Konferenz mit globalem Blick auf Ersten Weltkrieg

"Den Ersten Weltkrieg haben wir sträflich vernachlässigt, hier gilt es viele Leerstellen zu füllen“, sagt Stefan Karner, Mitorganisator der Konferenz „Leben mit dem Großen Krieg. Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive“, die bis Samstag in Krems stattfindet.

Viele Jahre lang habe man sich in der historischen Forschung vorwiegend mit der Zeit des Nationalsozialismus, des Zweiten Weltkriegs und des Kommunismus beschäftigt, erklärt Stefan Karner, Leiter des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgenforschung in Graz und Mitorganisator der Konferenz „Leben mit dem Großen Krieg. Der Erste Weltkrieg in globaler Perspektive“. Von Donnerstag bis Samstag (12. bis 14. September) wollen Historiker in Krems einige dieser Leerstellen definieren und damit den „wissenschaftlichen Auftakt zum Gedenkjahr 1914/2014 bilden“ (Karner).

Frontszene aus der Bukowina

ORF

Wie sehen Briten, Russen und Deutsche dieses Thema?

Gerade weil es sich um diese Auftaktveranstaltung und nach Angaben von Stefan Karner um die erste große wissenschaftliche Tagung zum Ersten Weltkrieg in Österreich handelt, habe man einen breiten Fokus gewählt: „Wir haben versucht, nicht nur die Wiener Sichtweisen zu berücksichtigen, sondern globale – also auch deutsche, britische, französische oder russische – Sichtweisen einzubringen“, so der Historiker, der an der Universität Graz Vorstand des Institutes für Wirtschafts-, Sozial- und Unternehmensgeschichte ist. Um diese Fragestellungen wird es etwa in den Themenfeldern „Politik und Militär“ und „An allen Fronten“ sowie „Rüstungsbetriebe und die globale Dimension der Kriegswirtschaft“ gehen.

Karner: „Vieles war tabuisiert und ausgeblendet“

Viele Themen seien auch jahrzehntelang tabuisiert und ausgeblendet worden, meint Karner: „Über Österreich-Ungarn und das Deutsche Reich als Besatzungsmächte – etwa in der damaligen Ukraine – ist nur sehr wenig bekannt.“ Dabei verfolgten die verbündeten Großmächte hier eine rigide Besatzungspolitik, deportierten aus Angst vor Kollaborationen mit dem Gegner Russland Zehntausende Menschen und ließen sie teils in Lagern verhungern.

Kompanie, Erster Weltkrieg, unbekannte Herkunft

Archiv des Ludwig Boltzmann-Instituts für Kriegsfolgen-Forschung

Auch das Erleben im Schützengraben, die Verrohung im ersten Massenkrieg – in dem auch erstmals Waffen wie Giftgas eingesetzt wurden – sei kaum Thema gewesen. Um diese Aspekte wird es vor allem in den Vorträgen zu den Themen „Behandlung der ‚Anderen‘“ und „Fürs Vaterland“ gehen.

1918 wurde Europa politisch neu geordnet

Schließlich stehen auch die Folgen des Krieges sowohl in territorial-politischer, aber auch sozialer Hinsicht auf der Tagesordnung der Konferenz. „Es war eine komplette Neuordnung Zentral- und Südosteuropas. Es wurden jene Schnittlinien und Konfliktzonen bezeichnet, die wenige Jahre später im Zweiten Weltkrieg wieder aktuell werden sollten“, erläutert Karner. Die Themenfelder „Bilder vom Krieg“ sowie „Legitimation und Identität“ sollen den zeitgenössischen sowie den Umgang der Nachwelt mit dem „Großen Krieg“ aufarbeiten.

Wie überlebte man an der Heimatfront?

Aber nicht nur das große politische und militärische Geschehen, auch die wissenschaftlich bisher weniger beachtete „Ebene darunter“ ist Teil der Konferenz: Im dritten Teil der Konferenz geht es daher unter anderem um „Die Heimatfront in Österreich und die soziale Dimension des Krieges“. „Viele Fragen nach dem Alltag des Krieges wie etwa nach der Versorgung der Bevölkerung während der vier Kriegsjahre bzw. dem Versagen derselben sind bisher unbeantwortet“, meint Karner dazu. „Wir hoffen jedoch, hier und im kommenden Jahr einiges vorlegen zu können.“

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