Leseschwäche: Wie Eltern helfen können

Jeder siebente Schüler in Niederösterreich hat Probleme beim Lesen einfacher Texte. Initiativen und Projekte, die versuchen zu helfen, gibt es viele. Es kommt aber auch auf die Unterstützung aus dem Elternhaus an, heißt es von Pädagogen.

Der spätere Schulerfolg beginnt schon mit dem Vorlesen zuhause, ist Gabriele Mosch, Direktorin der Neuen Mittelschule (NMS) St. Leonhard am Forst (Bezirk Melk) überzeugt. Grundlage sei, wie zuhause mit dem Lesen und dem Medienkonsum umgegangen werde. Je mehr Zeit für andere Medien aufgewendet werde, desto weniger Zeit bleibe für das Lesen, sagt Mosch: „Ohne Unterstützung des Elternhauses in die Richtung, dass man Kinder dazu anregt, dass Lesen eine Bedeutung für den späteren beruflichen Erfolg hat, wird es nicht gehen.“

Lesestunde NMS St. Leonhard am Forst

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In der NMS St. Leonhard am Forst versucht man die Schüler für das Lesen zu begeistern

In der NMS St. Leonhard am Forst hat das Lesen daher einen ganz besonderen Stellenwert. Hier werden die Schülerinnen und Schüler schon in der ersten Klasse auf ihre Lesekompetenz getestet und wenn nötig entsprechend gefördert. In freiwilligen Lesestunden am Nachmittag versucht man den Schülern das Lesen auch auf spielerische Art und Weise schmackhaft zu machen. Das Problem sei nämlich, dass viele Kinder nicht sehr gerne lesen und man sie so auf den Weg bringen müsse, doch zu einem Buch zu greifen, sagt Lehrerin Anneliese Pichelmann, die Leiterin der Leseförderung.

So wird in den Lesestunden in der Bibliothek etwa „Typ Dom“ gespielt, es gibt Leseübungen, die am Computer zu erledigen sind, oder kleine Belohnungen, wenn die Schüler vorbereitete Texte fehlerfrei lesen können. Als Ansporn dürfen sich die Schüler am Ende des Schuljahres auch bei einem heimischen Radiosender als Moderatoren und Nachrichtensprecher versuchen, erzählt Pichelmann. Und auch im Kindergarten werden Ostergeschichten vorgelesen.

Lesen auch im Turn- und Werkunterricht

Darüber hinaus wird versucht, das Lesen auch außerhalb der Förderstunden zu forcieren. Die Lehrer werden zu angehalten, in allen Fächern zu lesen. „Man kann auch in Turnen einen Spielplan lesen, man kann in Werken einen Bauplan lesen. Es ist wirklich wichtig, dass das intensiv geübt wird und daher ist es notwendig, dass alle zusammenhelfen“, sagt die Direktorin und appelliert dabei auch an die Eltern.

In der NMS sind nämlich nicht nur die Schüler, sondern auch die Eltern gefordert. Sie sollten jeden Tag mindestens zehn Minuten gemeinsam mit ihren Kindern eine Leseübung lesen. „Wenn die Unterstützung der Eltern da ist, dann kann man viel bessere Erfolge verzeichnen“, sagt Pichelmann.

Das Projekt läuft seit drei Jahren. Bis jetzt konnte man immer Verbesserungen bei den Schülern verzeichnen, wenn der Lesetest am Ende des Schuljahres wiederholt wird, heißt es. „Das ist für mich schon auch ein gewisser Erfolg, wenn die Kinder selbst überzeugt sind, dass sie gewisse Besserungen haben. Und man sieht auch dann beim Lesen, dass sich etwas getan hat“, sagt Pichelmann.

Gerasdorf: Lernpaten für Volksschulkinder

Wie wichtig die Unterstützung des Elternhauses bei der Ausbildung ist, weiß man auch in Gerasdorf bei Wien (Bezirk Korneuburg). Hier gibt es seit etwa einem Jahr den Eulenklub, eine freiwillige Initiative. Zweimal pro Woche treffen sich im Eulenklub sogenannte Lernpaten mit Volksschulkindern, um mit ihnen die Hausaufgaben zu machen. Gründerin ist Inge Kostopoulos. „Die Idee entstand als Lesepatin, wo ich festgestellt habe, dass Kinder keine Hausaufgaben mehr machen und dass das von zuhause auch nicht unterstützt wird “, erzählt sie.

Zehn Lesepaten gibt es insgesamt, die pro Stunde jeweils ein Kind betreuen und diesem bei der Hausübung helfen. Wenn die Hausaufgabe erledigt ist, werden Lernspiele gespielt oder es wird gelesen. Die meisten Kinder, die in den Eulenklub kommen, haben Migrationshintergrund und brauchen deshalb auch Unterstützung beim Erlernen der deutschen Sprache - etwas, das für die Leiterin besonders wichtig ist, denn „die deutsche Sprache ist die Grundlage für jede Ausbildung“, sagt Inge Kostopoulos, „ganz egal welchen Gegenstand ich lerne, ob das jetzt in der Volksschule der Sachunterricht oder Mathematik ist.“

Vor allem Mathematik sei für viele Volksschulkinder „ein Riesenproblem“, sagt Kostopoulos, weil viele Aufgaben ein Konstrukt an Text beinhalten würden. Viele Kinder seien tolle Rechner, aber in dem Moment, in dem die Aufgabe einen Text beinhalte, der ganz genau verstanden werden müsse, funktioniere die Rechnung nicht mehr. „Das heißt, Kinder, die nicht Deutsch können, können auch nicht rechnen“, so die Leiterin des Eulenklubs.

„Jeder kann etwas tun“: Eulenklub will Vorbild sein

Viele Eltern würden versuchen, ihre Kinder zu unterstützen, erzählt Kostopoulos, aber nicht alle hätten selbst die nötigen Kenntnisse. Dann gäbe es aber auch jene Familien, in denen zuhause nicht Deutsch gesprochen wird, und das sei laut der Leiterin ein großes Problem: „Wenn Kinder zuhause in einer fremden Sprache sprechen, dann ist es für das Kind schwierig. Und wenn es dann noch dazu im Sommerurlaub zwei Monate ins Ausland fährt, dann haben wir schon manchmal das Gefühl, die Kinder sind nach dem Urlaub und am Ende der Ferien schlechter, als sie Monate davor waren.“

In Gerasdorf möchte man jedenfalls mit gutem Beispiel voran gehen. Die Situation werde nicht besser, heißt es. „Die Situation ist so wie sie ist, wir müssen sie so hinnehmen, wie sie ist, aber es kann jeder etwas tun. Es kann jeder so eine Initiative machen, wie wir sie hier gemacht haben. Es macht viel Freude und es kommt sehr viel zurück“, sagt Kostopoulos.

Eulenklub Gerasdorf

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Im Eulenklub in Gerasdorf gibt es für jedes Volksschulkind einen eigenen Lernpaten

Bildungsstandard der Eltern entscheidend

Wie wichtig Initiativen wie in St. Leonhard und Gerasdorf sind, zeigen jedenfalls die Ergebnisse des jüngst veröffentlichten Bildungsstandards-Tests in Deutsch, an dem im Vorjahr in Niederösterreich mehr als 15.000 Schülerinnen und Schüler der achten Schulstufe teilnahmen. 51 Prozent von ihnen erreichten die vorgegebenen Bildungsstandards beim Lesen, sechs Prozent übertrafen sie sogar.

Allerdings: 28 Prozent der Schüler erreichten das notwendige Niveau nur teilweise, 14 Prozent gar nicht. Jeder siebente Schüler hat damit Probleme beim Lesen von einfachen Texten. Kinder mit Migrationshintergrund schnitten deutlich schlechter ab. Bei ihnen sind es 33 Prozent, die massive Leseprobleme haben und die Bildungsstandards nicht erreichten. Stärker wirkt sich nur der Bildungsgrad der Eltern aus. Wenn die Eltern maximal einen Pflichtschulabschluss haben, sind es 34 Prozent der Kinder, die die Bildungsstandards nicht erreichten.

Katharina Sunk, noe.ORF.at

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