„Überleben“: Festspielhaus startet in neue Saison

Unter dem Motto „Leben/Überleben“ steht die kommende Saison 2018/19 im Festspielhaus St. Pölten. Die künstlerische Leiterin Brigitte Fürle stellte das Programm, darunter eine Welt- und eine Europapremiere, am Mittwoch vor.

Eine Weltpremiere, eine Europa-Premiere, zwei Premieren im deutschsprachigen Raum und sieben Österreich-Premieren - darunter insgesamt vier internationale Koproduktionen - bieten wieder einen Querschnitt durch das Schaffen zeitgenössischer Tanzcompagnien von Havanna über Tel Aviv bis Sydney. Angelin Preljocaj gastiert mit „Romeo et Juliette“ , „les ballets C de la B“ zeigen „Requiem pour L.“ von Alain Platel und Fabrizio Cassol.

Acosta Danza

Totti Ferer

Eröffnet wird am 22. September mit der kubanischen Compania Acosta Danza

Auch Sidi Larbi Cherkaoui, Sasha Waltz und Hofesh Shechter kehren mit neuen Produktionen nach St. Pölten zurück. Als Artist in Residence wird Shahar Binyamini gemeinsam mit Ohad Naharin die Weltpremiere eines „Gaga“-Abends im Mai 2019 vorbereiten.

„Cirque Nouveau“ als Schwerpunkt

Das Tonkünstler-Orchester Niederösterreich ist nicht nur mit zwölf symphonischen Abonnementkonzerten (unter anderem mit Haydns „Schöpfung“ und Mahlers „Auferstehungssymphonie“ mit Daniela Fally und Elisabeth Kulman) und drei „Plugged-In“-Konzerten, sondern auch mit Kammermusik-Projekten und als Live-Orchester (zum Beispiel am Eröffnungsabend) präsent - mehr dazu in - Tonkünstler auf musikalischer Spurensuche (noe.ORF.at; 4.4.2018).

Weitere thematische Schwerpunkte in der Programmation bilden der „Cirque Nouveau“ (unter anderem mit Cirque Eloize) und die Konzertreihe „Jazz, World & Beyond“ (etwa mit Lizz Wright, den Kings Singers oder Klaus Doldinger & Passport). Intensive Kulturvermittlung („Go beyond“) sowie ein reichhaltiges Angebot für Kinder und Familien liegen Fürle besonders am Herzen.

Yutaka Sado

Martina Siebenhandl

Yutaka Sado

Rekordergebnis für laufende Spielzeit

Bereits in der laufenden Saison zeichnet sich ein Rekordergebnis ab: Die Erlösmarke aus dem Kartenverkauf wird die Millionengrenze erstmals deutlich überschreiten, die Besucherzahlen bei Eigenveranstaltungen steigen im jeweiligen Vergleichszeitraum 01. September bis 31. März von 31.181 (Saison 2016/17) auf 33.022. Laut Festspielhaus-Geschäftsführer Thomas Gludovatz liegt die Auslastung der Eigenveranstaltungen derzeit bei 87,5 Prozent.

Somit hat das Motto der kommenden Saison wohl kaum mit einem etwaigen Überlebenskampf des Hauses zu tun, ganz im Gegenteil. Denn Fürles Credo lautet: „Es gilt, in einer Welt, die zu zerbrechen droht, mit den Mitteln der Kunst das Leben zu feiern.“

Start in sechste Saison von Brigitte Fürle

Brigitte Fürle startet im Herbst in ihre sechste Saison als künstlerische Leiterin des Festspielhauses St. Pölten. Dass mit dieser Rolle eine „spezielle Herausforderung“ verbunden war, ist Fürle bewusst: „Wichtig ist die gegenseitige Wertschätzung zwischen Haus und Bevölkerung. Mit gutem Programm kann man immer wieder sehen, dass sich Publikum aufbauen lässt.“ Dabei wird seit jeher auf ein attraktives Kulturvermittlungsangebot Wert gelegt.

Cirque Alfonse

Audrice Gagnon

Cirque Alfonse

Die Vielspartigkeit sei dabei eine wahre „Wunderwaffe“. Ballett, Tanz, Zirkus, Konzerte aus Klassik und Jazz ergeben einen generationsübergreifenden Mix, Musiktheaterproduktionen aus aller Welt gastieren in der niederösterreichischen Landeshauptstadt - und österreichweit meist nur hier. Das schafft Alleinstellungsmerkmale sowie Freiheiten außerhalb des Repertoiresystems und sichert dem Haus einen ausgezeichneten internationalen Ruf.

Kulturhauptstadt als Anschubhilfe für Kulturhäuser

Doch auf den erreichten Lorbeeren will sich Fürle keineswegs ausruhen: Das gesamte Image soll nochmals zu einem „großen Neuen“ wachsen. Im Kontext mit den Bemühungen in St. Pölten zur Bewerbung als EU-Kulturhauptstadt („Das Potenzial ist vorhanden“) seien „tolle Entwicklungen möglich und auch im Gange“, gibt sich Fürle einstweilen noch kryptisch.

Brigitte Fürle

Martina Siebenhandl

Künstlerische Leiterin Brigitte Fürle

Zudem sei das Haus zwar ein wahrer „Solitär“, doch bedürfe es mancher Nachrüstung, zum Beispiel eines automatisierten Schnürbodens. Für eine derartige dringend erforderliche Adaptierung könnte die Kulturhauptstadtbewerbung hoffentlich die notwendige Anschubhilfe bringen, um den großen Häusern in Österreich auch technisch ebenbürtig zu sein - mehr dazu in St. Pölten sammelt Kulturhauptstadt-Ideen (noe.ORF.at; 8.4.2018).

Ihre sechste Spielzeit ist inhaltlich sehr persönlich geprägt von existenziellen Themen wie Leben und Sterben, Fragen und Gegenüberstellungen von bedrohlichen Endzeit-Szenarien versus lebensbejahende Utopien, Momenten von Entschleunigung und Zeitlosigkeit. Diesen Anspruch hält Fürle hoch, denn: „Kunst ist die letzte Bastion der Glaubwürdigkeit menschlichen Daseins. Die religiösen Formate haben eher versagt.“

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