Nach „Brexit“: Hoffen auf neue Firmen

Die Wirtschaftskammer feiert ihr 70-jähriges Bestehen. Bei einem Kongress in St. Pölten wurden Herausforderungen und Chancen der digitalen Revolution diskutiert. Thema waren aber auch der „Brexit“, seine Folgen und seine Chancen.

Großbritannien ist zwar nicht der wichtigste Markt für Niederösterreich, dennoch werden jährlich Waren im Wert von etwa 500 Millionen Euro auf die Insel exportiert. Bei der 70-Jahr-Feier der Wirtschaftskammer wurde am Samstag vor einem Domino-Effekt gewarnt. Im Großen und Ganzen blickt man der Absicht der Briten, die Union verlassen zu wollen, aber gelassen entgegen und will nun gezielt internationale Unternehmen nach Niederösterreich holen. „Da bietet sich für uns eine riesige Chance. Nicht zuletzt, weil mit unserer geopolitischen Lage mitten in Europa und dem aufgehenden Markt der ehemaligen Ostblockstaaten eine Attraktivität gegeben ist, um den Konzernsitz unter Umständen in diese Region zu verlegen“, sagte Landeshauptmann Erwin Pröll (ÖVP).

Erwin Pröll

APA / Georg Hochmuth

Landeshauptmann Pröll sieht im „Brexit“ Chancen, die Absichtserklärung der Briten sei aber auch ein deutliches Signal in Richtung Brüssel

Pröll fordert Umdenken nach Referendum

Laut Pröll müsse die „Brexit“-Entscheidung ein Umdenken in der EU zur Folge haben. „Der entscheidende Punkt ist der, dass wir das Positive aus dem Ganzen für uns ableiten, und ein Positivum ist das Faktum, dass vielleicht ein deutliches und klares Signal nach Brüssel gegangen ist, in Zukunft vielleicht ein wenig bürgernäher mit all dem vorzugehen, was da auf europäischer Ebene praktiziert wurde.“

Auch Vizekanzler Reinhold Mitterlehner (ÖVP) sprach von Problemen in der EU, zum Beispiel im Bereich der Verträge. Darüber hinaus werde die Union nicht mehr als Friedensprojekt oder als Projekt für Wohlstand und Zukunft wahrgenommen: „Und wenn man diesen pessimistischen Eindruck mitnimmt, wie soll ich dann die großen Probleme wie die Flüchtlingsfrage bewegen und auch lösen? Es wird notwendig sein, dass wir die EU neu aufstellen. Die EU ist niemand anderer als wir selbst.“

„Großbritannien rasch wieder einbeziehen“

Christoph Leitl, Präsident der Wirtschaftskammer Österreich, betonte, dass man Großbritannien rasch wieder in den Wirtschaftsraum der EU einbeziehen müsse: „Dann sind sie auf einer Ebene, wo in Zukunft auch andere Platz haben könnten. Und diejenigen, die eine politische Vertiefung wollen - ich denke insbesondere an die Mitglieder der Eurozone -, könnten diese Vertiefung jetzt in Angriff nehmen.“

Sonja Zwazl im Bundesrat

Parlamentsdirektion / Bildagentur Zolles KG / Jacqueline Godany

„Auffahrt zur Schnellstraße nehmen“

Abseits einer neuen europäischen Struktur sei die Digitalisierung die Herausforderung für die 90.000 Unternehmen in Niederösterreich. Möglichkeiten sollten diskutiert und Chancen genutzt werden, sagte die Präsidentin der Wirtschaftskammer Niederösterreich, Sonja Zwazl: „Ich denke, dass es für uns alle wichtig ist, dass, wenn wir wissen, die Digitalisierung ist sozusagen der Highway für uns, dass wir nicht auf der Schotterstraße dahinfahren, sondern schauen, wo meine Auffahrt zur Schnellstraße ist.“ Grundvoraussetzung für eine erfolgreiche Zukunft sei, so Zwazl, Flexibilität. Diese ist nach dem „Brexit“ auch auf europäischer Ebene gefordert.

Gernot Rohrhofer, noe.ORF.at

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