300 „Piraten“ erobern Waldkirchen

Mehr als 300 Kinder stürmen an einem Tag im Jahr den kleinen Ort Waldkirchen (Bezirk Waidhofen an der Thaya). Die Gemeinde versucht durch ihr Piratenspiel für Kinder auf sich aufmerksam zu machen - durchaus mit Erfolg.

Mit dem Piratenspiel riefen die Waldkirchner viel Begeisterung hervor. Im Ort herrscht plötzlich wieder Leben, von den 530 Einwohnern machen fast 200 beim Aufbau, bei den Vorbereitungen und der Betreuung der Kinder mit. Der Dorferneuerungsverein, die Landjugend, die freiwillige Feuerwehr, die Polizei, der Fischereiverein oder der Seniorenbund, alle sind mit Feuereifer dabei.

„Ich bin mit meinen Enkelkindern da, am Vormittag machen wir die Runde und am Nachmittag helfe ich mit beim Kegel aufstellen“, erzählte etwa Aloisia Babisch, die sich sehr gerne bei dem Piratenspiel engagiert. 16 Spielstationen gibt es in der Gemeinde, verteilt über zehn Kilometer. Mehr als 300 Familien aus ganz Niederösterreich kommen seit mittlerweile vier Jahren hierher um alles zu entdecken.

Piratenspiele in Waldkirchen

ORF

Echte Piraten müssen auch durch ein großes Spinnennetz klettern können

Spielestationen fördern gegenseitiges Helfen

Echte Piraten, so das Motto des Spiels, müssen natürlich auch ihre Geschicklichkeit unter Beweis stellen. Sei es beim Klettern, Feuerlöschen, Seile knüpfen oder Holz bearbeiten. „Unsere Spielestationen sind so aufgebaut, dass die Eltern den Kindern helfen dürfen, denn am Piratenschiff müssen auch alle mithelfen und wenn der eine nicht mehr weiter kann, dann darf ein anderer mithelfen“, erklärte die Obfrau des Dorferneuerungsvereins und Organisatorin des Piratenspiels, Christa Stürmer.

Den ganzen Tag über haben die Kinder mit ihren Eltern hier Gelegenheit nach Herzenslust zu spielen. „Ich bin mit meinen zwei Buben da, wir sind schon zum dritten Mal dabei und es gefällt ihnen einfach so gut, dass wir jedes Jahr wiederkommen müssen“, freut sich Sonja Kreutziger aus Heidenreichstein (Bezirk Waidhofen an der Thaya), über das Angebot für Familien mit Kindern.

Abwanderung ist nicht aufzuhalten

Der Bürgermeister Rudolf Hofstätter (ÖVP) macht sich aber keine Illusionen. Der eine Tag des Piratenspiels löst natürlich nicht die Probleme der Abwanderungsgemeinde. „Wir hatten seit 1971, als die Gemeindezusammenlegungen kamen und sich die Marktgemeinde Waldkirchen mit sieben Katastralgemeinden vereinigt hat, 1070 Einwohner. 45 Jahre später haben wir 530. Die Einwohnerzahl hat sich halbiert.“

Piratenspiele in Waldkirchen

ORF

Waldkirchen verzeichnet im Schnitt pro Jahr zwei Geburten und 15 Sterbefälle

In Waldkirchen werden pro Jahr etwa zwei Kinder geboren, im gleichen Zeitraum gibt es rund 15 Sterbefälle. Gerade einmal 14 Arbeitsplätze gibt es im Ort. Die Jugend ist großteils weggezogen, weil sie keine Perspektiven sieht. 14 Kinder gehen hier in die Schule, sie lernen die tschechische Sprache, um vielleicht später im Nachbarland Arbeit zu finden. Aus den Bahntrassen der Thayatalbahn ist mittlerweile ein Radweg geworden, doch der Radtourismus läuft nur zögernd an.

Chancen auf Arbeitsplätze in Tschechien

„Ich sehe das als einen möglichen Ausweg für die Grenzgemeinden, dass wir mit den Tschechen kooperieren und uns austauschen mit den Arbeitskräften. Das wird vor allem interessanter werden, wenn sich das Lohnniveau angeglichen hat“, ist Hofstätter überzeugt.

Auch wenn die Region durch ihre Naturbelassenheit große Reize hat, die Probleme der Gemeinde sind nicht wegzudiskutieren. Doch am Tag des Piratenspiels rücken sie kurze Zeit in den Hintergrund. Das Spiel haben die Waldkirchner schließlich selbst erfunden, und so ist ihnen also wohl einiges zuzutrauen, wenn es darum geht, auch weiterhin Leben in ihre Gemeinde zu bringen.

Otto Stangel, noe.ORF.at

Link: