Zehn Jahre Kaprun-Urteil: Trauer bleibt

2000 sind beim Unglück in Kaprun 155 Menschen ums Leben gekommen, darunter sechs Niederösterreicher. Angehörige beklagen, dass niemand die Verantwortung übernahm: Vor zehn Jahren wurden alle 16 Angeklagten freigesprochen.

Am 11. November 2000 brach im Führerhaus der Zuggarnitur der Gletscherbahn in Kaprun Feuer aus, nur wenige Passagiere konnten sich retten. 155 Menschen kamen in den Flammen ums Leben. Vier Jahre später suchte man in einem Prozess nach Schuldigen. 16 Menschen waren angeklagt, am 20. Februar 2004 wurden sie alle freigesprochen.

Erni und Erich Wildenauer

ORF

Erich und Erni Wildenauer wünschen sich Gerechtigkeit

Wunden bis heute nicht verheilt

Bis heute verheilten die Wunden bei den Angehörigen nicht, so zum Beispiel bei Erni und Erich Wildenauer aus Reichenau an der Rax (Bezirk Neunkirchen). Sie verloren ihre damals 23-jährige Tochter Simone bei dem Unglück. Doch ohne Schuldige können sie noch immer nicht abschließen. „Der Richter hat den Freispruch verlesen und in dem Augenblick ist meine Tochter nochmal gestorben. Die Gerechtigkeit hat nicht gesiegt. Meine Tochter war immer nur für das Gerechte, sie war ein liebenswerter Mensch. Ich hätte nie gewollt, dass ein einzelner verurteilt wird. Ich wollte nur Gerechtigkeit oder dass sich einmal jemand entschuldigt hätte“, so Erni Wildenauer, die Mutter der Verstorbenen.

Auch ihr Mann Erich leidet noch immer sehr. „Ganz vergessen wird man das nie, ganz egal was kommt. An manchen Tagen geht es besser, da kann man an ihrem Zimmer, das noch immer unberührt ist, vorbeigehen. Und dann wieder muss jemand nur etwas sagen und schon bricht man in Tränen aus. Wir werden damit nie abschließen können“, so Erich Wildenauer.

Karl und Elfriede Hulka

ORF

Karl und Elfriede Hulka aus Neunkirchen wünschen sich eine Entschuldigung

„Im Prozess ging es nie um die Opfer“

Auch Karl und Elfriede Hulka aus Neunkirchen verloren ihren Sohn beim tragischen Unglück vor fast 14 Jahren. Der damals 32-jährige Christian lebte mit seiner Frau und seiner sechsjährigen Tochter in Kaprun. „Was mir so sehr zu schaffen macht, ist die Vorstellung, wie diese 155 Menschen umgekommen sind. Die Vorstellung, dass da keiner die Möglichkeit hatte, sich zu retten. Und als wir dann den Obduktionsbericht zugesandt bekommen haben, war das das Schlimmste überhaupt“, so die Mutter des Opfers. Eine Entschuldigung hätte für die Trauernde vieles erleichtert, wie sie sagt, um besser mit dem Verlust ihres Sohnes umgehen zu können.

Ihr Ehemann Karl Hulka kritisiert, dass es im Prozess mehr um materielle Dinge ging, als um die Menschen. „Im Prozess wurde nur mit einem Wort erwähnt, dass da 155 Menschen verstorben sind. Sonst hätte man geglaubt, da werden lauter Bierkisten hin- und hergeführt, da war nur von Sachen die Rede. Es macht mich so zornig, zu sehen, wie fahrlässig da gehandelt wurde“, so Karl Hulka.

Zwei Elternpaare

ORF

Die Familien unterstützen sich gegenseitig

„Kaprun-Familie“ spendet Trost

Die Angehörigen fanden in anderen Angehörigen Freunde. Familie Hulka und Familie Weidenauer treffen sich regelmäßig. Hier in der „Kaprun-Familie“, wie sie sich nennen, versteht man einander, teilt die Trauer und die Sorgen. Ein kleiner Trost, doch viele Fragen werden immer offen bleiben.

Diese Woche wurde ein neues Buch präsentiert: „155 - Kriminalfall Kaprun“. Die Autoren wollen 13 Jahre nach der Katastrophe niemandem Schuld zuweisen, betonen sie, aber sie wollen dafür sorgen, dass die Fakten breit diskutiert werden. Die Autoren, zwei Journalisten, erhielten dafür Unterstützung von der ehemaligen Staatsanwältin Eva Danninger-Soriat. Sie war damals Anklägerin im Kaprun-Prozess.