Lehrermangel erfordert Kompromisse

Mit Beginn des neuen Schuljahres sind in manchen Regionen die Lehrpersonal-Wartelisten aufgebraucht. Viele Pädagoginnen und Pädagogen unterrichten fremde Fächer, weil sich sonst niemand findet. Auch Studierende sind im Einsatz.

Johannes Skoll unterrichtet seit Montag an der Neuen Mittelschule Traismauer (Bezirk St. Pölten). Das Jobangebot bekam der 23-Jährige direkt in Anschluss an Lehramt-Studium und Bundesheer, auf einer Warteliste stand Skoll nie. Aus der Heimat St. Pölten hat er es jetzt zudem nicht weit in die Arbeit. Doch einen Wermutstropfen gibt es für den Junglehrer: Er unterrichtet Deutsch, obwohl er dieses Fach nicht studiert hat. „Es gibt halt jetzt einen Bedarf an Deutschlehrern. Ich bin da sehr offen, deswegen ist das für mich kein Problem“, sagt er.

Schüler in NMS Traismauer mit Junglehrer, Lehrermangel

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Johannes Skoll unterrichtet seit wenigen Tagen an der NMS Traismauer

Der Bildungsdirektor des Landesschulrats, Johann Heuras, beschreibt eine solche Situation hingegen als „nicht optimal“ und meint, es sei „kein Geheimnis, dass man zu dem Fach, das man studiert hat, eine gewisse Liebe und Zuneigung hat. Und das spüren die Schülerinnen und Schüler“. Und trotzdem ist die Fremdfächer-Besetzung derzeit eine Maßnahme, um einem Engpass beim Lehrpersonal entgegenzuwirken. Für das neue Schuljahr gab es an niederösterreichischen Pflichtschulen 520 Neuanstellungen. Dem stehen 400 Pensionierungen gegenüber - und diese Zahl ist im Steigen begriffen: „Bis 2025 geht etwa die Hälfte aller Pädagoginnen und Pädagogen Österreichs in Pension. Das ist ein gewaltiger Aderlass“, sagt Johann Heuras.

Jahre ohne Abschlussjahrgang bereiten Sorge

Doch Pensionierungen sind nicht die einzige Herausforderung beim Thema Lehrpersonal. Vor drei Jahren hatte man begonnen, die Mindeststudiendauer der Ausbildung für Lehrer zu verlängern. Somit gab es heuer bei den Volksschullehrern keinen Abschlussjahrgang. Bei den Mittelschullehrern wird das nächstes Jahr der Fall sein. „Das heißt, im nächsten Jahr wird sich die Situation doch dramatisch zuspitzen und wir werden voraussichtlich zu wenig Personal haben“, sagt Bildungsdirektor Heuras.

Schüler in NMS Traismauer mit Junglehrer, Lehrermangel

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Häufige Lehrerwechsel sind auch für Schüler unangenehm

Vereinzelt lässt man daher jetzt Studierende schon vor dem Abschluss ihrer Ausbildung unterrichten. Das jedoch kritisiert die Lehrergewerkschaft: „Aus Sicht der Studenten ist das unzumutbar. Die Doppelbelastung schaffen sie zum Teil nicht“, sagt Peter Böhm von den Niederösterreichischen Landeslehrern. Die Folge sei eine hohe Drop-Out-Rate und häufige Lehrerwechsel wiederum seien auch für Schülerinnen und Schüler unangenehm.

Starke regionale Unterschiede

Wer Deutsch und Englisch auf Lehramt studiert hat und beispielsweise an einer NMS im Weinviertel unterrichten will, sollte derzeit keine Schwierigkeiten haben, einen Job zu finden. Denn genau in diesen Bereichen zeigen sich die zunehmenden Engpässe am deutlichsten. Auch im Süden Wiens sind laut Johann Heuras die Wartelisten beinahe aufgebraucht, auf die wenigen Reserve-Kandidaten werde man vermutlich schon im Laufe des Schuljahres zurückgreifen müssen.

Völlig gegensätzlich zeigt sich die Situation jedoch im Mostviertel. Vor allem unter den Volksschullehrerinnen und -lehrern dürften dort einige seit mehr als einem Jahr auf eine Stelle warten. Bei der Warteliste sei man jetzt noch bei den Absolventen aus dem Jahr 2016, sagt Helmut Ertl, Vorsitzender der Niederösterreichischen Landeslehrer. Aus dem Jahrgang 2017 sei im Mostviertel noch niemand auf einen Posten nachgerückt.

Schüler in NMS Traismauer mit Junglehrer, Lehrermangel

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Für die NMS Traismauer werden bald wieder Lehrer gesucht

Lange Wartelisten bedeuten für Junglehrer schlechte Jobchancen, sie sind jedoch für die Schulen eine Art Sicherheitspolster. An der NMS Traismauer würde man gerne auf eine Warteliste zurückgreifen können. In zwei Monaten geht der nächste Lehrer in Pension. Die Nachbesetzung ist bisher offen.

Miriam Steiner, noe.ORF.at

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