Zeitzeugen erzählen vom Zweiten Weltkrieg

Die größte Katastrophe der Weltgeschichte hat vor 75 Jahren angefangen: Der Zweite Weltkrieg hat am 1. September 1939 mit dem Überfall Deutschlands auf Polen. Zeitzeugen aus Niederösterreich haben das sinnlose Töten miterlebt.

Adolf Hitlers Strategie sah die Vortäuschung eines polnischen Angriffes vor, um den Überfall als Reaktion zu tarnen: „Polen hat heute Nacht zum ersten Mal auf unserem eigenen Territorium auch mit bereits regulären Soldaten geschossen. Seit 5 Uhr 45 wird jetzt zurückgeschossen.“

Adolf Hitler

ORF

Adolf Hitler täuschte am 1. September 1939 die gesamte Welt

Ein Angriff mit Ansage. „1936 wurde ein Vier-Jahres-Plan herausgegeben, von Adolf Hitler persönlich - natürlich immer mit seinen Paladinen, denn er hat nicht alles allein ausgeheckt. In diesem Plan steht: Der Krieg beginnt 1940. Das stand damals schon drinnen, dass in vier Jahren die Wehrmacht bereit zu sein hat für den großen Eroberungskrieg“, erklärt Philipp Lesiak vom Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung, das in Raabs an der Thaya (Bezirk Waidhofen an der Thaya) eine Außenstelle betreibt.

Zeitzeuge Franz Schweiger

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Franz Schweiger: „Welchen Sinn hatte dieser Krieg?“

„Was haben wir dort verloren gehabt?“

„Wenn ich meine Heimat verteidigen muss, ist das etwas anderes. Wenn Österreich angegriffen wird, habe ich eine Verpflichtung, denn meine Heimat ist meine Heimat. Da kann ich mein Leben auch lassen, weil ich weiß, ich kämpfe für meine Heimat! Aber was haben wir in Russland, in Schweden und Finnland verloren gehabt, in Italien und in Frankreich? Überall sind die deutschen Soldaten gesessen. Was hat das für einen Sinn gehabt“, fragt der 92-jährige Franz Schweiger aus Rotheau (Bezirk Lilienfeld), der als Soldat am Zweiten Weltkrieg teilnehmen musste und die Kämpfe vor Stalingrad überlebte.

Zeitzeugin Theresia Zweschper

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Theresia Zweschper: „Man hat sich unter Krieg nichts vorstellen können“

„Was wird jetzt werden?“

„Da sind alle beisammen gestanden und haben gesagt, was wird jetzt werden, was wird jetzt kommen? Man hat dann gesehen, wie sie die jungen Burschen, die Söhne holen. Es war Krieg. Man hat sich darunter aber nichts vorstellen können, man es erst später dann am eigenen Leib gespürt“, schildert die 88-jährige Theresia Zweschper aus Traisen (Bezirk Lilienfeld).

„Die, die einrücken mussten, haben natürlich negativ reagiert, wer hat das schon gerne gemacht? Aber es war auch eine gewisse Euphorie vorhanden, denn Polen hat ja in drei Wochen kapituliert“ (Franz Schweiger).

Historiker Philipp Lesiak

ORF/Markus Posch

Philipp Lesiak: „Ein Angriff mit Ansage“

Diese viel zitierte Kriegseuphorie wird heute auch von der Wissenschaft differenzierter gesehen. Man weiß, dass „diese große Euphorie, dieses August-Erlebnis, dieses berühmte, wo alle mit fliegenden Fahnen in den Krieg gezogen sind, auf der einen Seite vielleicht wahr war, vor allem in der veröffentlichten Meinung, in den Medien“ (Lesiak).

Wenn man aber die Briefe liest, vor allem „jene der Frauen und Mütter, aber auch von älteren Männern, dann sieht man, dass diese Menschen das mit ganz anderen Vorahnungen gesehen haben. Sie hatten viel mehr Angst davor und waren gar nicht so kriegsbegeistert“, so der Historiker Philipp Lesiak.

Sendungshinweis: „Niederösterreich heute“, 1.9.2014

„Warum soll ich auf andere schießen?“

Der 92-jährige Franz Schweiger, heute noch als Gastwirt aktiv, ist glücklich, überlebt zu haben. Mit Strategie: „Nur keinen Helden spielen, weil ich vielleicht ein Eisernes Kreuz bekomme, wenn ich dort als Erster nach vorne gelaufen bin, das habe ich nicht gebraucht. Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie man für das Töten eine Auszeichnung bekommen kann, das ist mir rätselhaft. Der andere ist auch ein Mensch, der Russe, der da kommt, der will doch auch überleben, hat vielleicht auch eine Familie. Und auf den soll ich jetzt zielen und schießen?“

Robert Salzer, noe.ORF.at

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