Bachinger fordert mehr Geld für mobile Pflege

Seit Jahresbeginn ist die Zahl der Anträge für Heimplätze um 20 Prozent gestiegen. Mit 1. Jänner wurde ja der Pflegeregress abgeschafft. Patientenanwalt Gerald Bachinger plädiert dafür, mehr in die mobile Pflege zu investieren.

Dass die Zahl der Anträge für Heimplätze seit Jahresbeginn gegenüber dem Vorjahr gestiegen ist, sei noch bewältigbar, sagt der Leiter der Abteilung Heime im Land Niederösterreich, Otto Huber. Allerdings werde auch jeder einzelne Fall rigoros geprüft, ob es um medizinisch notwendige oder finanziell motivierte Anträge gehe. Nur die notwendigen würden auch aufgenommen, so Huber.

Pflege Betreuung Hände

APA/dpa-Zentralbild/Sebastian Kahnert

Die meisten pflegebedürftigen Menschen wollen so lange wie möglich in den eigenen vier Wänden leben

Großer Wunsch nach Pflege zu Hause

Die Alternative zum Heimplatz ist die 24-Stunden-Betreuung. Ob die Förderung dafür ausgeweitet wird, hängt von der weiteren Entwicklung bei den Heimplätzen ab. Die sei derzeit aber noch nicht seriös einschätzbar. Deshalb warte man mit einer Entscheidung noch ab, heißt es beim Land Niederösterreich. Im Burgenland etwa soll die Förderung der ambulanten 24-Stunden-Betreuung angehoben werden - laut Umfrage wollen nämlich 85 Prozent der Menschen gar nicht in ein Heim, sondern zu Hause gepflegt werden.

Bei Pflegestufe 4, die für eine Aufnahme in ein Heim Voraussetzung ist, kostet die 24-Stunden-Betreuung knapp 2.000 Euro pro Monat. Der Zuschuss der öffentlichen Hand beträgt 500 Euro. Ein Pflegebett in einem Heim ist nicht direkt vergleichbar. Es kostet insgesamt 4.000 Euro pro Monat. Der oder die zu Pflegende trägt 80 Prozent der Pension und 90 Prozent des Pflegegeldes bei. Der bisherige Zugriff auf Vermögen, um die Lücke zu füllen, ist seit 1. Jänner nicht mehr möglich. Derzeit gibt es in Niederösterreich 95.000 Pflegegeld-Bezieher. 9.500 von ihnen sind in stationären Einrichtungen, die übrigen werden ambulant betreut. Inwieweit sich diese Zahlen verschieben werden, werde erst in einem halben Jahr klar erkennbar sein, heißt es beim Land.

Gerald Bachinger

ORF

Patientenanwalt Gerald Bachinger zu Gast im „NÖ heute“-Studio. Die mobilen Pflegedienste sollen stark ausgebaut werden, so Bachinger.

noe.ORF.at: Patientenanwalt Gerald Bachinger, in anderen Bundesländern ist die Zahl der Anmeldungen teilweise deutlich höher als in Niederösterreich. Woran liegt das??

Gerald Bachinger: Das liegt sicher daran, dass der Pflegeregress weggefallen ist. Aus meiner Sicht muss man das im Sinne der Betroffenen als sehr positiv sehen, es hat aber sicher Auswirkungen auf die stationäre Pflege. Diese finanziellen Anspannungen, die jetzt bei den Ländern und Gemeinden auftreten werden, die werden zu schaffen sein. Das ist aber nur ein kleiner Teil eines zukünftigen Problems, das bei der Pflege auf uns zukommen wird. Wir werden uns darauf einstellen müssen, dass künftig wesentlich mehr Ressourcen in die Pflege fließen müssen.

noe.ORF.at: Sie fordern in diesem Zusammenhang ganz klar eine stärkere Förderung der 24-Stunden-Betreuung daheim. Ist das die Lösung aller Probleme?

Bachinger: Die mobilen Dienste sollen aus meiner Sicht mittel- und langfristig sehr stark ausgebaut werden. Die meisten Menschen werden zu Hause betreut und gepflegt. Wenn wir uns die demografische Entwicklung anschauen, sehen wir, dass die familiären Strukturen nicht mehr so dicht sind wie früher. Der Bedarf ist also da, dass die mobile Pflege ausgebaut werden muss. Das ist mir deswegen so wichtig, weil das auch das ist, was sich die Menschen selbst wünschen. Wir haben eine gute Qualität in den Pflegeheimen. Trotzdem ist es so, dass die weitaus überwiegende Zahl der älteren Menschen natürlich so lange als möglich in ihren eigenen vier Wänden bleiben will. Das können sie aber nur, wenn eine entsprechende professionelle Unterstützung da ist.

noe.ORF.at: Inwiefern sollten 24 Stunden-Betreuerinnen durch diplomiertes Pflegepersonal unterstützt oder sogar ersetzt werden?

Bachinger: Auf der einen Seite müssen wir die finanzielle Unterstützung für die 24-Stunden-Pflege ausbauen. Zweitens müssen wir eine professionelle Qualität schaffen. Stichwort: 24-Stunden-Betreuung-Plus. Das heißt, dass zusätzlich auch eine diplomierte Pflegekraft für die 24-Stunden-betreuten Menschen zuständig ist, damit sich auch die Betreuerin Unterstützung holen kann.

noe.ORF.at: Bis 2030 erwartet man ein ständiges Ansteigen an pflegebedürftigen Menschen. Wie sollte man da schon jetzt vorbauen, um dann keinen Engpass zu haben?

Bachinger: Es ist eigentlich schon fünf Minuten nach 12. Wir sollten jetzt beginnen, uns mit allen Sektoren zusammen zu setzen und ein übergreifendes Konzept erstellen, das dann nach und nach umgesetzt wird.