„Hausarzt muss mehr zur Drehscheibe werden“

In den aktuellen Diskussionen um das Gesundheitssystem fordert Patientenanwalt Gerald Bachinger neue Modelle für den ärztlichen Bereich. Die Drehscheibenfunktion der niedergelassenen Ärzte müsse gestärkt werden.

Das Gesundheitssystem würde insgesamt zwar gut funktionieren, sagt Niederösterreichs Patientenanwalt Gerald Bachinger, im Bereich der Basisversorgung ortet er jedoch Verbesserungsbedarf. „Mein Ansatz ist, dass wir vor allem die Basisversorgung, die Primärversorgung, diese erste Anlaufstelle mit neuen Modellen attraktiver für die Ärzte gestalten müssen“, so Bachinger im „Niederösterreich heute“-Interview.

noe.ORF.at: Welche Therapie braucht das Gesundheitssystem derzeit am Dringendsten?

Gerald Bachinger: Ich denke, dass das Gesundheitssystem insgesamt derzeit noch gut funktioniert. Wir haben aber gewisse Bereiche, die mir Sorgen machen. Ich denke vor allem an den Bereich der Basisversorgung, der ersten Anlaufstelle für alle gesundheitlichen Probleme der Bevölkerung. Hier zeigen sich gewisse Risse in diesem Fundament der Gesundheitsversorgung und wenn wir nicht aufpassen, kann damit das gesamte Gesundheitssystem - wenn sich diese Risse erweitern - ins Wanken kommen.

Wir haben bereits viele gute Vorschläge in diesem Bereich gehört. Mein Ansatz ist, dass wir vor allem die Basisversorgung, die Primärversorgung, diese erste Anlaufstelle mit neuen Modellen attraktiver für die Ärzte gestalten müssen.

noe.ORF.at: Wie kann es gelingen, den Hausarzt wieder zu der Drehscheibe zu machen, von der immer wieder die Rede ist?

Bachinger: Ein ganz wichtiger Punkt ist, dass die Patienten das Angebot der hausärztlichen Versorgung annehmen und nicht in den wahlärztlichen Bereich ausweichen müssen. Das kann man ganz gut damit erreichen - wir sehen Beispiele aus Deutschland, die sehr gut funktionieren - dass es Einschreibsysteme gibt.

Das heißt, die Patienten binden sich für eine gewisse Zeit - ein Jahr, zwei Jahre - freiwillig an den Hausarzt, kommen dort mit allen gesundheitlichen Problemen als erste Anlaufstelle hin und haben auch Vorteile: dass sie garantierte Wartezeiten haben - nicht länger als 30 Minuten zum Beispiel in Deutschland; dass sie Abendsprechstunden garantiert bekommen, für die Berufstätigen; dass sie Zuzahlungen für Medikamente und Ähnliches nicht machen müssen. Da werden die Patienten auch Ko-Produzenten ihrer Gesundheit und dann kann der Hausarzt seine Funktion ausüben.

Gerald Bachinger Patientenanwalt

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Patientenanwalt Gerald Bachinger

noe.ORF.at: Welche Vorteile hat der Hausarzt dadurch?

Bachinger: Der Arzt hat davon, dass er seine Lotsenfunktion, seine Übersichtsfunktion, seine Steuerungsfunktion im Gesundheitswesen gut machen kann. Flankierend dazu braucht der Arzt ein neues Honorierungssystem, das genau diese Funktion entsprechend unterstützt.

noe.ORF.at: Diese Woche sind die Pläne der neuen Landesgesundheitsagentur präsentiert worden, bei der alle Spitäler und Pflegezentren des Landes unter ein Dach zusammengefasst werden. Welche Auswirkungen sehen Sie für die Patienten?

Bachinger: Direkte Auswirkungen für Patienten, Heimbewohner oder Mitarbeiter wird es auf der operativen Ebene derzeit nicht geben. In der Zukunft wird es aber besser sein: die Kooperation, die Steuerung, die Zusammenarbeit und damit die Qualität für die Heimbewohner - nämlich auch in der Hinsicht, dass die Heimbewohner nicht mehr in der Mobilität ins Krankenhaus geführt werden müssen, sondern dass die ärztliche Kompetenz vom Krankenhaus ins Pflegeheim kommt.

Und es macht sich noch ein weiteres Fenster auf, nämlich dass durch diese Umstrukturierungen mit der österreichischen Gesundheitskasse ein weiteres Andocken an den niedergelassenen Bereich durchaus möglich ist. Das heißt, wir haben jetzt eine Situation, wo wir wirklich das Gesundheitswesen insgesamt neu gestalten können und neue Synergien schaffen können.

Das Gespräch mit Gerald Bachinger führte Nadja Mader

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