Ernst Mach: Ein Multitalent starb vor 100 Jahren

Am Freitag jährt sich der Todestag des Physikers, Philosophen und Wissenschaftstheoretikers Ernst Mach (1838-1916) zum 100. Mal. Seine Kindheit verbrachte er im Marchfeld, im Stift Seitenstetten besuchte er das Gymnasium.

Einer breiteren Öffentlichkeit vor allem wegen seiner Erkenntnisse zur Überschallgeschwindigkeit und der nach ihm benannten „Mach-Zahl“ bekannt, gilt Ernst Mach in Forscherkreisen als Vorreiter der Wissenschaftsphilosophie.

Eine Kindheit in Untersiebenbrunn

Ernst Mach kam am 18. Februar 1838 in Chirlitz bei Brünn (heute Tschechien) zur Welt und wuchs als Sohn eines Lehrers, der später Landwirt wurde, in Untersiebenbrunn (Bezirk Gänserndorf) auf. Er besuchte zunächst 1847/48 das Gymnasium des Benediktinerstiftes Seitenstetten (Bezirk Amstetten), dann übernahm sein Vater den Unterricht seines Sohnes, der zudem eine Tischlerlehre absolvierte. Im zweiten Anlauf schloss Mach das Gymnasium in Kremsier ab. Nach der Matura begann er an der Universität Wien Mathematik und Physik zu studieren.

Untersiebenbrunn Nachfolgegebäude des Wohnhauses von Ernst Mach

Gemeinde Untersiebenbrunn

Das ehemalige Haus der Familie Mach wurde im Zweiten Weltkrieg zerstört, heute steht an dieser Stelle in der Schönfelderstraße 6 in Untersiebenbrunn ein Wohnhaus

Dort brillierte Mach auch mit kreativem Einsatz seines handwerklichen Geschicks. So gelang dem jungen Studenten etwa die Konstruktion eines Apparates, mit dem sich der vom österreichischen Physiker Christian Doppler entdeckte Effekt, dass ein Ton höher klingt, wenn sich die Schallquelle schnell annähert, demonstrieren ließ.

Mit 26 Mathematik-Professor an der Uni Graz

Ein Jahr nach dem mit 22 Jahren erworbenen Doktorat lehrte Mach bereits an der Uni Wien. Schon mit 26 Jahren wurde er an der Uni Graz zuerst Mathematik- und dann Physik-Professor. 1867 folge er einem Ruf auf eine Professur für Experimentalphysik an die Uni Prag, wo er 28 Jahre lang arbeitete und auch zeitweise Rektor der Deutschen Karl-Ferdinands-Universität war.

Der findige Experimentator sorgte vor allem mit seinen Untersuchungen zur Überschallgeschwindigkeit für Aufsehen. Als erstem gelangen Mach Aufnahmen von sich sehr schnell bewegenden Objekten wie Gewehrkugeln sowie den von ihnen verursachten Strömungslinien und Schockwellen. Seine Erkenntnisse machten Mach zum Fixbestandteil des wissenschaftlichen und mittlerweile auch alltäglichen Wortschatzes: Das Verhältnis der Bewegungsgeschwindigkeit eines Körpers zur Schallgeschwindigkeit wird durch die „Mach-Zahl“ angegeben - „Mach 2“ bezeichnet also die doppelte Schallgeschwindigkeit.

Ernst Mach

APA/Archiv der ÖAW

Der Physiker Ernst Mach (auf einem undatierten Bild), ein Brückenbauer zur Philosophie

Machs vielseitige Interessen zeigten sich schon früh, etwa indem er sich der Physiologie mit physikalischen Methoden annäherte, was ihn wiederum in Richtung der neuen Wissenschaftsdisziplin Psychologie rückte, die sich damals viel mit den physiologischen Grundlagen für Wahrnehmung beschäftigte. So gelang ihm etwa die Lokalisierung des Gleichgewichtssinnes im Innenohr. Mach wird aber auch als einer der Mitbegründer der „Gestaltpsychologie“ gesehen.

Großen Einfluss auf die Entwicklung der Wissenschaft bis weit ins 20. Jahrhundert hinein hatten vor allem seine Überlegungen über die Wissenschaft selbst. „Meine Lebensaufgabe war es, vonseiten der Naturwissenschaft der Philosophie auf halbem Weg entgegenzukommen“, erklärte er einmal. Das fand auch Niederschlag in seinem weiteren akademischen Werdegang: 1895 wurde der Physiker auf einen philosophischen Lehrstuhl an die Uni Wien berufen, was für viel Aufsehen sorgte.

Ernst Mach: „Das Ich ist unrettbar"“

Tiefergehend setzte sich Mach damit auseinander, was hinter physikalischen Grundbegriffen, wie Kraft, Wärme, Druck, Raum oder Zeit steckt. Seiner Ansicht nach kann sich die Wissenschaft keinem Untersuchungsobjekt unmittelbar annähern, eine Analyse sei nur über den Umweg der menschlichen Wahrnehmung möglich und beruhe daher immer auf Erfahrungen und Empfindungen.

Der Zugang zu „dem Ding an sich“ bleibt seiner Ansicht nach weitgehend verwehrt. Der Mensch müsse sich mit der Auseinandersetzung mit Erscheinungen und Beobachtungen begnügen. Spekulationen über das Beobachtbare hinaus lehnte er als metaphysisch ab und forderte von der Wissenschaft entsprechende „Denkökonomie“ ein.

Selbst das „Ich“ setzte sich für Mach lediglich aus Empfindungen und Erinnerungen zusammen. Mit seiner Aussage „Das Ich ist unrettbar“ traf der zum Philosophen gewordene Physiker um die Wende zum 20. Jahrhundert gewissermaßen den Nerv des Zeitgeistes. Vor allem Künstler und Literaten des „Jungen Wien“ wie Hugo von Hofmannsthal, Arthur Schnitzler oder Robert Musil waren von Mach tief beeindruckt.

Ernst Mach im Jahr 1905

Charles Scolik/Wikimedia Commons

Ernst Mach (auf einem Foto aus dem Jahr 1905) beeinflusste viele Wissenschafter, erntete aber auch viel Widerspruch

Sehr kritisch war Mach dem Gedanken gegenüber, dass sich Materie aus Atomen zusammensetzt. Seiner Ansicht nach handelte es sich dabei nur um im Geiste konstruierte Hilfsmittel. Dieser Standpunkt mündete in einen viel beachteten Disput mit dem österreichischen Physiker Ludwig Boltzmann.

Geistiger Wegbereiter der Relativitätstheorie

Auch wenn er nicht nur in der Frage der Existenz von Atomen klar anderer Meinung war als Mach, sah Albert Einstein in ihm einen geistigen Wegbereiter seiner Relativitätstheorie. Laut Einstein hätte Mach die Relativitätstheorie vielleicht sogar selbst entwickelt, wäre er etwas jünger gewesen. Auch für den Begründer der Quantenphysik, Max Planck, war Mach gleichermaßen Impulsgeber wie Reibebaum.

Drei Jahre nach seiner Rückkehr nach Wien im Jahr 1895 erlitt Mach einen Schlaganfall und war in Folge dessen rechtsseitig gelähmt. Das führte 1901 zum Rücktritt von seiner Professur. Mach blieb aber in regem Austausch mit führenden Wissenschaftern. Seine letzten drei Lebensjahre verbrachte er bei seinem Sohn Ludwig Mach in Vaterstetten bei München, wo er einen Tag nach seinem 78. Geburtstag verstarb.

Mach war einer der geistigen Gründungsväter des über die 1920er- und 1930er-Jahre hinaus prägenden philosophischen Zirkels „Wiener Kreis“. In diesem und im Umfeld dieses Zirkels tummelten sich mit Moritz Schlick, Hans Hahn, Otto Neurath, Kurt Gödel, Ludwig Wittgenstein oder Karl Popper wichtige wissenschaftliche Persönlichkeiten des 20. Jahrhunderts. Das „Institut Wiener Kreis“ organisiert anlässlich Machs Todestages vom 16. bis 18. Juni an der Uni Wien eine internationale Konferenz.

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