Urteil bei Terrorprozess verzögert sich

Ein im Jänner begonnener Prozess gegen einen mutmaßlichen Dschihadisten ist am Dienstag in Krems fortgesetzt worden. Ein Urteil scheint aber immer unwahrscheinlicher, es kam immer wieder zu Verzögerungen.

Der dritte Verhandlungstag begann bereits mit Verspätung. Grund war - wegen technischer Probleme - ein Saalwechsel. Wie beim Auftakt und der Fortsetzung im Februar gab es strenge Zutrittskontrollen und Sicherheitsvorkehrungen. Der 30-jährige tschetschenische Asylwerber hatte sich eingangs nicht schuldig bekannt. Er war Ende 2013 aus Syrien nach Österreich gekommen und wurde im vergangenen Sommer im Waldviertel in Heidenreichstein (Bezirk Gmünd) festgenommen. Die Staatsanwaltschaft stützt ihre Vorwürfe auf Zigtausende sichergestellte Dateien.

Zeuge stützt Aussagen des Angeklagten

Den gesamten Prozesstag über wurden tschetschenische Zeugen per Videokonferenz einvernommen. Immer wieder kam es zu Unterbrechungen, so wurde etwa die Befragung eines Zeugen abgebrochen. Das Gericht bezweifelte, dass die Dolmetscherin in Tschetschenien richtig übersetzte, deshalb wurde ein neuer Dolmetscher hinzugezogen.

Drei der vier Zeugen sollen laut Staatsanwaltschaft mit dem Beschuldigten an Kampfhandlungen in Syrien teilgenommen haben, als Mitglieder bei einer Untergruppe des IS. Das wurde von den Zeugen jedoch nicht bestätigt. Sie entlasteten den Angeklagten und sprachen einhellig davon, in Syrien gewesen zu sein, um Flüchtlingen zu helfen.

Befragung per Videokonferenz

Zunächst wurde per Videokonferenz ein Tschetschene aus Grosny zugeschaltet. Der 29-Jährige hatte sich gemeinsam mit dem Angeklagten 2013 an der türkisch-syrischen Grenze befunden. Dieser habe dann einen Mann in die Türkei begleitet, wo dessen Mutter wartete, gab der Zeuge an.

Er sei dorthin gefahren, um Flüchtlingen zu helfen, sagte er auf die Frage nach dem Grund seiner Reise - derart rechtfertigte auch der Angeklagte bisher seinen Aufenthalt. Die Richterin hielt dem Zeugen frühere Aussagen vor, wonach er in Syrien einer bewaffneten Gruppe hätte beitreten und kämpfen wollen. Er könne sich nicht erinnern, meinte der 29-Jährige daraufhin mehrmals. Er sei nur im Flüchtlingslager gewesen und habe auch nicht wahrgenommen, dass der Angeklagte an Kampfhandlungen teilgenommen bzw. eine Kampfausbildung absolviert hätte.

Armen Menschen zu helfen bedeute schon Dschihad, erklärte der Mann. Wie lange er selbst in dem Lager war, wusste er nicht einmal mehr ungefähr. Dass der - stark fehlsichtige - Angeklagte schon lange Probleme mit den Augen hatte und sich in Österreich behandeln lassen wollte, war ihm bekannt.

Lange Befragung mit Widersprüchen

Via Dolmetscher für Tschetschenisch ist am Dienstagnachmittag ebenfalls per Videokonferenz die Mutter eines Zeugen einvernommen worden. Ihr Sohn hätte „gar nichts“ in Syrien gemacht und kehrte dann in die Türkei zurück, gab die Frau eingangs an. Laut Richtervorhalt hatte sie jedoch den Beschuldigten beauftragt, ihren Sohn in ihrem Auftrag in Syrien zu suchen und zurückzubringen.

Sie habe sich einfach große Sorgen um ihn gemacht, erklärte die Zeugin. Das diesbezügliche Treffen mit dem Beschuldigten habe sie schon vergessen.

„Ich kann mich nicht erinnern“, das Ganze sei zwei Jahre her, sagte die Zeugin auf mehrere Detailfragen. Den Namen der bewaffneten Gruppierung dort wollte sie auch noch nie gehört haben. Die Frage, ob der Sohn von den russischen Behörden unter Druck gesetzt worden sei, bestimmte Aussagen in der Causa Syrien zu machen, verneinte sie. Verärgert war die Richterin, als die Zeugin dann entgegen voriger Angaben, Russisch nicht zu beherrschen, doch einen in russischer Sprache geschriebenen Brief lesen konnte. Im Zuge der stundenlangen, von Widersprüchen geprägten Befragung entspann sich in der Folge ein kurzer Disput, als der Angeklagte andeutete, der Tschetschenisch-Dolmetscher in Krems würde nicht alles korrekt übersetzen.

Wachen bei Dschihadistenprozess

ORF/Gernot Rohrhofer

„Es gab bewaffnete Kämpfer“

Danach wurde - ebenfalls auf Tschetschenisch - die zuvor auf Russisch geführte, unterbrochene Befragung des zweiten Zeugen, eines der damaligen Wegbegleiter des Angeklagten, fortgesetzt. Er gab an, dass es eine sportliche Vorbereitung gegeben habe. So musste er in der Früh und am Abend joggen. Die Gruppierung sei eine kleine Organisation gewesen, bestehend aus einigen kleinen Gruppen, sprach er von etwa 200 Personen an seinem Aufenthaltsort in Syrien.

Er habe Süßigkeiten an Kinder verteilt, schilderte der Zeuge seine Aufgaben während des Zeitraums von zwei Monaten. Jeder habe seine Funktion gehabt, betonte er, räumte aber ein, dass es auch bewaffnete Kämpfer gegeben hatte, die „gegen den Präsidenten“ gekämpft hätten. Er selbst hätte aber nicht kämpfen wollen. Er habe keine Waffe gesehen, erklärte er auf Richtervorhalt, dass auch die kleine Gruppe Tschetschenen Kalaschnikows gehabt hätte.

Fotos und E-Mails belasten Angeklagten

Laut Anklage soll sich der 30-jährige Verdächtige einer Untergruppe der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) angeschlossen und eine Kampfausbildung in Syrien absolviert haben. Mailboxnachrichten und E-Mails belasten ihn, Fotos zeigen den Beschuldigten bewaffnet und in Uniform. „Ohne Dschihad ist das kein Leben. Wenn ich meine Augen in Ordnung bringe, kehre ich nach Syrien zurück, wenn Allah erlaubt“, zitierte die Staatsanwältin bei der Fortsetzung im Februar eine der - unzähligen - auf den Mobiltelefonen des 30-Jährigen sichergestellten Nachrichten.

Ein Urteil wurde zunächst zwar für den späten Nachmittag erwartet, das scheint allerdings immer mehr fraglich. Der Verteidiger hatte nämlich noch weitere Beweisanträge angekündigt. Dem Angeklagten drohen bis zu zehn Jahre Haft.

18-Jähriger verurteilt

Indes wurde, ebenfalls im Landesgericht Krems, ein 18-jähriger Tschetschene wegen der Mitgliedschaft in einer terroristrischen Vereinigung zu zehn Monaten bedingter Freiheitsstrafe verurteilt. Er soll auf Facebook IS-Botschaften verbreiteten haben - mehr dazu in Dschihadismus: 18-Jähriger verurteilt (noe.ORF.at; 21.7.2015).

Links: