Brisante Uraufführung im Landestheater
Schilling geht der Frage nach, wie „westliche Werte“ verteidigt werden können, wenn sie nicht gelebt werden. Konsequent verortet im Hier und Jetzt, mit präzisem Blick und schwarzem Humor, sucht der ungarische Regisseur - der zum ersten Mal am Landestheater Niederösterreich in St. Pölten inszeniert - mit seiner Co-Autorin Eva Zabezsinszkij (Übersetzung: Anna Lengyel) das Politische im Privaten anhand der Geschichte einer österreichischen Familie aus dem privilegierten Bürgertum, wie man auf der Website des Landestheaters Niederösterreich lesen kann.
Alexi Pelekanos
"Felix hat eine Krise. An seinen ersten literarischen Erfolg versucht der 51-jährige Schriftsteller seit Jahren vergeblich anzuknüpfen – und seit neustem leidet er obendrein unter Schreibblockaden und absurden Alpträumen von einem Plumpsklo am Berghang. Seine ungleich erfolgreichere Frau Regina, linksliberale stellvertretende Bürgermeisterin einer österreichischen Kleinstadt, hat derzeit andere Sorgen, denn eine vor Jahrzehnten mühsam erkämpfte Unterkunft für Flüchtlinge wird neuerdings von der Bevölkerung und politischen Gegnern in Frage gestellt.
„Erleichterung“
Vorstellungen im Landestheater am 1., 6., 16. Dezember 2017 sowie am 12. Jänner, 1. und 17. Februar 2018
Weder Tochter Johanna, die mit Anfang 20 zum denkbar ungünstigsten Zeitpunkt ihre rebellische Phase entdeckt, noch Felix’ korrupter und dabei stets gut gelaunter Vater Wolfie, der an der Stelle des Flüchtlingsheims am liebsten ein Sportzentrum errichten würde, sind dem Paar eine Stütze. Als sich Felix schließlich auf der Suche nach der Ursache seiner Schaffenskrise einem längst verdrängten, düsteren Geheimnis aus der Vergangenheit stellt, beginnt ein gefährliches Spiel."
Bekannt für radikale Handschrift und Zivilcourage
Formal schnörkellos, dabei von ungeheurer Intensität, Tiefe und erzählerischen Dichte – das macht das außergewöhnliche Theater des 1974 in Ungarn geborenen Regisseurs Arpad Schilling zu einer seltenen und herausragenden Form zeitgenössischer darstellenden Kunst.
Máté Tóth Ridovics
Während Schilling in seiner Heimat aufgrund seines gesellschaftspolitischen Engagements und seiner unerschrockenen Zivilcourage von Teilen der Regierung öffentlich als „potentieller Vorbereiter staatsfeindlicher Aktivitäten“ bezeichnet wird, findet er in der freien Szene Ungarns sowie im Ausland mit seiner politischen und radikalen theatralen Handschrift große Beachtung: Seine vielfach preisgekrönten Inszenierungen liefen an renommierten Häusern wie dem Burgtheater Wien, der Schaubühne Berlin oder der Bayerischen Staatsoper in München.
2009 erhielt Schilling den Europäischen Theaterpreis für Neue Realitäten im Theater. Nun inszeniert der Ausnahmekünstler zum ersten Mal am Landestheater Niederösterreich - mehr dazu in Regisseur in Ungarn als Staatsfeind verdächtig (noe.ORF.at; 26.9.2017).
Die Charaktere und ihre Verflechtung miteinander sind erstaunlich komplex. „Ich mag Komplexität auf der Bühne. Auch im richtigen Leben haben wir es mit komplexen Situationen zu tun. Deswegen tun wir uns ja mit klaren und eindeutigen Entscheidungen so schwer.“ Vereinfachungen seien auch am Theater der falsche Weg, meint der Regisseur: „Ich bin stark von Tschechow beeinflusst. Was ich besonders an ihm mag: Jede seiner Figuren glaubt, dass sie recht hat.“
Links:
- „Romeo und Julia“ im Landestheater (noe.ORF.at; 28.9.2017)
- Landestheater Niederösterreich