Vom Flüchtling zum Marathon-Helden

Lemawork Ketema vom SV Schwechat ist 2018 in die Marathon-Weltspitze aufgestiegen. Der gebürtige Äthiopier hat als ehemaliger Bewohner des Asylheims Greifenstein (Bezirk Tulln) eine bemerkenswerte Erfolgsgeschichte hingelegt.

Im Frühjahr 2013 verließ Lemawork Ketema seine Heimat auf der Suche nach einem sicheren Leben. Nach seiner Ankunft in Traiskirchen (Bezirk Baden) wartete er als Flüchtling in Greifenstein an der Donau auf den positiven Asylbescheid. Im Dezember 2015 wurde die Einbürgerung durch den Ministerrat aufgrund der sportlichen Erfolge beschlossen.

Heuer gewann Ketema mit seinen Kollegen Christian Steinhammer und Peter Herzog EM-Bronze im Marathon für Österreich. Seine persönliche Bestzeit von 2:13:22 Stunden war die mit Abstand beste eines ÖLV-Athleten in einem Marathon-EM-Rennen überhaupt. Ketema ist 2018 endgültig in der absoluten Weltspitze angekommen. Dass er großes Potenzial hat, zeigte er bereits mit seinen beiden Erfolgen bei „Wings for Life“ und beim Graz-Marathon. Auch bei zahlreichen Halbmarathon-Bewerben war der 32-Jährige erfolgreich.

Lemawork Ketema

GEPA/ Hans Oberlaender

Lemawork Ketema durfte auch beim Graz-Marathon über den Sieg jubeln

Im Jahr 2011 war Ketema erstmals beim Wien-Marathon in Österreich. Seine nächste Reise nach Österreich wurde zum Ende einer Flucht. Im Mai 2013 wurde Ketema zunächst für den Salzburg-Marathon eingeladen.

„Er kam dann aber Hals über Kopf nach Salzburg. Man hatte ihn vorher eingesperrt, weil er politisch verfolgt wurde. Er kaufte sich das Ticket selbst, lief in Salzburg zum dritten Platz und traute sich nicht mehr heim. In seiner Familie waren Leute umgekommen, auch Freunde waren verschwunden. In Äthiopien ist man da nicht zimperlich. Lemawork hatte Angst und blieb hier“, erzählt sein Trainer und Manager Harald Fritz.

Trainer sammelte Laufschuhe und Kleidung

Ketema sprang dem Lauftrainer aus Leobendorf (Bezirk Korneuburg) förmlich ins Auge. „Wenn in den Stockerauer Auen ein Schwarzer in dieser Geschwindigkeit durch den Wald läuft, fällt er auf“, erinnert sich Fritz an die erste Begegnung. „Das war schnell erkennbar, dass der Mann großes Potenzial hat.“ Fritz sammelte Laufschuhe und Kleidung für den Flüchtling aus Afrika und lud ihn in seine Trainingsgruppe ein. Er begleitete ihn durch das Asylverfahren und in weiterer Folge zu den Erfolgen bei „Wings for Life“.

Lemawork Ketema

GEPA/ Mario Kneisl

Mit der EM-Bronze-Medaille im Marathon hat Ketema heuer mit Christian Steinhammer (l.) und Peter Herzog (r.) überrascht

Der Manager aus Niederösterreich ist für Ketema die wichtigste Bezugsperson in seiner neuen Heimat: „Harald ist wie ein Vater für mich. Er trainiert mit mir, hilft mir im Alltag und ist immer für mich da“, unterstreicht Ketema die Bedeutung dieser Beziehung. Er lebt mittlerweile in einer kleinen Wohnung in Wien, lernt weiterhin fleißig die deutsche Sprache und derzeit auch für seine Führerscheinprüfung, um im Alltag noch besser zurechtzukommen.

Kampf um das finanzielle Überleben

Große sportliche Erfolge bedeuten aber keinen großen Reichtum. Ketema kämpft nach wie vor um das finanzielle Überleben. „Wir haben viele Unterstützer, und dafür sind wir auch sehr dankbar. Aber damit wir weiter professionell Richtung Olympia 2020 trainieren können, brauchen wir mehr Budget“, erklärt Fritz. Die Aktion „I believe in you“ der Österreichischen Sporthilfe und des Österreichischen Olympischen Komitees brachte heuer mehr als 18.000 Euro für Ketema. Private Geldgeber konnten mit ihrem Geldbetrag damit einen Beitrag zur weiteren Karriere leisten.

Das ganz große Ziel ist klar definiert. „In zwei Jahren möchte ich bei Olympia eine Medaille für mein Land Österreich holen und mit der rot-weiß-roten Fahne durchs Ziel laufen“ erklärt Ketema und zeigt dabei, dass er voller Stolz für seine neue Heimat aktiv ist.

Harald Fritz traut ihm zumindest die Verbesserung des österreichischen Marathon-Rekordes zu: „Der Plan wäre, dass Lemawork in zwei Jahren eine Marathon-Zeit von 2:10 Stunden laufen kann. Wenn das in Tokio bei Olympia passiert, hätten wir natürlich nichts dagegen.“ Dann wäre das „Sportmärchen“ perfekt und der Weg vom Asylheim zum Marathon-Weltklasseathleten hätte einen perfekten Höhepunkt gefunden.

Klaus Fischer, noe.ORF.at

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