1914: Alltag und Hunger im Krieg

Heuer jährt sich zum hundertsten Mal der Beginn des Ersten Weltkrieges. Während der Kriegsbeginn von Euphorie gezeichnet war, änderte sich die Situation während des Krieges. Vor allem in den Städten herrschte Hunger und Elend.

Der Krieg war nicht nur an der Front, sondern auch in der Heimat. Die Front war weit weg, von den hohen Verlusten in den Schützengräben, etwa an der Isonzofront erfuhr man nur wenig durch die Fronturlauber.

Schwarz-weiß Bild von Frauen und Kindern im Krieg

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„Auch Kinder wurden in Kriegsdienst gestellt“

In der Heimat aber fehlten die Arbeitskräfte. Immer mehr Frauen arbeiteten in der Rüstungsindustrie, aber auch an der Front selber wurden sie gebraucht. Eine größere Gruppe von Kriegskrankenschwestern wollte bewusst an die Front, so die Historikerin Christa Hämmerle. „Um möglichst nahe am Kriegsschauplatz in den Frontlazaretten und in den mobilen Lazaretten Dienst am Soldaten zu leisten und Verwundeten zu helfen.“

Auch die Kinder wurden in den Schulen quasi per Erlass in den Kriegsdienst gestellt. „Sie strickten etwa Millionen von Socken, Handarbeitstücken für die Soldaten an den Fronten, damit sie nicht frieren. Das wurde als Liebesgabe an die Front geschickt. Sie nähten Pulswärmer, sie stopften Zigaretten, sie machten Botendienste, sie halfen bei den Sammeldiensten. Je länger der Krieg dauerte, desto größer wurde die Hungersnot im Land. Ungarn war bisher Wiens Hauptlieferant von Fleisch und Getreide – doch im Krieg brach die Versorgung zusammen.

Historikerin Christa Hämmerle

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Christa Hämmerle: „Gegen Kriegsende war die Situation für viele aussichtslos“

Wiener Umland wurde wichtig

Das Wiener Umland wurde immer wichtiger, sagt der Historiker Ernst Langthaler. „Man sieht, etwa auf dem Gebiet der Fleischversorgung, dass der Anteil der Fleischmengen, die aus Niederösterreich nach Sankt Marx geliefert worden sind, anteilsmäßig über die Kriegsjahre zugenommen hat.

Das war von vielen Schwierigkeiten begleitet: Das gesamte Eisenbahnnetz hatte eigentlich vor allem die Aufgabe, für Militärtransporte zu dienen. Es wurde von Jahr zu Jahr schwieriger, zivile Transporte über das Eisenbahnnetz zu organisieren.“

Um zu Nahrung zu kommen, wurde etwa in Mülltonnen nach Essbarem gesucht. Gleichzeitig stieg der Schwarzhandel. Die Lebensmittel waren rationiert.

Historiker Ernst Langthaler

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Ernst Langthaler: „Es wurde immer mehr Fleisch aus Niederösterreich nach Wien geliefert“

„Die gutbürgerlichen Kreise haben Dienstboten aufs Land geschickt, die gegen Geld oder Schmuckstücke Nahrungsmittel eingetauscht haben. Die Ärmeren, die Arbeiter hatten diese Möglichkeit nicht, sie sind ebenfalls aufs Land gezogen und mussten sich ihre Nahrung auf andere Wege beschaffen. Vor allem am Ende der Erntezeit, der Kartoffelernte, zogen viele Frauen mit ihren Kindern auf die Felder“, so Langthaler.

Mütter oft völlig überlastet

Zum Hunger kam die Kälte im Winter. Große Gebiete des Wienerwaldes wurden regelrecht abgeholzt. Gegen Kriegsende wurde die Situation vieler Mütter, die ihre Kinder und sich selbst durchbringen müssen, fast aussichtslos, so Historikerin Christa Hämmerle.

„In Kindheitserinnerungen hat sich die Erinnerung an die völlig überlastete Mutter eingeschrieben, die sich ihre Ration noch vom Mund abspart, damit zumindest die Kinder noch etwas zum Essen haben. Auch das Bild der weinenden Mutter kommt immer wieder vor.“

Das Kriegsende linderte die Not kaum. Der ehemaligen Reichshauptstadt fehlten nun die Kronländer, die sie mit Lebensmittel versorgten. Noch lange war man auf Hilfe aus dem Ausland angewiesen.

Robert Friess, noe.ORF.at

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