Spitz wird zum europäischen Literaturtreffpunkt

Die 6. Europäischen Literaturtage in Spitz an der Donau (Bezirk Krems) sind ab 23. Oktober ein Treffpunkt für internationale Autoren und Literaturexperten. Diese Literaturtage sollen ein „europäisches Feuilleton“ bilden, sagt Literaturtage-Chef Walter Grond.

noe.ORF.at: Walter Grond, Sie sind Leiter der Europäischen Literaturtage (EliT) in Spitz an der Donau (Bezirk Krems) sowie des als Veranstalter fungierenden ELiT Literaturhauses Europa. die Schwerpunkte der Tagung sowie weitere ELiT-Aktivitäten. Wie geht es den Literaturtagen, welche aktuellen Perspektiven der Vernetzung gibt es für ein Literaturhaus ohne Haus?

Walter Grond: Die Reaktionen im Vorjahr waren so gut wie noch nie. Der Tenor während der Tagung ging dahin, so etwas wie ein Observatorium der europäischen Gegenwartsliteratur zu etablieren. Ein europäisches Feuilleton vielleicht. Dazu kam, dass die „Projektmasse“ so angewachsen ist, dass wir beschlossen haben, dahin zurückzukehren, wo die Literaturtage hergekommen sind: nicht nur ein Treffen, sondern ein wirklich europäisches Projekt zu begründen und mit gestärktem Rücken Kooperationen einzugehen. Wir haben im Rahmen von „Creative Europe“ vier Partner gefunden: an der Sorbonne, in Laibach, London und Budapest, sodass ELiT tatsächlich in Europa seine Zelte aufschlägt.

Walter Grond

Daniela Matejschek

Walter Grond

noe.ORF.at: Der Begriff „Observatorium“ klingt nach Beobachten und Reflektieren - wie groß sind Handlungsspielraum und Handlungsbedarf?

Walter Grond: Ein systematischer Forschungs- und Publikationsbereich, etwa in Form von Blogs und Dossiers, ist im Aufbau begriffen. Das ELiT Literaturhaus wird aber auch Veranstaltungen in verschiedenen Ländern durchführen. Ein Schwerpunkt dabei sind Auftritte von Preisträgern des Europäischen Literaturpreises, der ein Unikat ist, weil er nicht recht bekannt werden will, weil es 13 pro Jahr gibt, und das ist relativ schwer zu vermitteln. Interessant aber, weil er auch Hinweise gibt, was denn eigentlich übersetzt werden sollte, könnte. Die Europäischen Literaturtage werden den Höhepunkt dieses Veranstaltungsjahres bilden. Insofern wird Spitz total aufgewertet.

noe.ORF.at: Welche Neuigkeiten gibt es bei den Literaturtagen 2014?

Walter Grond: Es gibt immer einen Nachmittag, den wir einem Experiment widmen, diesmal die digitale Lesestube Reading Parlour via Internetplattform SocialBook. Drei Autorinnen haben uns Texte zur Verfügung gestellt - Gabriele Kögl, Vea Kaiser und Brittani Sonnenberg -, da gibt es schon einen Vorlauf, wo wir in diesem Tool über die Texte diskutieren - als Grundlage zur Diskussion über das so viel genannte Phänomen des sozialen Lesens.

Schloss Spitz an der Donau

Walter Lechner

Schloss Spitz an der Donau

noe.ORF.at: Es gibt ja bei den ELiT-Literaturtagen kein Motto, aber Schwerpunkte? Und gibt es eigentlich so etwas wie einen gemeinsamen Kulturraum Europa über den habsburgischen Mythos hinaus, wächst da etwas spürbar zusammen?

Walter Grond: Wir haben immer diese großen Europa-Themen gehabt, das hat sich irgendwie ermüdet. Künftig sollen die Korrespondenten des Observatoriums tatsächlich sprachübergreifend diskutieren. Diese viel zitierte Notwendigkeit, dass der Kulturtransfer in Europa sich endlich verschiebt von Norden und Westen nach Süden und Osten - dieser Gap ist nicht kleiner geworden, sondern größer. Da sehe ich einen riesigen Bedarf, sich in die Vermittlung europäischer Autoren einzubinden. Wenn man die Diskussionen über einen gemeinsamen digitalen Markt verfolgt, um Amazon und Google und all unseren digitalen Schreckgespenstern entgegentreten zu können, sieht man: Zusammenarbeit ist ein totales Fremdwort - in allen europäischen Sprachen.

noe.ORF.at: Welche Vermittlungsstrategien sind in dieser Richtung noch geplant?

Walter Grond: Eine zweite Programmschiene bilden Workshops für junge Menschen, die in all den genannten Städten stattfinden werden. Das ebenfalls aus ELiT hervorgegangene Projekt der Europäischen Literatur-Jugendbegegnung wird über Niederösterreich hinaus in ein Netzwerk europäischer Staaten eingebunden.

Das Gespräch mit Walter Grond führte Ewald Baringer, Austria Presse Agentur.

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