Wr. Neustadt: Thorakrone im Museum entdeckt

Im Depot des Stadtmuseums Wr. Neustadt wurde in einer verschlossenen Eisenkiste eine Thorakrone der ehemaligen jüdischen Gemeinde aus dem Jahr 1932 gefunden. Das Museum erhält die Thorakrone als Dauerleihgabe.

Die Krone war eine wertvolle Verzierung der Thora, des ersten Teils des Tanach, der hebräischen Bibel. In den Synagogen hatte und hat jede Thora spezielle Schmuckstücke – es gibt hier Thoraschild, Thorawimpel, Thoramantel, Thorazeiger, zwei kleine Krönchen und Thorakrone.

Die „Thorakrone“, die einen Versicherungswert von 10.000 Euro hat und deren rechtmäßiger Eigentümer die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) ist, wird nun als Dauerleihgabe im Stadtmuseum – ab dem ersten Quartal in der Dauerausstellung im Teil über die jüdische Gemeinde – zu sehen sein. Das fixierten Bürgermeister Klaus Schneeberger (ÖVP) und die IKG mit dem dementsprechenden Leihvertrag.

Torahkrone Stadtmuseum Wiener Neustadt

Stadt Wr. Neustadt/Weller

Thorakrone aus dem Jahr 1932

„Dieses Relikt aus der Stadtgeschichte ist ein wahrhaft sensationeller Zeitzeuge. Wir sind stolz, ein derart wertvolles Exponat nun in unserem Stadtmuseum zeigen zu können. Im Hinblick auf die Landesausstellung 2019 und den damit verbundenen Um- und Ausbau des Museums ist das natürlich eine ganz besondere Aufwertung“, so der Bürgermeister.

IKG: „Stadt setzt mit Rückgabe wichtiges Zeichen“

Neben dem Corvinusbecher sei die Thorakrone „mit Sicherheit der größte Schatz im Stadtmuseum“, so Kulturstadtrat Franz Piribauer (ÖVP). „Die jüdische Gemeinde Wr. Neustadt war eine ganz besonders bedeutende in der österreichischen Geschichte. Diese Geschichte ist gekennzeichnet durch massive politische Einflüsse und erstreckt sich seit ihrer Gründung durch die Epochen der regierenden Monarchen bis hin zu den dramatischen Ereignissen im 20. Jahrhundert“, so Piribauer. Die Thorakrone aus der Wr. Neustädter Synagoge weise auf diese bedeutende Geschichte hin und „fordert uns auch auf, uns diesem Teil der Geschichte entsprechend zu widmen.“

„Mit der Machtergreifung der Nationalsozialisten begann nicht nur die Verfolgung und tödliche Bedrohung der jüdischen Bevölkerung, sondern auch ein beispielloser Raubzug an jüdischem Vermögen. Unabhängig vom materiellen Wert besitzen jüdische Kultgegenstände einen noch viel größeren immateriellen Wert“, sagt Raimund Fastenbauer, der Generalsekretär der Israelitischen Kultusgemeinde.

Wenngleich es in Wr. Neustadt keine jüdische Gemeinde mehr gebe, so hat sich doch in Österreich wieder blühendes jüdisches Leben entwickelt. Der Stadtgemeinde Wr. Neustadt gebühre Dank für die Eigeninitiative, die Thorakrone an die jüdische Gemeinde zurückzugeben, so Fastenbauer, „sie setzt damit ein wichtiges Zeichen gerade in Zeiten gesellschaftlicher Polarisierung.“

Thorakrone durch Zufall in Eisenkiste entdeckt

Als im Februar 2016 für die Neuaufstellung der städtischen Sammlung im Stadtmuseum Exponate aus dem Depot geholt wurden, sollte auch eine sehr schwere Eisenkiste aus der Zeit um 1700 erstmals gezeigt werden. Dem Museumsteam war bekannt, dass sich etwas in der Kiste befindet, es wusste jedoch niemand, was es ist, da das Schloss bisher nicht geöffnet werden konnte.

Torahkrone im Stadtmuseum Wiener Neustadt

Stadt Wr. Neustadt/Weller

Stolz präsentierten sie die Thorakrone: Evamaria Sluka-Grabner (Gemeinderätin), Raimund Fastenbauer (Israelitische Kultusgemeinde), Franz Piribauer (Kulturstadtrat), Johann Schörner (Stadtmuseum), Eveline Klein (Leiterin Stadtmuseum), Klaus Schneeberger (Bürgermeister) und Alexander Carniel (Stadtmuseum)

Diesmal sollte jedoch nachgeschaut werden. Alexander Carniel, einem Mitarbeiter des Stadtmuseums, gelang es mithilfe eines Buches über alte Schmiedekunst, den vielfach gesicherten Deckel zu bewegen und schließlich zu öffnen. Zum Vorschein kommt ein glänzender Gegenstand mit hebräischen Schriftzeichen, der sich schon bald als Thorakrone herausstellte.

Johannes Reiss, der Leiter des Österreichischen Jüdischen Museums, entzifferte die Inschrift: „Gehört der Chewrat Menachim Awelim, der heiligen jüdischen Gemeinde Wiener Neustadt, sie möge bestehen. Im Jahre 692 nach der kleinen Zeitrechnung (1932, Anm.) Der geringe Jesaja Jaul, Sohn von Mordechai und Feigele, der der Vorsteher der Bruderschaft war.“

Zur jüdischen Gemeinde Wr. Neustadt

Nach der Ausweisung der Juden 1496 aus der Steiermark - also auch aus der Neustadt -, gab es jahrhundertelang keine jüdische Gemeinde in Wr. Neustadt. Erst um die Mitte des 19. Jahrhunderts zogen wieder jüdische Familien in die Stadt. Das Staatsgrundgesetz 1867 war der Beginn der völligen rechtlichen Gleichberechtigung.

1871 erhielt die jüdische Gemeinschaft in Wr. Neustadt den Status einer Kultusgemeinde. 1902 wurde nach den Plänen Wilhelm Stiassny neben dem kleinen Bethaus die große Synagoge am Baumkirchnerring 4 erbaut. Bis zum „Anschluss“ im März 1938 entwickelte sich die Gemeinde zur drittgrößten in Niederösterreich. Zum Kultussprengel der IKG Wr. Neustadt gehörten die Gerichtsbezirke Ebreichsdorf, Gutenstein sowie Wr. Neustadt ohne Kirchschlag und Aspang.

„Im März 1938 begannen Entrechtung, Enteignungen, Gewalt gegen die jüdische Bevölkerung und ihre Vertreibung. Die IKG Wr. Neustadt wurde im November 1938 aufgelöst“, heißt es in einer Aussendung der Stadt. Teile des Inventars der Synagoge und Gegenstände, die als „jüdische Tempelgeräte“ bezeichnet wurden, brachte man ins Stadtmuseum. Auf einer Liste, die weder Unterschrift noch Datum trägt, ist auch eine „Krone“ verzeichnet. Diese Liste liegt einem Schreiben von 1947 bei. Darin wird bemerkt, dass das Museum, damals bei der Vorstadtkirche St. Leopold, von Ostern 1945 bis 1. Juni 1945 offenstand und beraubt worden war und auch die Gegenstände auf der Liste fehlen würden.

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