Leitbetriebe: Österreich verliert Attraktivität

Laut einer Studie, für die 15 Leitbetriebe in Niederösterreich befragt wurden, verliert der Standort Österreich an Attraktivität. Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung sehen vor allem im Bildungsbereich dringenden Reformbedarf.

In Niederösterreich sind 171 Großbetriebe mit mehr als 250 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ansässig, die als sogenannte Leitbetriebe gelten. Sie haben für das Bundesland große Bedeutung, verantworten sie doch ein Drittel aller Arbeitsplätze. Weil diese Betriebe den Großteil ihrer Waren exportieren, müssen sie sich auf internationalen Märkten behaupten. Hier werde deutlich, dass der Standort Österreich an Attraktivität verliere, heißt es in der Studie.

Ausbildung an Leitbetrieben orientieren

Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung wollen dieser Entwicklung mit entsprechenden Maßnahmen entgegentreten. Sie sehen besonders im Schul- und Bildungsbereich dringenden Reformbedarf. Die Höheren Technischen Lehranstalten (HTL) würden zwar gute Arbeit leisten, es gebe aber zu wenige Absolventen, sagt der Präsident der Industriellenvereinigung Niederösterreich, Johann Marihart. Der Industrie würden somit die Fachkräfte fehlen.

Als Maßnahme dagegen, wird zum einen vorgeschlagen, die Ausbildung - etwa an der HTL - stärker am Bedarf der Leitbetriebe auszurichten. Zum anderen gelte es die Kluft zwischen Mädchen und Burschen in den technischen Berufen zu schließen. „Das technische Interesse ist nachgewiesenermaßen bei Mädchen und Buben gleich groß in einem Alter von sechs bis zwölf Jahren“, sagt Marihart. „Dann treiben die Kinder in ihre Geschlechterrollen. Das zu kappen ist wichtig. Es ist daher früher anzusetzen, das Interesse wachzuhalten und die Scheu davor zu nehmen, dass etwa ein Mädchen Ingenieur wird.“

„Welcome Service“ für Fachkräfte aus dem Ausland

Um den Personalbedarf langfristig abdecken zu können, ist es der Studie zufolge erforderlich, Niederösterreich für Fach- und Spitzenkräfte aus dem Ausland attraktiv zu machen. Eine geeignete Maßnahme dafür ist laut Thomas Salzer, Obmann der Sparte Industrie in der Wirtschaftskammer Niederösterreich, ein sogenanntes „Welcome Service“: eine Koordinationsstelle, die etwa bei der Wohnungssuche oder bei Behördengängen hilft.

Die Attraktivität des Bundeslandes für internationale Fachkräfte könnte durch den Ausbau des fremdsprachigen - vor allem englischsprachigen - Angebots im Bereich von Kindergarten, Schule und Kinderbetreuung gesteigert werden, sagt Salzer. „Es gibt zwar kleine Initiativen in Niederösterreich, aber kann noch nirgends durchgezogen werden“, so Salzer. „Wenn ich an eine Stadt wie St. Pölten denke, gibt es zwar Lösungen im Kindergarten- und Vorschulbereich. Danach gibt es aber keine internationale Schule mehr.“ Salzer sieht das Land Niederösterreich und den Bund gefordert, entsprechende Initiativen so zu stärken, dass sie als Zusatzangebot im Regelschulsystem angeboten werden können.

159.000 Jobs hängen an Industrie

Um den Wirtschaftsstandort Niederösterreich zu stärken, wird zudem als geeignete Maßnahme der Ausbau von Bildungs- und Forschungseinrichtungen sowie eine Zusammenarbeit dieser Institutionen mit Einrichtungen in angrenzenden Regionen, wie etwa in Wien und der Steiermark, genannt. Die von der niederösterreichischen Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung in Auftrag gegebene Studie sieht zudem Reformbedarf in mehreren Bereichen, der die Wettbewerbsfähigkeit der Leitbetriebe Niederösterreichs auf globalen Märkten sicherstellen soll: Steuern und Abgaben sollten gesenkt, die Lohnnebenkosten reduziert und Bürokratie abgebaut werden.

Niederösterreich ist der Studie zufolge die drittstärkste Wirtschaftsregion Österreichs. 31,8 Prozent der Wirtschaftsleistung im Bundesland werden im produzierenden Sektor erbracht, österreichweit sind es 28,7 Prozent. Niederösterreich hat mit 16 Prozent den zweitgrößten Anteil an der Industrieproduktion Österreichs, gleichauf mit der Steiermark. Insgesamt hängen 35 Prozent aller Beschäftigten bzw. 159.000 Arbeitsplätze in Niederösterreich an der Industrie.

Die Studie „Intermediäres Leistungsangebot für Leitbetriebe in Niederösterreich“ wurde von der Wirtschaftskammer und Industriellenvereinigung in Auftrag gegeben. Um den Unterstützungbedarf der niederösterreichischen Leitbetriebe zu erheben, wurde eine Gruppenbefragung mit 15 Vertretern dieser Unternehmen aus unterschiedlichsten Branchen und Regionen durchgeführt.

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