Donaufestival: Heimat, Flucht und Elektronik

Ab Freitag widmet sich das Donaufestival in Krems Fragen zu Heimat und Flucht. Beim letzten Festival unter der Leitung von Tomas Zierhofer-Kin gibt es unter anderem Uraufführungen von Saint Genet und God’s Entertainment zu sehen.

„Niemand hat euch eingeladen.“ Mit diesem provokanten Satz wird auf den Plakatsujets des Donaufestivals in Krems geworben. Zum Abschluss der Intendanz von Tomas Zierhofer-Kin widmet sich das Festival Fragen zu Heimat und Flucht. Der einprägsame Satz stammt von einer der zentralen Performances. Das Wiener Theaterkollektiv God’s Entertainment übertitelt so die Uraufführung seiner „Neuen Europäischen Tragödie“.

Bei der Uraufführung handelt es sich um den zweiten Teil eines als Trilogie angelegten Konzepts. Zum Auftakt stand im Herbst des Vorjahres in Leipzig die „Angst als Phänomen“ im Fokus, wie Maja Degirmendzic im Gespräch mit der APA erklärte. „In Krems konzentrieren wir uns mehr auf die Flucht, wobei beides ineinander verflochten ist. Man kann das ja nur schwer trennen.“ Begleitet wird die Performance von der Installation „Al Paradiso“, für die „wir uns einerseits mit der Schönheit des Mittelmeers auseinandersetzen, andererseits mit der Tragödie, die es selbst in sich trägt durch die Menschen, die auf diesem gefährlichen Weg versuchen, nach Europa zu kommen“.

Grenzen überschreiten als Programm

Die Suche nach einer neuen Heimat und besseren Lebensbedingungen behandelt auch Saint Genet: Die Gruppe um Kreativkopf Derrick Ryan Claude Mitchell nimmt sich in „Frail Affinities“ des Schicksals der Donner Party an, jener US-amerikanischer Siedler, die Mitte des 19. Jahrhunderts im Westen eine bessere Zukunft suchten. Auf dem Weg dorthin kamen etliche ums Leben, weshalb bei der Uraufführung auch „Bilder traumatischer Erfahrungen zwischen Tod und Kannibalismus“ zu erwarten sind. Das verwundert nicht, denn Mitchell ist ohnehin ein Freund von obsessiven Erfahrungen, die im wahrsten Sinne des Wortes unter die Haut gehen und durchaus körperliche Reaktionen hervorrufen.

God's Entertainment: Niemand hat euch eingeladen

Rolf Arnold

God’s Entertainment widmet sich der Flüchtlingsthematik

Das Überschreiten von Grenzen in einem anderen Kontext kann bei Elisabeth Bakambamba Tambwe erlebt werden. In „Fleche“ verschränkt die in Wien lebende Künstlerin Installation, Video und Performance, lässt die Körper von zwei Darstellern zu den zentralen Objekten ihrer Verhandlung von Manipulation sowie sozialen Gegebenheiten werden und erzeugt dabei neue Zuschreibungen. Von ihr stammen auch die Arbeiten „Reconstruction“ und „Charlie and the Angels“, denen man im Forum Frohner begegnet. Dort werden am zweiten Wochenende von Monster Truck mit Theater Thikwa Rassismus und Behindertenfeindlichkeit zum Thema gemacht, wenn für „Dschingis Khan“ Performer mit Downsyndrom die Mongolei in unterschiedlichen Facetten auf die Bühne bringen.

Zeitgenössische Elektronik und ein Cyber-Star

Das Musikprogramm hält heuer einige brandneue Arbeiten von etablierten Elektronikkünstlern bereit. Unter anderen werden der Kanadier Tim Hecker sowie sein deutscher Kollege Pantha du Prince (alias Hendrik Weber) am 7. Mai mit ihren aktuellen Platten das Messegelände beehren. Am selben Tag wird auch DJ Koze zu Plattentellern, Synths und Laptop greifen, um das Publikum zum Tanzen zu bringen. Etwas dramatischer legt es Mogwai am ersten Wochenende an: Die schottische Postrockband führt mit „Atomic“ den Soundtrack zu einer BBC-Doku über das nukleare Zeitalter auf. Gurgelnde Beats und düster-minimalistische Sounds stehen wiederum bei Blanck Mass und Babyfather an der Tagesordnung, während Omar Souleyman syrisches Songwriting mit westlichen Einsprengseln kombiniert.

Hatsune Miku

LaTurbo Avedon/ Crypton Future Media

Seit ihrer Erfindung 2007 in Japan wurde Hatsune Miku vom Cyber-Star zum ultimativen Popstar

Dass auch digitale Entitäten als Zielobjekt von Fangefühlen geeignet sind, beweist Hatsune Miku: Sie ist in Japan seit ihrer Erfindung 2007 längst ein Star und hat sich auch global eine enorme Anhängerschaft „erspielt“. Dabei ist das live mittels Videoprojektion erschaffene Manga-Wesen eigentlich ein kollaboratives Projekt. Prinzipiell kann jeder Lieder für das fiktive 16-jährige Mädchen schreiben, die dieses dann bei einem seiner Konzerte zum Besten gibt. In Krems wird mit der Performance „Still Be Here“ den Dynamiken nachgespürt, die sich zwischen Fans, Unternehmen und gesellschaftlichen Sehnsüchten entwickeln.

Zwei Wochenenden abseits der Norm

Neben Theater, Musik und Performances kann man im Rahmen des Donaufestivals auch die „Kunstinspektion Donau“ im Stadtcafe Ulrich besuchen. Julius Deutschbauer, David Jagerhofer und Barbara Ungepflegt rufen dort dazu auf, Anzeige zu erstatten: Die Besucher sind aufgefordert, „Missstände oder Verdächtigungen jeglicher Art zur Anzeige zu bringen“, heißt es. Dabei muss es sich aber keineswegs nur um künstlerische Inhalte handeln, auch „der Hund des Nachbarn oder das Fehlen von weiblichen Straßennamen“ werden in der Ankündigung als Beispiele genannt.

Das Donaufestival findet an zwei Wochenenden, von 29. April bis 1. Mai sowie von 5. bis 7. Mai, an verschiedenen Veranstaltungsorten in Krems statt. Zum Abschluss am 7. Mai wartet auf die Besucherinnen und Besucher auch eine vierstündige Performance des Duos Station Rose, das in der Minoritenkirche eine „PiXXL_HALL“ aufbaut und diese als Konzert- und Installationsraum bespielt - inklusive „Public Brain Session 2.0“.

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