Sigi Bergmann: Reporterlegende in Rio

Sigi Bergmann zählt zu den Legenden des österreichischen Sportjournalismus und wird in Rio zum 20. Mal als ORF-Reporter von Olympischen Spielen berichten. Den 78-Jährigen packt das Olympia-Fieber immer wieder aufs Neue.

Seit den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko ist Sigi Bergmann Fixpunkt der heimischen Olympia-Berichterstattung. Mit legendären Kommentaren und lebhaften Schilderungen brachte er in seiner Karriere tausende Boxkämpfe und zahlreiche andere Sportarten direkt in Österreichs Wohnzimmer. 18 Jahre nach seinem offiziellen Pensionsantritt ist die Leidenschaft für die Titelkämpfe nach wie vor ungebrochen. Vor seiner Abreise verriet Bergmann noe.ORF.at sein Programm, Erwartungen, persönliche Olympia-Höhepunkte und die Medaillenfavoriten.

noe.ORF.at: Als 78-jähriger noch einmal um die halbe Welt zu reisen, um von den Olympischen Spielen zu berichten - warum tut man sich das an?

Bergmann: Für mich gibt es zwei Beweggründe. Zum einen sind Olympische Spiele für einen Sportreporter das, was für einen Kulturjournalisten die Salzburger Festspiele oder Bayreuth sind. Man trifft die besten Athleten und Athletinnen der Welt und darf über ihre außergewöhnlichen Leistungen berichten. Zum anderen warten auf mich in Rio 264 Olympische Boxkämpfe, täglich zwischen 20 und 30 Paarungen mit über 500 Protagonisten. Diese Informationsflut zu bewältigen, hält mich auch geistig fit, zumal ich auch heute noch wenig mit dem Computer arbeite.

noe.ORF.at: Haben Sie Sicherheitsbedenken bei Ihrem Aufenthalt? Einige prominente Sportler haben ja ihre Teilnahme abgesagt.

Bergmann: Der Zika-Virus lässt mich kalt, da ich wohl in diesem Leben nicht mehr schwanger werde und auch über Anschläge mache ich mir keine Gedanken. Vor allem bei Olympischen Spielen kann der Sport so schöne Seiten haben. Es kommen Menschen aus der ganzen Welt zusammen und es entwickeln sich trotz harter Konkurrenz Freundschaften, die über politische und kulturelle Unterschiede und Sprachbarrieren hinweg entstehen.

Ich denke, dass Olympische Spiele verbinden und es ist schön, als Reporter ein kleiner Teil davon zu sein. Auf der anderen Seite erlebt man hinter den Kulissen, dass sich Olympische Spiele immer mehr in Kriegsschauplätze verwandeln. Die Sicherheitsvorkehrungen sind enorm. Als Diabetiker werde ich täglich mehrmals durchsucht und habe dabei natürlich immer Injektionsnadeln dabei. Trotz Diabetikerausweis führt das immer wieder zu Missverständnissen und Problemen. Nur in London vor vier Jahren habe ich bei der Kontrolle eine Ärztin erwischt, die mit einem Diabetiker verheiratet war. Das war eine nette Begegnung, denn diese Dame hat mir gegen Ende der Spiele eine Diabetikertorte geschenkt.

noe.ORF.at: Was sind Ihre schönsten Olympia-Momente auf sportlicher Ebene?

Bergmann: Das waren auf jeden Fall die Spiele 1988 in Seoul. Da waren zwei Bergmanns dabei. Der 50-jährige Sigi als Sportreporter und meine Tochter, die 17-jährige Elisabeth. Sie war damals in der Rhythmischen Sportgymnastik für Österreich am Start und ich war deshalb noch aufgeregter als sie. Am Tag vor ihrem ersten Bewerb waren wir gemeinsam bei Robert Seeger im Fernsehstudio eingeladen. Ich habe noch nie so gestottert. Wie sie dann angetreten ist, habe ich einen Boxkampf kommentiert, nebenbei auf einem Monitor aber nur meiner Tochter zugesehen. Es war ein Schwergewichtskampf, der ziemlich blutig war und ich bin trotzdem zufrieden neben dem Ring gesessen und habe gelächelt. Wenn mich da jemand gesehen hätte, wäre ich wohl als Perverser bezeichnet worden.

noe.ORF.at: Wie sehr beschäftigt Sie das leidige Thema Doping?

Bergmann: Die jüngsten Entwicklungen mit Russland tun mir im Herzen weh. Die Entscheidung des Internationalen Olympischen Komitees, das Land nicht komplett auszuschließen, sehe ich als Kniefall vor den Russen. Mich erinnert das alles sehr an die DDR und den damaligen Präsidenten Honecker, der in einem Interview einmal zu mir gesagt hat, dass Sport nicht Selbstzweck sondern ein Mittel zum Zweck sei. Goldmedaillen sollten das Land legitimieren. Da ist auf staatliche Anordnung gelogen worden, Sportlerinnen wurden zur Leistungssteigerung schwanger, nur um nach Olympia wieder abzutreiben. Einzeldoping entspricht nicht dem Olympischen Gedanken, das Ganze politisch zu steuern ist aber eine noch viel schlimmere Tragödie.

noe.ORF.at: Was trauen Sie Österreichs Olympia-Team in Rio zu? London 2012 ist ja ohne eine rot-weiß-rote Medaille zu Ende gegangen.

Bergmann: Ich hoffe auf drei Medaillen, aber Österreich ist ein kleines Land und wir müssen unsere Erwartungen reduzieren. Ich hätte mich auf Tennis-Ass Dominic Thiem gefreut und kann mir auch vorstellen, dass die Beachvolleyballer Clemens Doppler und Alex Horst, trotz der harten Konkurrenz, auf das Podest kommen. Am ehesten traue ich den Seglerinnen Laura Vadlau und Jolanta Ogar eine Medaille zu. Golfer Bernd Wiesberger ist aus meiner Sicht auch für eine Überraschung gut.

Das Gespräch führte Christoph Gregorites, noe.ORF.at

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