Sautner: Wundersames in „Großmutters Haus“

Der aus dem Waldviertel stammende Autor Thomas Sautner hat seinen siebenten Roman veröffentlicht: In „Großmutters Haus“ lässt er eine Enkelin beim Besuch im Haus ihrer tot geglaubten Großmutter einige blauer Wunder erleben.

In „Großmutters Haus“ gibt es kein Gebäck, sondern Joints. Sie heißen „Godfather fünftausend“, „Sputnik“ oder „Able“ und bringen Oma Kristyna beträchtliche Einnahmen. „Was hatte ich nur für eine Großmutter?“, fragt sich die Ich-Erzählerin. „Sie führte offenbar einen ganzen Bauchladen an Rauschmitteln im Angebot - und präsentierte sie mit einer Selbstverständlichkeit, als wären es Zimtschnecken.“

Thomas Sautner

Birgit Edlhofer

Thomas Sautner schreibt in seinbem jüngsten Roman über den Sinn des Lebens, über die Liebe, die Zeit und die Unendlichkeit

Thomas Sautner, 1970 in Gmünd geboren und im Waldviertel wohnhaft, bleibt auch in seinem jüngsten Roman (Picus Verlag) seinen Themen treu. Geografisch beherrscht seine Heimatregion, das Waldviertel, sein Schreiben, thematisch sind es die Außenseiter, denen sein Herz gehört, und weltanschaulich schimmert immer wieder die Überzeugung durch, dass es mehr geben muss im Leben als Ego-Optimierung und Gewinn-Maximierung. Und doch überrascht „Großmutters Haus“ mit einigen unerwarteten baulichen Komponenten.

Wie kommt Oma zu so viel Geld?

Sautner lässt seine Geschichte von einer jungen Frau erzählen. Malina ist Studentin, Teilzeit-Bücherei-Mitarbeiterin, Freundin eines verheirateten Mannes und mit ihrem Leben nicht ganz im Reinen. Da kommt ein Paket ins Haus. Drinnen jede Menge Banknoten und eine Karte: „Anbei ein paar Zettel mit Nullen drauf. Deine Großmutter.“ Da stellen sich Malina gleich ein paar Fragen auf einmal: Großmutter ist doch nicht tot? Wie kommt die Kristyna-Oma zu so viel Geld? Wie kommt sie dazu, es ihr zu schicken? Andere, nahe liegende Fragen stellt sie sich eigenartiger Weise gar nicht: Um welche Summe handelt es sich? Und was könnte sie damit anfangen? Malina packt das Geldbündel in einen Banksafe, setzt sich in den Mercedes des Freundes und fährt raus zur Oma.

Buchhinweis

Thomas Sautner: Großmutters Haus. Picus Verlag, 252 Seiten, 22,00 Euro.

Das ist auch schon der letzte Schauplatzwechsel. Denn der weitere Roman spielt draußen im Wald, wo Kristyna eine Mischung aus Hexenhäuschen und Pippi-Langstrumpf-Villa bewohnt. Die Begegnung mit der attraktiven, charismatischen, aber recht ausgeflippten Seniorin wirft Malina derart aus der Bahn, dass sie zunächst auf das Stellen jener Fragen, die sie hierher geführt haben, ganz vergisst. Denn ab jetzt geht es plötzlich um die ganz großen Fragen der Menschheit, die angeblich bei Konsum von Omas liebevoll mit Pflanzen aus eigenem Bio-Anbau und exotischen, auf dunklen Wegen importierten Ingredienzien nach geheimen Rezepten gebauten Öfen gelöst oder zumindest zu verschwindend kleinen Nebensächlichkeiten werden.

Zwei Wochen in der Einöde müssen nicht fad sein

Oma und Enkelin verbringen 14 sehr angenehme, gemeinsame Tage in der Einöde, die sich durch den regelmäßigen Konsum internationaler Zeitungen und den weniger regelmäßigen Besuch exzentrischer Männer jeden Alters gar nicht so öde gestalten. Nebenbei entdeckt Malina, dass sich der Personaleingang zum „Zentrum des Universums“ ausgerechnet mitten in Großmutters Haus befindet, und dass es einen guten Grund gibt, warum auf ihm der Warnhinweis „Zutritt nur für Befugte!“ angebracht ist.

„Großmutters Haus“ lässt sich in ein paar Lesestunden durchaus vergnüglich erkunden. Das größte Vergnügen hat man, wenn man selbst ganz entspannt ist dabei und bereit ist, sich mehr an Lebens- denn an Formulierungskunst zu erfreuen. Denn weder die Drogen-, noch die Sprachpolizei hätten eine rechte Freude mit „Großmutters Haus“. Die bekommen aber auch die Adresse nicht. Denn selbst wenn der Mond am Himmel steht „wie eine Schüssel dampfender Vanillemilch“ ist ja nichts Schlimmes passiert. Die Hauptsache ist doch: No animals were harmed.

Wolfgang Huber-Lang, Austria Presse Agentur

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