1968: Der „Prager Frühling“ wird brutal beendet

In der Nacht zum 21. August 1968 marschierten Truppen des Warschauer Pakts in der Tschechoslowakei ein und beendeten gewaltsam den „Prager Frühling“. Zwei große Veranstaltungen finden dazu in Niederösterreich statt.

Mit Waffengewalt wurde der Reformbewegung Reformbewegung der tschechoslowakischen KP-Führung unter Alexander Dubcek damit ein Ende gesetzt. Der „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ wurde brutal unterdrückt. Die Militäraktion spaltete die kommunistische Welt und weckte in der österreichischen Bevölkerung Befürchtungen vor einem Einmarsch auch in Österreich.

Was hatte man in Niederösterreich zu befürchten?

Anlässlich des 50. Jahrestags gibt es zwei hochkarätige Veranstaltungen. Am Sonntag, den 5. August, findet auf Schloss Weitra im Waldviertel eine öffentliche Diskussionsrunde statt, die vom Verein zur Dokumentation der Zeitgeschichte organisiert wird. Geladene Diskussionspartner sind etwa der ehemalige Staatspräsident der Tschechischen Republik, Václav Klaus, ebenso Pavol Dubček, der Sohn des ehemaligen ČSSR-Ministerpräsidenten Alexander Dubček und Martin Eichtinger (ÖVP), der Landesrat für internationale Beziehungen.

Ein weiteres Symposium wird vom Ludwig Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung (BIK) und dem Niederösterreichischen Institut für Landeskunde in Kooperation mit dem Davis Center for Russian and Eurasian Studies der Harvard Universität am 9. August veranstaltet. Es handelt sich dabei um eine wissenschaftliche Tagung bei freiem Eintritt in der Landesbibliothek in St. Pölten.

21 August 1968 Niederschlagung Prager Frühling

Institut für Zeitgeschichte der Tschechischen Akademie der Wissenschaften

Welche Auswirkungen hätte der Einmarsch von Warschauer-Pakt-Truppen im Nachbarstaat CSSR im August 1968 auch für Niederösterreich haben können?

Vor zehn Jahren führte das BIK eines der größten internationalen Forschungsprojekte zum „Prager Frühling“ durch. Zahlreiche Publikationen in deutscher, englischer und vielen anderen Sprachen erschienen damals. Auf dieser internationalen Tagung ziehen Historiker und Historikerinnen Bilanz über den Stand der Forschung. Weitere Beiträge widmen sich insbesondere den Ereignissen vor 50 Jahren in Niederösterreich.

Was geschah am 21. August 1968 in der CSSR?

Der „Prager Frühling“ erlebte seinen Höhepunkt am 27. Juni 1968, als der Schriftsteller Ludvik Vaculik und weitere 67 Intellektuelle, Schriftsteller und Künstler das sogenannte „Manifest der 2000 Worte“ veröffentlichten: eine Abrechnung mit 20 Jahren KP-Herrschaft in der Tschechoslowakei und eine Aufforderung, die Entwicklung nicht zu stoppen. Das Manifest verstärkte auch im Zentralkomitee der KPdSU in Moskau die Stimmung für eine militärische Lösung. Die politische Entscheidung fiel am 15. Juli 1968 beim Treffen der fünf „Bruderstaaten“ in Warschau. Die fünf Parteien sandten einen Brief an die KPC, in dem sie ultimativ eine Kurskorrektur forderten. Bulgariens Parteichef Todor Schiwkow verlangte die Besetzung der CSSR durch Truppen des Warschauer Paktes - dem widersprach kein anderer Parteiführer mehr.

Als Zeichen der Solidarität mit den Prager Reformern stattete vom 9. bis 11. August Tito der CSSR einen Besuch ab, am 16. August kam Rumäniens Nicolae Ceausescu. In der Presse gab es Gerüchte über eine mögliche engere Zusammenarbeit der drei „Donaustaaten“ Tschechoslowakei, Jugoslawien und Rumänien. Am 17. August beschloss das Politbüro des Zentralkomitees der KPdSU einstimmig die militärische Intervention. In der Nacht vom 20. auf den 21. August 1968 begann die „Operation Donau“. Die Prager Führung um Dubcek wurde verhaftet und nach Moskau gebracht. Staatspräsident Antonin Svoboda ersuchte um einen Besuch im Kreml. Svoboda, der als Held der Reformbewegung galt, fiel dort Dubcek in den Rücken: „Wenn er zurücktritt, wäre es für uns alle besser.“

Die Freiheit wurde mit Panzern niedergewalzt

In der Nacht auf den 21. August 1968 rollten dann tatsächlich die Panzer in die CSSR. Die Truppen des Warschauer Pakts wollten die Versuche unterbinden, einen totalitären Kommunismus zu reformieren. Die Operation mit dem Decknamen „Donau“ wurde von fünf Staaten getragen. Bulgarien, die DDR, Ungarn, Polen und die Sowjetunion schickten zusammen 100.000 Soldaten. 2.300 Panzer und 600 Flugzeuge überfielen die Tschechoslowakei in der ersten Phase. Die Zahl schwoll auf 750.000 Mann und 6.000 Panzer an. Einige Bürger stellten sich ihnen in den Weg - gewaltfrei. Die Menschen drehten Straßenschilder um, damit die Panzer wieder zurück nach Polen fuhren, diskutierten mit den Soldaten, beschimpften sie oder überreichten ihnen Blumen. Die Invasion diente offiziell der „Bruderhilfe“.

Die Parteiführung in Prag wurde verhaftet und nach Moskau gebracht. Dort wurde sie verpflichtet, die Reformen rückgängig zu machen und auf die sowjetische Linie einzuschwenken, wie Dubcek nach seiner Rückkehr verkündete. Eine Welle der Auswanderung setzte ein. Tausende Tschechen und Slowaken kamen nach Österreich. Mitte Oktober 1969 wurde die Emigration gestoppt, der „Eiserne Vorhang“ fiel wieder herab. Dubcek musste abdanken.

Die sogenannte „Normalisierung“ begann. Medien wurden gleichgeschaltet, Erziehung im Sinne der Liebe zur Partei setzte ein. Intellektuelle, die sich nicht beugen wollten, verloren ihren Arbeitsplatz, wurden Fensterputzer, Heizer oder Hilfsarbeiter. Viele bekamen keine Chance auf angemessene Bildung, keine Wohnung. Viele verloren auch das Interesse an der Politik. Sie arrangierten sich mit dem System, gaben sich mit einem Wochenendhäuschen, ihren Ladas und Skodas zufrieden.

23 Jahre blieben die sowjetischen Truppen im Land. Erst zwei Jahre nach dem Fall des „Eisernen Vorhangs“, am 27. Juni 1991, verließ der letzte sowjetische Soldat das Land. Der Warschauer Pakt löste sich auf. 21 Jahre nach der Invasion schafft es Moskau, sie zu verurteilen. Der Einmarsch sei eine „Einmischung in die inneren Angelegenheit der Tschechoslowakei gewesen“.

Reinhard Linke, noe.ORF.at

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