Justizanstaltsleiterin vor Gericht

Die ehemalige Leiterin der JA Wiener Neustadt musste sich am Donnerstag wegen Amtsmissbrauches verantworten. Sie soll ihre Bachelorarbeit von zwei Lehrlingen und einer Vertragsbediensteten abtippen haben lassen. Der Prozess wurde vertagt.

Die Anzeige gegen die Anstaltsleiterin war anonym eingebracht worden. Die Vermutung, dass dahinter das unmittelbare berufliche Umfeld der 54-Jährige steht, liegt insofern nahe, als sie in der Justizanstalt Wiener Neustadt offenbar seit längerem angefeindet wurde. Im Sommer 2009 hatte ein anonymes, mit „die Mehrheit der Bediensteten der JA Wiener Neustadt“ unterfertigtes Schreiben die Vollzugsdirektion erreicht. Die Leiterin führe die Justizanstalt „wie eine Kolchose“, sei „eine Gefahr für die Bürger von Wiener Neustadt und Umgebung“, beruflich unqualifiziert und habe obendrein „Spaß daran, die Beamten zu quälen“.

Für Verteidiger ein klassisches Opfer von Mobbing

Für ihren Verteidiger ist die ursprünglich aus Polen stammende Frau, die 1990 in den Justizwachdienst eingetreten war, ein klassisches Opfer von Mobbing am Arbeitsplatz. Die 54-Jährige ist nicht vom Dienst suspendiert, wurde aber auf eigenen Wunsch von der Vollzugsdirektion an eine andere Justizanstalt versetzt. Sie möchte - unabhängig davon, wie das Strafverfahren ausgeht - nicht mehr nach Wiener Neustadt zurückkehren.

In dem Verfahren geht es um den Vorwurf, dass die Anstaltsleiterin zwei Lehrlinge und eine Vertragsbedienstete zu Schreibarbeiten eingeteilt habe. Diese dienten dem Studium der 54-jährigen Beschuldigten, das diese berufsbegleitend an der Fachhochschule Wiener Neustadt absolvierte. Konkret hatte sie für ihre beiden Diplomarbeiten „Analyse des Instruments elektronisch überwachter Hausarrest im modernen Strafvollzug“ und „Frauen in E1-Führungspositionen im österreichischen Strafvollzug“ Interviews geführt, die sie die Bürokräfte abtippen ließ.

Oberstaatsanwaltschaft überstimmte Staatsanwalt

Der Staatsanwalt, der den Fall prüfte, kam zum Schluss, es läge kein Amtsmissbrauch vor. Seinem Vorhabensbericht wurde allerdings von der Oberstaatsanwaltschaft (OStA) Wien die Genehmigung versagt. „Die Auffassung, wonach der vorliegende Sachverhalt nicht eindeutig als Erbringung von privaten Dienstleistungen gesehen werden könne, kann nicht geteilt werden“, stellte die OStA fest. Der Tatbestand des Missbrauchs der Amtsgewalt sei „in objektiver Hinsicht verwirklicht“.

Die Beschuldigte verantwortete sich am Donnerstag „nicht schuldig“. Zwar habe sie die beiden Lehrlinge und eine Vertragsbedienstete die vorgeworfenen Schreibarbeiten durchführen lassen, dies sei aber nicht amtsmissbräuchlich geschehen, so die Verteidigung. Der Prozess wurde auf 22. Juli vertagt, weil eine Zeugin nicht erschienen ist.

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