„Bädersterben“ in den Gemeinden

Zahlen gibt es nicht, den Trend bestätigen aber Experten: Immer öfter müssen Gemeinden ihre Bäder schließen, weil diese nicht mehr finanzierbar sind. Viele Bäder sind sanierungsfällig, dazu fehlt aber das Geld.

„Bäder sind etwas sehr Wichtiges für die Lebensqualität und das Lebensgefühl der Menschen“, sagt Kurt Staska, zuständig für den Bereich Bäder in der Wirtschaftskammer Niederösterreich. Doch wenn das Geld zur Erhaltung dieser Einrichtungen nicht da ist, kann auch das Lebensgefühl daran nichts ändern. So manche Gemeinde steht dann vor der Entscheidung: Was tun?

„Bäder können nicht kostendeckend geführt werden“

Fest steht für Staska, dass das Bad einer Gemeinde nicht gewinnbringend geführt werden kann. „Es ist leider so, dass selbst bei einer sehr guten Witterung, bei einem guten Sommer die Bäder nicht kostendeckend geführt werden können.“ Gemeinden müssten mit dem Badebetrieb einen gewissen sozialen Auftrag erfüllen, so Staska. Der Eintritt sollte also erschwinglich sein. Doch durch den Eintrittspreis können die Kosten, die eine Badeeinrichtung verursacht, nicht gedeckt werden.

„Auf der einen Seite sind es die zu geringen Einnahmen, auf der anderen Seite die Aufwendungen in den Betriebskosten, vor allem eben im Erhalt der Wasseraufbereitungen, aber natürlich auch die Personalkosten, die hier eine große Rolle spielen“, analysiert Staska.

Geschlossene Bäder

ORF / Anna Wohlmuth

Im April beschloss der Gemeinderat in Pyhra: Das Bad bleibt für immer zu

Wasserqualität und Sicherheit kosten Geld

Viele Bäder stammen aus den 1970er Jahren - sie sind mittlerweile in die Jahre gekommen und müssten saniert werden. So etwa auch das Freibad in Pyhra, das der Gemeinde zuletzt 60.000 Euro Verlust pro Jahr brachte. Eine Sanierung des bestehenden Bades - also ohne Modernisierung und Attraktivierung - hätte schätzungsweise 870.000 Euro gekostet, heißt es bei der Gemeinde. Im April beschloss der Gemeinderat, das Bad wird nach 40 Jahren Betrieb geschlossen.

Die Anforderungen an ein Bad von damals sind mit den heutigen Anforderungen nicht mehr vergleichbar. Es sei damals leichter gewesen, so Staska, zuletzt seien die Anforderungen ständig gestiegen. „Der große Umschwung war seinerzeit Ende der 1970er Jahre mit dem Inkrafttreten eines Bäderhygienegesetzes, das die Vorschriften im Bereich der Wasseraufbereitung geschaffen hat.“ Dieses Gesetz sei aber nicht per se negativ zu bewerten. Denn dadurch gebe es in den bestehenden Bädern eine ausgezeichnete Wasserqualität, und das sei letztlich auch eine Attraktion, so Staska.

Badegast will mehr als nur ein Becken

Geändert haben sich aber nicht nur die Anforderungen an Wasserqualität, Sicherheit und Technik. Auch der Badegast von heute ist ein anderer als zu Gründungszeiten der Bäder. „Natürlich sind die Gäste anspruchsvoller geworden, und es gibt ja auch die Angebote, die mit vielen Attraktionen aufwarten. Aus dem heraus zieht das natürlich von Bädern, die nur ein Becken anbieten können, die Gäste ab, in Richtung sehr attraktiver großer Anlagen.“

Geschlossene Bäder

ORF / Anna Wohlmuth

Das Hallenbad in Gänserndorf ist seit Jahren sanierungsbedürftig

Schwimmbecken wird als Lagerfläche genutzt

Auch in Bad Großpertholz (Bezirk Gmünd) gab es nur ein Becken. Bei Eintrittspreisen zwischen drei und fünf Euro gab es zuletzt nur noch circa 20 zahlende Gäste pro Tag. Das war zu wenig, sagt Bürgermeister Harald Vogler (ÖVP). „Wir haben im Jahr 2012, das war so der Höhepunkt, an die 100.000 Euro pro Jahr Verlust geschrieben, und das war dann für uns ausschlaggebend, dass wir das Bad schließen, leider Gottes.“ Es habe sich einfach nicht finanziert, so der Bürgermeister, der selbst in diesem Bad schwimmen lernte.

Bad ohne Wasser

ORF / Anna Wohlmuth

Im März 2012 wurde in Bad Großpertholz das Wasser ausgelassen

Heute wird das Bad als Lagerfläche verwendet. Kisten, Kinderwagen und sogar ein Krankenbett sind in dem leeren Becken abgestellt. Eine Sanierung würde voraussichtlich an die 600.000 Euro kosten, dennoch: Ganz möchte man sich von der Idee, ein Bad in der Gemeinde zu haben, noch nicht verabschieden. „Es gehört einfach dazu, es würde sich in die Kurgemeinde nett integrieren lassen. Aber nachdem in der Gemeinde das Geld fehlt, ist es nicht möglich. Wenn sich ein Investor findet, sind wir aber gerne für Gespräche bereit.“

Gänserndorf setzt auf „Regionalbad“

Auch in Gänserndorf suchte man lange nach einer Lösung. Seit drei Jahren liegt eine Studie auf dem Tisch, die mögliche Szenarien einer Weiterentwicklung des 1979 eröffneten und mittlerweile sanierungsbedürftigen Bades aufzeigt. Vor einem Jahr wurde Rene Lobner (ÖVP) Bürgermeister. Für ihn ist das Thema Bad nun „Chefsache“, das Jahr 2016 bezeichnet er als „Jahr der Entscheidung“.

400.000 Euro Abgang und 70.000 Besucher verbucht man hier pro Jahr. Alleine könnte man sich das Bad, das nach wie vor geöffnet ist, künftig nicht mehr leisten. „Nur gemeinsam können wir das bewerkstelligen, alleine wäre uns das auch nicht möglich, das künftig zu tun, neben all den anderen infrastrukturellen Maßnahmen, die wir als schnell wachsende Stadt tätigen müssen.“

Kinderbecken

ORF / Anna Wohlmuth

Die Lebenszeit des Bades wird als „erschöpft“ bezeichnet

„Wollen Vorreiterrolle einnehmen“

Lobner möchte aus dem bestehenden Bad ein Bad der Regionen machen. Vor wenigen Wochen wurde ein Regionsbeschluss gefasst. „Das heißt, alle 23 Gemeinden der Region Marchfeld haben hier einen Grundsatzbeschluss gefasst, der besagt, dass wir gemeinsam an einem regionalen Schulbad arbeiten wollen.“

Auch Bund und Land möchte Lobner für das Projekt gewinnen. Läuft alles nach Plan, soll das bestehende Bad Anfang 2017 abgerissen und an eben dieser Stelle ein neues Bad gebaut werden. „Ich glaube, das könnte ein Ansatz sein, der auch beispielgebend für ganz Österreich ist. Hier wollen wir durchaus auch eine Vorreiterrolle einnehmen, und bis jetzt sind wir auf einem sehr guten Weg. Aber: Es gibt noch viele kleinere und größere Hürden zu überwinden.“

Schwimmunterricht nur in jeder zweiten Volksschule

Nur knapp jede zweite Volksschule in NÖ bietet den Schülern Schwimmunterricht und das, obwohl dieser im Lehrplan verpflichtend ist. Beim Landesschulrat führt man das unter anderem auch darauf zurück, dass Gemeinden immer öfter ihre Bäder schließen - mehr dazu in Keine Bäder, kein Schwimmunterricht.

Anna Wohlmuth, noe.ORF.at