1982: Die erste Massenkarambolage

158 Autos sind 1982 auf der Südautobahn zusammengekracht - der erste derartige Unfall in Österreich. Experten glauben, dass die moderne Technik, aber auch die modernen Menschen einen derartige Karambolage künftig verhindern könnten.

Am 8.2. jährte sich die erste Massenkarambolage in Österreich zum dreißigsten Mal. Damals sind 158 Autos auf der Südautobahn zwischen Wr. Neudorf und Vösendorf zusammengekracht. 40 Menschen sind dabei zum Teil schwer verletzt worden.

alte Autos, zum Teil eingedrückt, sind zusammengefahren

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Sendungshinweis

„NÖ Heute“, 9.2.2012

Viele Autofahrer zu schnell gefahren

Augenzeugen sagen, dass das Rasen auf der Autobahn damals en vogue gewesen ist. Wie etwa Klaus Höfner: Er war damals Verkehrspsychologe und zufällig Augenzeuge, wie die ersten zwei Autos im Nebel aufeinander gekracht sind. Er erzählt, dass die Leute, die nach kamen, viel zu schnell fuhren: „Die sehen in der Entfernung irgendetwas, aber kapieren nicht, dass sie langsamer werden müssen.“

Langsam gefahren ist aber Ingrid Feitschinger, die damals 42-Jährige schaffte es als erstes Auto direkt vor der Massenkarambolage stehen zu bleiben: „Als ich dann nach vorne gelaufen bin, hab ich den Rauch von den brennenden Autos gespürt, aber es war kein Wirbel oder so. Die Leute haben versucht, den anderen zu helfen.“

Gerhard Poyer hat ebenfalls versucht zu helfen - er war damals ein junger Rettungssanitäter. Damals musste die Rettung aber noch ohne Notarztwagen, Rettungshubschrauber oder Defibrilator auskommen. „Wir konnten nur versuchen, die Blutung zu stillen, wenn jemand stark geblutet hat. Da mussten wir selbst improvisieren“, erzählt Poyer heute.

„Sollte heute nicht mehr passieren“

Mittlerweile hat sich in Punkto Sicherheit auf den Straßen einiges verändert. 30 Jahre nach der ersten großen Massenkarambolage in Österreich hat noe.ORF.at mit Armin Kaltenegger vom Kuratorium für Verkehrssicherheit gesprochen.

Armin Kaltenegger

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Kaltenegger: „Die Menschen haben sich gebessert, sie fahren sicherer.“

noe.ORF.at: Vor 30 Jahren gab es auf der Südautobahn eine Massenkarambolage. Fast 200 Fahrzeuge waren darin verwickelt, 40 Menschen wurden verletzt. Könnte eine derartige Karambolage heute wieder passieren?

Wir gehen grundsätzlich davon aus, dass ein Unfall dieser Art nicht mehr passieren sollte. Das soziale Umfeld und das soziale Phänomen Verkehr haben sich in diesen dreißig Jahren drastisch geändert. Die Faktoren Mensch, Straße, Infrastruktur und Fahrzeug sind großen Veränderungen unterworfen worden. Die Verkehrssicherheitsarbeit hat seither wirklich Großartiges geleistet. Hätte man nichts geändert – wäre man mit dem Status damals also zufrieden gewesen – hätten wir 20.000 Menschenleben seither nicht retten können.

noe.ORF.at: Heißt das also, dass die Menschen heute vorsichtiger fahren und die Autos sicherer sind?

Das Phänomen Straßenverkehr kann ich in drei Faktoren gliedern: Mensch, Fahrzeug und Infrastruktur. Die Menschen haben sich gebessert, sie fahren sicherer und gehen viel besser mit den Risiken um. Das sieht man daran, wie sie den Sicherheitsgurt anlegen, Kindersitze verwenden und mit Alkohol umgehen. Auch die Straßen sind besser geworden, sie sind mit den elektronischen Hilfsmitteln moderner geworden. Die Fahrzeugsicherheit hat sich um Quantensprünge verbessert.

noe.ORF.at: Die Massenkarambolage vor 30 Jahren hat im Nebel stattgefunden. Heute gibt es bereits Nebelwarnungen. Inwiefern sind diese für die Verkehrsteilnehmer hilfreich?

Wenn man jetzt spezifisch auf das Risiko Nebel eingeht, so wurde auch hier viel mehr getan. Die Fahrzeuge können die Fahrbahn besser ausleuchten und es gibt Warneinrichtungen - seien sie elektronischer Art oder durch Bodenmarkierungen - die dem Fahrzeuglenker helfen, sich zu orientieren und Nebel rechtzeitig zu erkennen. Außerdem gibt es heute viel mehr Informationen über die Medien bezüglich dieser Risiken.

noe.ORF.at: Gleichzeitig gibt es heute aber auch viele Faktoren, die uns mehr ablenken – zum Beispiel das Handy am Steuer.

Ganz richtig. Gegenüber dem Zustand vor dreißig Jahren sind manche Risken kleiner geworden, manche Risken aber größer – etwa ablenkende Momente wie das Handy oder das Navi. Diesen neuen Risken muss begegnet werden. Das wird getan durch eine Forschungsförderung seitens des Verkehrsministeriums, durch die Arbeit der Verkehrssicherheitsexperten und ich denke auch durch die Verkehrsteilnehmer selbst, die mittlerweile ausreichend sensibilisiert sind, um neue Gefahren zu erkennen.

noe.ORF.at: Tatsächlich ausschließen, dass eine ähnliche Massenkarambolage wie vor 30 Jahren passiert, kann man also nicht?

Mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wird sie in diesem Ausmaß heute nicht mehr passieren. Auch die Unfallfolgen werden geringer sein.

noe.ORF.at: Wie lässt sich die Überlebenschance heute mit jener vor 30 Jahren bei einer derartigen Karambolage vergleichen?

Man kann sie jetzt nicht konkret in Ziffern ausdrücken, dazu müsste man mehr Details wissen. Die Überlebenschance in einem Fahrzeug ist aber um ein Vielfaches gestiegen. Dafür ist vor allem die passive Fahrzeugsicherheit, die durch die Fahrzeugindustrie stark vorangetrieben wurde, verantwortlich. Wir haben heute so moderne Fahrzeuge, dass ein Unfall, der früher tödlich ausgegangen wäre, heute sogar zu einem unverletzten Fahrer oder Beifahrer führen kann.

noe.ORF.at: Ist auch der Bremsweg kürzer geworden?

Die Entschleunigungsmomente in den letzten 30 Jahren haben sich günstiger entwickelt als die Beschleunigungselemente. Das bedeutet: Wir bleiben schneller und besser stehen, sind aber gleichzeitig nicht um so viel schneller geworden im Vergleich zu damals. Das ist sehr wichtig.

Das Gespräch führte Ursula Hofmeister, noe.ORF.at.

Links:

Kuratorium für Verkehrssicherheit