Bluttat in Asylheim: Prozess wird fortgesetzt

Nach der Bluttat in einem Asylheim in Maria Enzersdorf (Bezirk Mödling) im Mai hat am Dienstag der Prozess in Wr. Neustadt begonnen. Ein Flüchtling aus Nigeria stand vor Gericht. Verhandelt wurde nur über die Zurechnungsfähigkeit.

Der Asylwerber soll in der Nacht auf den 3. Mai in die Flüchtlingsunterkunft St. Gabriel in Maria Enzersdorf eingedrungen sein. Dort soll er einen Mann aus Bangladesch angegriffen, zu Boden gebracht und ihm kräftige, teils stampfende Fußtritte gegen Kopf, Hals und oberen Brustbereich versetzt haben, bis der Mann starb - mehr dazu in Maria Enzersdorf: Mord in Asylunterkunft (noe.ORF.at; 4.5.2018).

Jugendliche fanden das Opfer leblos in einem Raum im Erdgeschoß liegend. Sie gingen anfangs davon aus, dass der Bewohner Nasenbluten hatte, schilderte ein Betreuer am Dienstag vor Gericht. Für den 26-Jährigen kam jede Hilfe zu spät. Die Polizei hatte Anfang Mai ein Betretungsverbot für das Quartier gegen den Nigerianer ausgesprochen, weil er einen Jugendlichen geschlagen hatte.

Geschworene entscheiden über Einweisung

Der Mann sei bisher nicht in der Lage gewesen, sich einigermaßen verständlich zu artikulieren, sagte Staatsanwalt Erich Habitzl in seinem Eröffnungsvortrag am Dienstag. Der 25-Jährige sei „extrem gefährlich und hoch aggressiv“, verwies Habitzl auf das psychiatrische Gutachten.

Laut diesem Gutachten leidet der Mann an paranoider Schizophrenie. Es gibt deshalb auch keine Anklage, sondern die Geschworenen haben nur darüber zu entscheiden, ob der Mann in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher kommt, wie es die Staatsanwaltschaft Wiener Neustadt beantragte. Am Dienstag fand lediglich der erste Prozesstag statt. Die Geschworenenverhandlung wird am 20. November fortgesetzt.

Prozess Asylunterkunft St. Gabriel Maria Enzersdorf

APA/ROBERT JAEGER

Dem Mann wird vorgeworfen einen Asylwerber in Maria Enzersdorf getötet zu haben

Nigerianer sprach von Stimmen in seinem Kopf

Die Befragung des Nigerianers gestaltete sich schwierig. Auf die Frage der Richterin, ob er die Taten begangen habe, meinte der Mann: „Ich kann mich nicht erinnern.“ Ebenso erkannte er auf Fotos das Opfer und den Speisesaal der Asylunterkunft nicht wieder. An die Geschehnisse in der Asylunterkunft St. Gabriel hatte er keine Erinnerung.

Manchmal höre er Stimmen in seinem Kopf, „die verfluchen mich“, so der Mann laut Übersetzung der Dolmetscherin. Bis vor einigen Monaten habe er Marihuana geraucht. Der 25-Jährige kam laut seinen Angaben von Nigeria über Libyen und mit einem Boot nach Italien. Von dort ging es nach Österreich, mit Stationen in Traiskirchen, Linz, Pöchlarn und zuletzt in Maria Enzersdorf.

Asylwerber kann sich an nichts erinnern

Der Asylwerber gab zu Beginn der Geschworenenverhandlung unter Vorsitz von Richterin Birgit Borns außerdem an, dass er 1998 geboren sei. Auf den Hinweis, dass er zuletzt 1993 genannt hatte, meinte er auf Englisch, das habe er vergessen. Er konnte sich auch nicht erinnern, ob er zwei Kinder hat.

Prozess Asylunterkunft St. Gabriel Maria Enzersdorf

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Der Mann sagte aus, Stimmen in seinem Kopf zu hören

Rechtsanwalt Wolfgang Blaschitz hielt fest, dass es in dieser Verhandlung eine „gewisse Eintracht“ zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung gebe. Das psychiatrische Gutachten sei eindeutig, sein Mandant leide unter einer Geisteskrankheit und brauche medizinische Hilfe.

Dennoch sieht Blaschitz für Bluttat in Maria Enzersdorf nur Indizien, aber keine Beweise. Am rechten Schuh des Nigerianers wurde Blut des Opfers gefunden, weitere DNA-Spuren befanden sich an seiner Kleidung. In einem Beweisverfahren sei zu klären, was die Tatbeteiligungshandlung seines Mandanten an diesem Todesgeschehen war, so Blaschitz.

Blaschitz erinnerte auch daran, dass ursprünglich ein Meißel als Tatwaffe angenommen wurde. Das wurde später aufgrund des Obduktionsberichts ausgeschlossen - mehr dazu in Asylheim-Mord: Meißel war nicht die Tatwaffe (noe.ORF.at; 23.8.2018).

Zwölfjähriger verständigte Polizei

Am selben Tag, an dem es zu der Bluttat in Maria Enzersdorf gekommen war, soll der 25-Jährige auch auf einem Spielplatz Kinder bedroht und versucht haben, einen etwa 25 Zentimeter langen Stahlmeißel gegen sie zu werfen. Diese Geschehnisse, die zur Festnahme des 25-Jährigen führten, standen am Nachmittag des ersten Prozesstags im Mittelpunkt.

Ein Zwölfjähriger hatte damals die Polizei verständigt. Der Bursch war am Nachmittag des 3. Mai mit Freunden am Spielplatz gewesen, als der Mann auf sie zukam und einen Meißel in Richtung seiner 13-jährigen Freundin warf. Das Mädchen musste ihren Angaben zufolge wegspringen, um nicht getroffen zu werden. Der Zwölfjährige rief mit seinem Handy die Polizei an, sagte er als Zeuge aus.

Prozess Asylunterkunft St. Gabriel Maria Enzersdorf

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Verteidiger Wolfgang Blaschitz sprach von einer Eintracht zwischen Staatsanwaltschaft und Verteidigung

Zahlreiche Streifenwagen wurden angefordert. Bei der Durchsuchung verhielt sich der Mann aggressiv und schlug „wild herum“, erzählte eine Polizistin. Gegen eine Festnahme habe er sich „mit Händen und Füßen“ gewehrt. Ein ebenfalls als Zeuge geladener Beamter berichtete, er habe eine 25 Zentimeter lange Kratzwunde am Rücken davongetragen. Auf der Fahrt zur Polizeiinspektion Vösendorf war der Nigerianer laut einem Uniformierten fixiert und versuchte immer wieder, sich loszureißen.

Kurz nach Einlieferung in die Justizanstalt Wiener Neustadt soll er dann einen Mitinsassen in einem Haftraum attackiert und schwer verletzt haben - mehr dazu in Mordverdächtiger verprügelt Mithäftling (noe.ORF.at; 8.5.2018).

Asylwerber wurden nach Tat verlegt

Der wegen Drogendelikten vorbestrafte Nigerianer befindet sich derzeit in vorläufiger Anhaltung. Wäre er zurechnungsfähig und damit schuldfähig gewesen, wären ihm die Taten als Verbrechen des Mordes sowie die Delikte der teils versuchten schweren Körperverletzung, der absichtlich schweren Körperverletzung sowie des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt zur Last zu legen.

Die Bluttat hatte auch heftige politische Diskussionen zur Folge. Landesrat Gottfried Waldhäusl (FPÖ) veranlasste, Asylwerber aus der Unterkunft in andere Quartiere zu verlegen. Die ersten Bewohner mussten im Juni umziehen - mehr dazu in Nach Mord: Andere Quartiere für Asylwerber (noe.ORF.at; 7.6.2018).