Jede fünfte Frau ist Gewalt ausgesetzt

Die Zahl der Anzeigen wegen häuslicher Gewalt steigt. Jede fünfte Frau in Niederösterreich ist körperlicher oder sexueller Gewalt ausgesetzt. Auch Wegweisungen und Betretungsverbote werden immer häufiger.

Das Landesgericht Wiener Neustadt am Mittwochvormittag. Ein 23-jähriger Niederösterreicher muss sich vor einem Richter verantworten. Der dreifache Vater soll seine Lebensgefährtin seit mehreren Monaten mehrmals mit der Faust geschlagen und ihr eine Zigarette im Gesicht ausgedrückt haben.

„Gewalt betrifft Frauen aus allen Schichten“

Vorfälle wie diese sind schockierend, allerdings keine Seltenheit mehr. Immer mehr Frauen sind in der eigenen Familie von teils exzessiver Gewalt betroffen. Sie werden vom eigenen Partner geschlagen, gedemütigt und missbraucht. Hilfe, Beratung und vor allem eine Unterkunft finden sie in Frauenhäusern. „Gewalt betrifft grundsätzlich alle Frauen, alle Schichten“, sagt Manuela Ertl vom Verein Wendepunkt in Wiener Neustadt. „Das Frauenhaus ist insofern spezieller, weil Frauen aus höheren sozialen Schichten oft besser vernetzt sind, besser vernetzt sind, oft mehr finanzielle Möglichkeiten haben, anders Hilfe zu suchen oder woanders hinzugehen.“

Hotline für Betroffene

Hilfe für Betroffene gibt es kostenlos und rund um die Uhr bei der Österreichischen Frauen-Helpline unter der Telefonnummer 0800/222 555.

Bis die Frauen nach ihren teils traumatischen Erlebnissen über all das, was hinter ihnen liegt, sprechen können, vergehen oft ein paar Tage. „Es ist oft das erste Mal, dass die Frauen das mit einem anderen Menschen besprechen können, was ihnen passiert ist“, sagt Sozialarbeiterin Constanze Hölzl vom Verein Wendepunkt. Im Schnitt bleiben die Frauen ein paar Monate im Frauenhaus, manche kehren auch schon nach ein paar Wochen wieder zum Ehemann oder Partner zurück - aus zumeist einem Grund: „Was wir erleben, sind vor allem diese Abhängigkeiten, die da sind. Das können finanzielle Abhängigkeiten sein oder aufenthaltsrechtliche Schwierigkeiten“, sagt Manuela Ertl.

„Kinder sind immer mitbetroffen“

Viele nehmen auch ihre Kinder mit ins Frauenhaus, auch sie müssen besonders betreut werden. „Es ist eine Tatsache, dass Kinder, die im familiären Umfeld Gewalt erlebt haben, immer mitbetroffen sind“, sagt Barbara Samstag vom Verein Wendepunkt. „Unabhängig davon, ob sie am eigenen Leib Gewalt erleben mussten oder mitbeobachtet haben, dass die Mutter misshandelt wurde.“ Am Allerwichtigsten sei es, sich sofort Hilfe und Rat zu holen, rät man im Frauenhaus in Wiener Neustadt dringend all jenen Frauen, die sich in einer schwierigen Situation im eigenen Umfeld befinden. Denn nur so könne man helfen, dass irgendwann wieder alles gut wird.

2017 wurden österreichweit insgesamt 8.755 Betretungsverbote verhängt, 18.860 Menschen wurden Opfer von familiärer Gewalt. Tendenz steigend. Man geht davon aus, dass die Dunkelziffer - also die Zahl jener Frauen, die sich mit ihren Problemen nicht an Beratungsstellen oder Frauenhäuser wenden - weitaus größer ist.

Barbara Tschandl, noe.ORF.at

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