Ärztekammer kündigt Diabetesprogramm

Die Ärztekammer NÖ hat das Disease Management Programm für Altersdiabetes (Diabetes Mellitus Typ 2/"Therapie aktiv") gekündigt. Die Kurienversammlung habe einen mehrheitlichen Beschluss gefasst, teilte die Standesvertretung mit.

Die Ärztekammer begründete in einer Aussendung ihre Entscheidung damit, dass kein medizinischer Nutzen ableitbar sei. Die Evaluierung des Projektes habe bestätigt, was alle verfügbaren Studien belegen würden, so Präsident Christoph Reisner. Die Kündigung erfolge zum nächstmöglichen Termin Ende September.

Die NÖ Patientenanwaltschaft sprach von einer „Ohrfeige für tausende Patienten und viele im Programm engagierte Ärzte“. Die NÖ Gebietskrankenkasse (NÖGKK) sieht die strukturierte Versorgung von 5.800 Betroffenen gefährdet.

Spritze

fotolia.de/DIA

Kammer: „Keine medizinischen Verbesserungen“

Dietmar Baumgartner, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte in Niederösterreich, erinnerte in der Aussendung, dass der Vorstand der NÖ Ärztekammer bereits im Herbst 2009 entschieden hätte, das Projekt zu beenden. Anschließende Gespräche mit NÖGUS und NÖGKK hätten jedoch zu Verbesserungen geführt, weshalb im Frühjahr 2010 die Fortführung beschlossen worden sei. „Diese Optimierungen waren jedoch nicht ausreichend, um das Interesse der Patienten- und Ärzteschaft an diesem Projekt zu steigern und medizinische Verbesserungen zu erwirken“, so Baumgartner.

Bachinger: „Patienten-Wohlergehen wird geopfert“

Niederösterreichs Patientenanwalt Gerald Bachinger hält die Argumente der Kammer für fadenscheinig. „In Wirklichkeit stört die Standesvertretung, dass sie zu wenig Einfluss auf das Programm nehmen kann. Dem wird nun das Wohlergehen jetziger und künftiger Diabetespatienten geopfert.“

Für Elfriede Schnabl von der Selbsthilfe NÖ ist die Ungeduld seitens der Ärztevertreter unverständlich. „Nach Kritik der Ärztekammer wurde erst im Frühjahr 2010 eine neue Vereinbarung geschlossen, in der ihre Forderungen berücksichtigt wurden. Nur eineinhalb Jahre später aus einem langfristig angelegten Projekt auszusteigen, ist unverantwortlich.“

Krankenkasse prüft Fortsetzung des Projekts

Es würde ihn freuen, würde die Kammer ihre Entscheidung überdenken, reagierte der Obmann der NÖGKK, Gerhard Hutter. Gleichzeitig kündigte er an, dass die Gebietskrankenkasse alles tun werde, um die verbesserte Versorgung der Diabetespatienten nicht zu gefährden. „Wir prüfen derzeit sämtliche Möglichkeiten, wie wir das Projekt für die Patienten und Ärzte fortsetzen können.“

Diabetes-Messung

APA/Helmut Fohringer

Scheele appelliert an Ärztekammer

Das Ende des Diabetesprogramms „Therapie aktiv“ in Niederösterreich wäre ein „bedauerlicher Rückschritt“, reagierte die für Gesundheit und Soziale Verwaltung zuständige Landesrätin Karin Scheele (SPÖ). Sie appellierte an die NÖ Ärztekammer, diese Entscheidung noch einmal zu überdenken.

„Diabetes Mellitus Typ 2 wird leider immer mehr zur Volkskrankheit, immer mehr Menschen sind zu einem immer früheren Zeitpunkt betroffen“, sagte Scheele. Gerade für Diabetiker seien regelmäßige Vorsorgeuntersuchungen besonders notwendig. Sie hoffe daher, dass es gelinge, „dieses Programm doch noch aufrechtzuerhalten“, so die Landesrätin.

Ärztekammer nimmt Kritik in Neuverhandlungen mit

„Wir nehmen die breite Kritik an der Kündigung des Disease Management Programms für Altersdiabetes zur Kenntnis“, reagierte Dietmar Baumgartner, Kurienobmann der niedergelassenen Ärzte der NÖ Ärztekammer. Die Standesvertretung wolle sich daher dafür einsetzen, dass bei den bevorstehenden Kassenverhandlungen eine neue, dem Wunsch nach einer noch umfangreicheren Diabetikerbehandlung Rechnung tragende Leistungsposition „Langzeitbetreuung Diabetes Mellitus Typ 2“ für alle Allgemeinmediziner und Internisten - ohne Limitierung - eingeführt werde.

Hauptkritikpunkt am gekündigten Projekt „Therapie aktiv“ sei der enorme bürokratische Zusatzaufwand, der die Kassenpraxen mittlerweile ersticke und an ihrer medizinischen Leitungserbringung massiv hindere. Eine neue Leistungsposition im Kassenvertrag würde hingegen allen Diabetikern in Niederösterreich zugutekommen, so Baumgartner.

„Wir hoffen, dass sich die Gebietskrankenkasse auch bei den Verhandlungen noch an ihren Wunsch nach effizienterer Diabetikerbetreuung als bisher erinnert und erwarten uns diesbezüglich Unterstützung von Hauptverband, NÖ Patientenanwaltschaft und Gesundheitspolitikern“, so Baumgartner.

Link: