Vea Kaiser: „St. Pölten hat sich verändert“

Die Autorin und gebürtige St. Pöltnerin Vea Kaiser hat soeben ihren neuen Roman „Makarionissi“ veröffentlicht. Im Interview mit noe.ORF.at spricht sie über die Wandlung der Landeshauptstadt, Vergleiche mit Taylor Swift und ihr neues Buch.

Mit ihrem Debutroman „Blasmusikpop“ landete die 26-jährige Vea Kaiser auf Anhieb einen Bestseller. Sie gilt als eine der erfolgreichsten österreichischen Schriftstellerinnen. Nun ist ihr zweiter Roman, „Makarionissi oder Die Insel der Seligen“, erschienen. Die Handlung dreht sich um eine griechische Familie. Der Weg einiger Familienmitglieder führt auch nach Sankt Pölten, wo die Romanfigur ‚Lefti‘ mit seiner Frau ein griechisches Lokal eröffnet - mehr dazu in Vea Kaisers neuer Roman: „Makarionissi“ (noe.ORF.at; 8.5.2015).

Im Rahmen ihrer Lesereise kehrte auch die Autorin selbst in die Landeshauptstadt zurück, ihre Lesung im Cinema Paradiso war quasi ein Heimspiel für die Niederösterreicherin. Dass sie mit Sankt Pölten in ihrem neuen Buch hart ins Gericht geht, weist Vea Kaiser im Interview mit noe.ORF.at zurück - im Gegenteil, ihr Buch sei so etwas wie eine „Liebeserklärung“, sagt sie im Gespräch mit Robert Friess.

Vea Kaiser im Gespräch mit Robert Friess

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Vea Kaiser im Gespräch mit Robert Friess: „Ich bin eine gute Tagträumerin.“

noe.ORF.at: Sie sind in Sankt Pölten geboren, hier in die Schule gegangen und in der Nähe, in Kasten, aufgewachsen. Wie ist das Gefühl, wenn man anlässlich der Lesereise nach Hause kommt?

Vea Kaiser: Jedes Mal, wenn ich nach Sankt Pölten komme, bin ich überrascht, was sich hier alles getan hat. Das war vor zehn Jahren ein ganz anderer Ort. Die Kaffeehäuser, die Lokale, die vielen Boutiquen und Geschäfte, das war ganz anders, als ich hier unterwegs war. Ich finde, die Stadt hat wahnsinnig gewonnen in den vergangenen zehn Jahren.

noe.ORF.at: Es waren viele überrascht, als Sie mit erst 24 Jahren mit „Blasmusikpop“ einen Besteller landeten, Ihr zweites Buch haben Sie jetzt mit 26 Jahren veröffentlicht. Woher holen Sie sich die Inspiration?

Kaiser: Einer der größten deutschsprachigen Autoren, Georg Büchner, war in dem Alter, als ich „Blasmusikpop“ geschrieben habe, schon tot. Ich glaube gar nicht, dass man die Lebenserfahrung als solche braucht, sondern einfach eine sehr ausgeprägte Fantasie, die das aufwiegt. Ich glaube, man kann entweder um die ganze Welt reisen oder man hat die Fantasie, sodass man sich wahnsinnig viel vorstellen kann, dass man mit Bildern, Impressionen und Recherche so arbeiten kann, dass sie zum Leben erwachen. Ich bin eine gute Tagträumerin, ich stelle mir gewisse Dinge vor und mache aus ihnen Geschichten.

Vea Kaiser

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„Literatur muss manchmal ein bisschen fies sein“

noe.ORF.at: Die Literaturkritiker sparen anlässlich Ihres Erfolges nicht mit Vergleichen. Sie wurden schon als „Helene Fischer der Literatur“ oder „Doris Day der Belletristik“ bezeichnet. Wie gehen Sie damit um?

Kaiser: Da gibt es noch einen Vergleich: „Taylor Swift der Literatur“ (lacht). Ich habe von den drei Damen eigentlich nicht viel gehört und wahrgenommen, aber ich weiß, sie sind alle drei attraktiv und erfolgreich und das finde ich auch irgendwie schmeichelnd. Ich freue mich, wenn ich damit verglichen werde und in dieser Liga mitspiele, das finde ich toll.

noe.ORF.at: Es gibt eine Passage in „Makarionissi“, in der Sie die Sankt Pöltner als „rosabäckig, dicklich und oft miserabel gekleidet“ bezeichnen.

Kaiser: Ich musste wahnsinnig lachen, als ich gelesen habe: „Vea Kaiser beschimpft Sankt Pölten“. Das ist eine Figur, Jannis, der gerade ärgsten Liebeskummer hat. Er steht vor einer Sankt Pöltner Diskothek, vor dem Lokal steht eine Schlange von Männern, die hineinwollen, und diese bezeichnet er so. Ich glaube, ein Buch, das nur ständig sagt, wie wunderschön alle Menschen sind, wie toll die Welt ist, würde keiner lesen. Ich finde, Literatur muss manchmal auch ein bisschen fies sein, Literatur muss manchmal ein bisschen zynisch und sarkastisch sein. Weil sie eben Literatur ist. Sie stimmt ja nicht, sie hat ja nichts mit der Wahrheit zu tun. Ich glaube, dass jeder, der das Buch liest, ganz genau merkt, dass Sankt Pölten nicht schlecht wegkommt, sondern dass es eigenlich stellenweise sogar eine Liebeserklärung an Sankt Pölten ist.

Das Gespräch führte Robert Friess, noe.ORF.at