Gewalt in Familie: 18 Anrufe täglich

Jeden Tag rufen 18 Frauen in NÖ die Polizei zu Hilfe, weil sie von Gewalt betroffen sind. Das sind 6.500 Fälle pro Jahr. Immer öfter werden auch Betretungsverbote ausgesprochen, hieß es bei einer Fachtagung in St.Pölten.

Die Zahl mutet erschreckend an, die Polizei musste allein im vergangenen Jahr in Niederösterreich 1.228 Betretungsverbote aussprechen und diese Verbote nehmen ständig zu, darauf wurde bei einer gemeinsamen Fachtagung des Gewaltschutzzentrums und des Frauenhauses St.Pölten hingewiesen. In 44 Prozent der Fälle leben minderjährige Kinder in diesen Haushalten, sie müssen sehr oft Gewalt miterleben oder sind von ihr auch direkt betroffen.

Nicht immer hinterlässt Gewalt blaue Flecken, oft geht es auch um jahrelange emotionale Gewalt, die zu einer Traumatisierung der Opfer führt. Damit geben sie aber auch die Hoffnung auf Hilfe vielfach auf, sagte Sylvia Wintersperger, Fachärztin für Psychiatrie. Die Argumente der verletzten Frauen die sie dann oft hört, lauten: „Weil es eh keinen Sinn hat, weil ich eh nicht rauskomme, weil es eh schon zu spät ist, weil man mir sowieso nicht helfen kann. Für den Außenstehenden sind das völlig irrationale Begründungen, aber man könnte sagen, das Opfer dieser langjährigen Traumatisierungen steckt in seiner Selbstsicht in einer Zeitschleife gefangen“, sagte Wintersperger.

Mann und Frau

dpa/Maurizio Gambarini

Polizei kann Situation oft nur schwer einschätzen

Selbst dann, wenn die Polizei gerufen wird, ist es für die Beamten oft nicht leicht, die Situation richtig einzuschätzen, sagte der Stadtpolizeikommandant von St.Pölten, Franz Bäuchler. „Es gibt natürlich immer wieder Fälle, wo das Opfer diese Vorfälle beschwichtigt - aber da sind die Beamten vor Ort gefordert eine Gefahrenprognose zu erstellen, das heißt es werden alle Informationen, die greifbar sind zu einem Bild zusammengefasst, zum Beispiel auch die Aussagen der Nachbarn oder der Kinder, und wenn sich hier herausstellen sollte das Leib und Leben des Opfers in Gefahr ist, dann kann ein Betretungsverbot auch gegen den Willen des Opfers ausgesprochen werden.“

Nicht wegschauen sondern Zivilcourage zeigen

Gewalt in der Familie, so die Aussage bei dieser Fachtagung, findet vielfach hinter verschlossenen Türen statt.

Hilfe für Betroffene
Betroffene können sich an das Gewaltschutzzentrum NÖ wenden, unter den Telefonnummern 02742/31966 (St. Pölten), 02622/24300 (Wr. Neustadt), 02822/53003 (Zwettl) sowie an das Frauenhaus St. Pölten (02742/366514).

Es gibt sie aber durchaus, diese Anzeichen von Gewalt. Erkennt man sie ist Zivilcourage gefragt, dann sollte man nicht wegschauen, sondern handeln, sagte die Leiterin des Instituts für Konfliktforschung, Birgit Haller. "In dieser Beziehungsdynamik ist es dann halt auch sehr schwer, für Außenstehende hineinzuschauen, aber ich glaube die Polizei muss da einfach konsequent dranbleiben und vor allem ist es wichtig, dass auch Streitschlichtungen an die Gewaltschutzzentren gemeldet werden, damit die einen Überblick haben über die gesamte Streitgeschichte.

Die meisten Betretungsverbote im Bezirk Baden

Die häufigsten Betretungsverbote wies 2012 übrigens der Bezirk Baden mit 141 Fällen auf. In der Landeshauptstadt musste die Polizei 101 mal eingreifen, im Bezirk Mödling 97 mal, in St.Pölten Land 77 mal, ebenso oft im Bezirk Tulln. 76 Wegweisungen gab es im Bezirk Wien Umgebung und 58 im Bezirk Gänserndorf. Die geringste Zahl an Betretungsverboten weist mit 14 Fällen der Bezirk Scheibbs auf.

Grundsätzlich gilt laut Experten, dass immer mehr Gewaltopfer bereit sind, ihr Schweigen zu brechen. So wurden im Vorjahr im Gewaltschutzzentrum Niederösterreich fast 2.000 Personen beraten, das sind fast doppelt so viele wie im Jahr 2011. Beraten wurden im Vorjahr übrigens 1.719 Frauen und 249 Männer. Alle Beratungen im Zentrum erfolgen kostenlos und vertraulich.

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