Österreich das bestgeeignete Siedlungsgebiet für Wölfe in Mitteleuropa, es gäbe Platz für etwa 400 Rudel.

Auch Mensch-Hund-Beziehung wird thematisiert

Ob Wolf und Mensch Wege finden werden, wieder nachhaltig zusammenzuleben, lässt Kotrschal offen. Die Bedürfnisse von Wölfen und Menschen seien für ein konfliktfreies Zusammenleben zu ähnlich. „Wölfe als Mitbewohner gibt es nicht zum ‚Nulltarif‘“, ist der Biologe überzeugt, vor allem ein gutes Konfliktmanagement sei unumgänglich, um ein nachhaltiges Zusammenleben zumindest im labilen Gleichgewicht zu ermöglichen. Der Wolf müsse jedenfalls als „Symboltier für eine zunehmende Sehnsucht nach unbezähmter Wildnis herhalten, einer Sehnsucht, die offenbar mit dem weitgehenden Verschwinden einer solchen Wildnis einhergeht“.

Diese Erfahrung macht der Wissenschafter auch mit Besuchern am Wolfsforschungszentrum, dessen Arbeit er ausführlich vorstellt. Dort wird ja nicht nur mit Wölfen, sondern auch mit gleichartig aufgezogenen Hunden gearbeitet. Als prägnante Kurzfassung für die Unterschiede zwischen Wölfen und Hunden nennt er die Bezeichnung der Sioux für den Wolf: „Tier, das aussieht wie ein Hund, nur mit einem stärkeren Geist“.

Den Hunden, den „freundlicheren Wölfen“, widmet Kotrschal breiten Raum im Buch, ihrer Domestikation, der Mensch-Hund-Beziehung, den Problemen mit Rassehunden und der Hundehaltung. Letztere dürfte Kotrschal ein besonderes Anliegen sein. In ihr sieht er „kein anachronistisches Auslaufmodell“ und wird dabei richtig emotional, wenn er Versuche von Kommunen, Hundehaltung „durch weitere schikanöse Maßnahmen“ einschränken zu wollen, als „Steinzeitpolitik“ bezeichnet, die an jeder gesellschaftlichen Realität vorbei gehe und damit „ausschließlich miesepetrige Kontrollfreaks und kranke Technokratenhirne“ bediene.

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