Zigarette trotz Babybauch: Tabuthema mit Folgen

Seit der Einführung von Schockbildern auf Zigarettenpackungen verzeichnet das „Rauchfrei Telefon“ der NÖGKK mehr Anrufe. Eine Zielgruppe, die nach wie vor schwer erreichbar ist, sind Schwangere. Schuld ist der gesellschaftliche Druck.

Dass der Griff zur Zigarette in der Schwangerschaft massive Folgen für das ungeborene Kind bedeuten kann, ist für viele nichts Neues. Bei einem Symposium der Niederösterreichischen Gebietskrankenkasse (NÖGKK) am Dienstag in St. Pölten wurde das dennoch ausführlich thematisiert. Grund ist, dass das Rauchen in der Schwangerschaft nach wie vor als Tabuthema gilt, heißt es.

Ein Tabuthema, das massive Folgen haben kann: Laut Angela Zacharasiewicz vom Wilhelminenspital in Wien steigt durch das Rauchen in der Schwangerschaft nicht nur das Risiko einer Frühgeburt, auch später können beim Kind noch Folgeschäden auftreten, etwa eine erhöhte Anfälligkeit für Meningokokken- und Pneumokokken-Erkrankungen oder Asthma. „Aber auch Dinge wie Lernschwierigkeiten oder Hyperaktivitätssyndrome sind häufiger bei Kindern, wenn die Mutter in der Schwangerschaft geraucht hat“, so die Ärztin.

Schockbild auf Zigarettenpackung

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Schwangere schämen sich, Hilfe anzunehmen

Dennoch fällt es vielen auch in der Schwangerschaft nicht leicht, das Laster Rauchen aufzugeben. Helfen soll dabei ein neues, haptisches Tool zur Tabakentwöhnung. Die sogenannte Vibrette wurde von Mitarbeitern der Technischen Universität (TU) Wien gemeinsam mit der NÖGKK entwickelt und bei der Tagung vorgestellt. Es ist eine Art Spielzeug, das dazu animiert, Vibrationsmuster auf einem Knopf zu drücken. Statt zur Zigarette zu greifen, soll man so abgelenkt werden, erklärt Michael Urbanek von der TU Wien. Für Schwangere würde sich das besonders eignen, da die Vibrette auch versteckt, etwa in der Tasche, verwendet werden kann. „Ein großes Problem ist, dass das Rauchen während der Schwangerschaft verpönt ist und dass sich Frauen, die während der Schwangerschaft rauchen, schämen“, so Urbanek.

Vibrette

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Die sogenannte Vibrette wurde zur Rauchentwöhnung entwickelt

Von dieser Erfahrung kann auch Sophie Meingassner berichten, die Leiterin des „Rauchfrei Telefons“ der NÖGKK, das vor mehr als zehn Jahren ins Leben gerufen wurde. Seit 2006 können sich Raucher, die aufhören möchten, unter der Nummer 0800 810 013 anonym professionelle Hilfe holen und telefonisch beraten lassen. Allerdings: Schwangere Frauen melden sich sehr selten. Rauchen in der Schwangerschaft sei nämlich ein Tabuthema und der gesellschaftliche Druck sehr hoch, erklärt Meingassner im Interview mit noe.ORF.at.

noe.ORF.at: Das Bewusstsein, wie schädlich Zigaretten sind, ist in den vergangenen Jahren deutlich gestiegen. Wieso ist Rauchen in der Schwangerschaft aus Ihrer Sicht trotzdem noch immer ein Thema, das man immer wieder thematisieren muss?

Sophie Meingassner: Das Thema ist ganz unterschiedlich präsent. In gut gebildeten Schichten, bei Personen, die besser verdienen und gut ausgebildet sind, ist das Wissen sehr verbreitet, aber bei Personen, die weniger Einkommen haben, ist das Rauchverhalten noch viel stärker ausgeprägt und da ist auch das Wissen, wie schädlich das in der Schwangerschaft ist und welche Auswirkungen das Rauchen konkret auf das Ungeborene hat, noch nicht so bekannt. Außerdem ist es auch im Gesundheitswesen selten Thema. Es wird manchmal angesprochen, aber es ist kein großes Thema in der routinemäßigen Gesundheitsversorgung.

noe.ORF.at: Würden Sie sagen, dass Rauchen in der Schwangerschaft auch ein großes Tabuthema ist?

Meingassner: Ja, das ist wirklich ein großes Thema, weil der gesellschaftliche Druck, sobald eine Frau schwanger ist und raucht, sehr stark ist. Man sieht es teilweise am Bauch und wenn die Frau raucht, bekommt sie abschätzige Blicke oder wird darauf angesprochen. Aber das Aufhören ist nicht immer ein leichter Prozess oder einer, den ich selber ganz einfach machen kann, weil Rauchen in den meisten Fällen ganz einfach eine Suchterkrankung ist. Und Sucht ist keine freie Entscheidung, sondern da ist man abhängig vom Suchtstoff. Und es mangelt sehr stark an Hilfsangebote für Frauen, die auch annehmbar sind, ohne dass sie verurteilt werden oder zu starkem Druck ausgesetzt werden.

Sophie Meingassner

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Sophie Meingassner

noe.ORF.at: Wie sind Ihre Erfahrungen beim „Rauchfrei Telefon“? Melden Sich dort viele schwangere Frauen?

Meingassner: Wir haben zu Beginn 2006 gedacht, dass sich sicher viele melden werden. Es ist anonym, ganz unverbindlich und da kann man einfach anrufen. Wir waren dann umso mehr erstaunt, dass sich sehr wenige schwangere Frauen gemeldet haben. Das ist eine Zielgruppe, die sehr schwer erreichbar ist. Viele schaffen es selber mit dem Rauchen aufzuhören, aber diejenigen, die es nicht schaffen, reduzieren oft, haben dabei ein schlechtes Gewissen und trauen sich oft nicht, es offen zu sagen. Oder sie sind gar nicht zuversichtlich, dass sie es schaffen könnte.

noe.ORF.at: Wie kann man diesen Frauen aus Ihrer Sicht helfen?

Meingassner: Wichtig ist, das Thema sichtbar zu machen, dass das Thema Rauchen, Rauchstopp und Schwangerschaft als Thema präsent ist, dass es in den Gesundheitsinstitutionen präsent ist und, dass es auch in den Unterlagen, die die Schwangeren bekommen, zum einen als Thema präsent ist und dass auch Hilfsangebote vermittelt werden. Es gibt in den meisten Bundesländern sehr gute Angebote, wo sich Schwangere hinwenden können. Es sollte transportiert werden, es gibt Hilfe, mit Hilfe gelingt es leichter und die kann man in Anspruch nehmen.

noe.ORF.at: Was sind Ihrer Erfahrung nach die größten Hindernisse, wenn man mit dem Rauchen aufhören möchte? Woran scheitern die meisten?

Meingassner: Oft wird der Suchtcharakter komplett unterschätzt. Man glaubt, man hat es unter Kontrolle oder es ist nur eine Gewohnheit. Aber dass es sowohl körperliche als auch psychische Aspekte gibt, die die Abhängigkeit ganz klar machen, das wird oft unterschätzt. Und dann gibt es einfach viele Gewohnheiten, denen man nicht auskommt und die man bisher immer mit Zigarette erlebt hat. Und ganz relevant ist natürlich die gesellschaftliche Norm. In Österreich ist es nach wie vor ein sehr toleriertes Verhalten. Zigaretten sind ganz leicht zugänglich. Das wäre eine ganz klare Hilfestellung: Wenn die Zigaretten nicht so leicht verfügbar sind, fällt es auch vielen Leuten leichter, nicht zu rauchen.

noe.ORF.at: Seit etwa einem Jahr sind auf allen Zigarettenpackungen sogenannte Schockbilder zu sehen. Hat sich das bei Ihnen beim Rauchfrei Telefon bemerkbar gemacht?

Meingassner: Das haben wir deutlich bemerkt. Es sind ja nicht nur die Schockbilder, sondern auch die Nummer des „Rauchfrei Telefons“ ist auf jeder Packung aufgedruckt. Und seit Einführung haben wir ungefähr vier, fünf Mal so viele Anrufe, die uns erreichen. Also aus unserer Sicht wissen wir, es spricht eine große Zielgruppe von Raucherinnen und Rauchern an, weil sie es täglich sehen.

noe.ORF.at: Was würden Sie ganz konkret jemandem empfehlen, der aufhören möchte zu rauchen?

Meingassner: Ich empfehle zwei Sachen. Das erste ist, es zu machen und nicht hinauszuschieben, etwa bis man 50 ist, sein erstes Enkelkind bekommt oder selber schwanger wird. Nicht aufschieben, sondern gleich machen. Und dann sollte man sich ganz gut überlegen, warum will man aufhören und was ist das Gute und das Schlechte am Rauchen. Man sollte sich überlegen, wozu dient die Zigarette, denn dann kann man besser raus finden, was man statt der Zigarette machen kann.

Das Gespräch führte Katharina Sunk, noe.ORF.at

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