Der Sängerknaben-Präsident als Schafzüchter

Die Wiener Sängerknaben begeistern Millionen Menschen auf der ganzen Welt. Am Samstag stehen sie in Wien wieder auf der Bühne. Der Niederösterreicher Gerald Wirth ist seit 15 Jahren Präsident der Sängerknaben, privat züchtet er Schafe.

Seit vielen Jahren kennt man Gerald Wirth als künstlerischen Leiter der Wiener Sängerknaben und als deren Präsident. Er begeistert mit „seinen“ Kindern bei Konzerten auf der ganzen Welt und beim Vorsingen und Aufspüren der Talente im Palais Augarten in Wien, wo die Wiener Sängerknaben zuhause sind. Am Samstag stehen sie bei „Christmas in Vienna“ im Wiener Konzerthaus mit Stars der Klassikszene wieder auf der Bühne.

Privat lebt Wirth seit 17 Jahren in Tradigist bei Rabenstein an der Pielach (Bezirk St. Pölten). Hier kommt der 51-jährige Dirigent, Komponist und Chorpädagoge mit seiner Frau Elke, die selbst Musikpädagogin ist, und seinen sechs Kindern zur Ruhe. Zwischen Konzerten, Tourneen und dem Schreiben von Kompositionen kümmert er sich um Enten, Hühner und züchtet Schafe.

Gerald Wirth

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noe.ORF.at: Herr Wirth, wie kommt es, dass Sie sich gerade die Schafzucht als Hobby gewählt haben?

Wirth: Sowohl meine Frau als auch ich haben durch unsere Familien einen starken Bezug zum ländlichen Leben. Wir wollten unbedingt einen Bauerhof, so wie ihn wir hier in Tradigist gefunden haben. Und Schafe eigenen sich hervorragend, da sie nicht zu groß und in der Pflege nicht so aufwendig sind, wie etwa eine Milchwirtschaft. In unserem „Mini-Schafzucht-Betrieb" züchten wir eine alte, traditionelle Rasse, das Böhmische Waldschaf.

noe.ORF.at: Warum haben Sie sich gerade hier in Tradigist niedergelassen?

Wirth: Mit ein Grund, warum wir hier leben und die Schafzucht in diesem kleinen Umfang betreiben, ist, weil es mich zwingt, mich mit mir selbst zu beschäftigen. Wenn ich zum Beispiel den Zaun herrichten muss oder Bäume fälle, ist das für mich ein idealer Ausgleich und es zwingt mich, in die Natur hinauszugehen, obwohl ich vielleicht tausend andere Dinge zu tun hätte.

noe.ORF.at: Sie waren auch selbst Sängerknabe, wie hat Sie diese Zeit geprägt?

Wirth: Es war für mich einen Möglichkeit, die Welt nicht nur geografisch, sondern als Gesamtes kennenzulernen. Und ein wichtiger Bestandteil der Sängerknaben sind auch die Erzieher, die Kapellmeister im Besonderen. Mit meinem Kapellmeister, den ich damals hatte, verbindet mich noch immer eine sehr intensive Freundschaft. Auch heute sind unsere Kinder ganz normale Kinder, die gerne Fußball spielen. Für manche Kinder ist das Fußball spielen auch wichtiger als Singen, das ist auch ok. Für unsere Kapellmeister ist Fußball spielen auch ganz wichtig. Dieses familiäre Gefüge ist für uns ganz wichtig.

Gerald Wirth

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noe.ORF.at: Was ist für Sie das Einzigartige an den Wiener Sängerknaben?

Wirth: Ich denke, ein Punkt, der sich nicht verändert hat, ist die Erfahrung, die wir den Kindern bieten. Die Kinder singen bei uns tatsächliche sehr, sehr viel und dadurch haben sie die Möglichkeit, mit wunderbaren internationalen Künstlern immer wieder aufzutreten. Wir haben gerade ein Konzert mit Zubin Metha gehabt. Wir treten jetzt am Wochenende mit wunderbaren Sängern und Künstlern bei „Christmas in Vienna“ auf. Unsere Kinder singen in der Carnegie Hall in New York, im Musikverein in Wien, in der Oper in Sydney. Das sind Erfahrungen, die Kinder sonst in diesem Alter zwischen zehn und 14 Jahren nie haben können. Und wenn sie auf Reisen sind, erleben sie natürlich auch die sozialen Probleme, die es in jedem Land gibt, aber sie erleben auch den Gegensatz. Sie werden etwa eingeladen vom japanischen Kaiserhaus, das prägt sie sehr für ihr ganzes Leben.

noe.ORF.at: Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Ein Wunsch zur Weihnachtszeit sozusagen?

Wirth: Ich würde mir wünschen, dass die Gesellschaft generell so offen ist, wie die Kinder bei uns. Wir haben Kinder mit Pässen aus allen Ländern. Das Zusammenleben funktioniert sehr gut. Und das wäre mein größter Wunsch, dass die Gesellschaft von den Kindern lernt.

Das Interview mit Gerald Wirth führte Nadja Mader, noe.ORF.at.

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