Als „Maitre Leherb“ galt er zu Lebzeiten, heute sprechen nicht mehr viele Menschen von jenem Mann, der zu Österreichs markantesten Künstlern des Phantastischen Realismus zählt. Die Rede ist von Helmut Leherbauer, wie er mit bürgerlichem Namen hieß. Der umstrittene Künstler war in seinen jungen Jahren weit über die Grenzen Österreichs bekannt, seine Werke erzielten hohe Preise.
Nach einigen Skandalen um den schrillen und extrovertierten Leherb, der sich zunehmend selbst zur Kunstfigur stilisierte, geriet er in einigen Kreisen zunehmend in Verruf. So kam es 1964 auch dazu, dass Leherb, der bereits für die Biennale in Venedig nominiert war, wieder ausgeladen wurde – und zwar nach einer Regierungsumbildung vom neuen Unterrichtsminister Theodor Piffl-Perčević (ÖVP), der Leherbs Teilnahme verhinderte.
Tiefblauer Pavillon mit toten Tauben
Geplant gewesen wäre ein tiefblauer Pavillon, in dem tote Tauben, Regenschirme und Puppen an den Wänden hätten hängen sollen. Für den Künstler war die versagte Teilnahme zwar schmerzhaft, aber gleichzeitig erhöhte sie seine Bekanntheit um ein weiteres Vielfaches.
Hier möchte die Ausstellung ansetzen, schildert Leherbs Enkelin, Angela Kundegraber-Leherb, im Gespräch mit noe.ORF.at, die auch den Nachlass des Ausnahmekünstlers verwaltet. Auf die Frage, was sie angetrieben hat, eine Ausstellung rund um das Lebenswerk ihres Großvaters anzuregen, antwortet sie mit einer Gegenfrage: „Wie konnte es passieren, dass ein so bekannter Künstler seinen Platz in der Kunstszene verliert?“
Der Enkelin gehe es hauptsächlich darum, dem Künstler Leherb wieder „jene Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die er verdient hat und wieder jenen Platz einzuräumen, der ihm kunsthistorisch zusteht“. In ihren Worten schwingt Kritik am Umgang mit dem Vermächtnis ihres Großvaters mit.
Europaweiter „Superstar“ mit großen Fans und Kritikern
„Er war ein europaweiter Superstar, der dann in Ungnade gefallen ist, sodass sein Werk jetzt zunehmend in Vergessenheit gerät“, wie sie bedauert. Zudem werde Leherb aus dem „Kreis der Phantasten verdrängt, obwohl er hier federführend war“. Leherb hatte enge Verbindungen zu den Künstlern der Wiener Schule des Phantastischen Realismus, darunter Anton Lehmden, Rudolf Hausner und Wolfgang Hutter.
Gemeinsam organisierten sie Ausstellungen, 1959 wurden Leherbs Werke im Oberen Belvedere präsentiert. Von Arik Brauer und Ernst Fuchs als weiteren Vertretern des Phantastischen Realismus wandte sich Leherb später ab und immer mehr dem Surrealismus zu.
Monumentalwerk sucht geeigneten Platz
Im Zuge seines Vermächtnisses sei derzeit noch einiges zu klären, wie die Enkelin schildert – etwa auch in Bezug auf sein monumentalstes Werk: Zwischen 1980 und 1992 schuf Leherb ein Auftragswerk für die damals neue Wirtschaftsuniversität in Wien-Spittelau. Es ist zusammengesetzt aus sechs je acht mal acht Meter langen großen Gemälden in Majolika-Technik, die Leherb im italienischen Faenza herstellte, dem historischen Zentrum der Fayence- und Majolikaherstellung.
Für die Herstellung fertigte Leherb mehr als 3.500 kleine Keramikplatten, die er zum Mosaik „Die Kontinente“ zusammenfügte. Darauf zu sehen sind Afrika, Asien, Amerika, Europa sowie Arktis/Antarktis. Die Herstellung dieses insgesamt 380 Quadratmeter großen Werkes beschäftigte den Künstler mehr als ein Jahrzehnt und brachte ihm anschließend zwar viel Ruhm ein, hatte ihn aber auch seine Gesundheit gekostet. Infolge der jahrelangen Arbeit mit dem feinen Keramikstaub entwickelte er eine schwere Erkrankung. Leherb starb mit nur 64 Jahren und wurde am Wiener Zentralfriedhof beigesetzt.
„Was mit den Fayencen jetzt passiert, ist unklar“, sagt seine Enkelin: „Fix ist, dass sie ihren Platz verlieren, nachdem die alte Wirtschaftsuniversität saniert werden soll“, aber wohin sie kommen, sei auch Kundegraber-Leherb nicht bekannt. „Dabei wurde das Werk mit Steuermitteln finanziert“, so ihre Kritik. Ihre Idee, dass die Darstellungen der Kontinente einen Platz am Flughafen Wien in Schwechat finden könnten, „wohin sie bestens passen würden“, sei bisher auf wenig Resonanz gestoßen.
Leherb verbrachte viel Zeit in Wallsee
Dass die Ausstellung Leherbs zu Ehren in Wallsee zu sehen ist, ist kein Zufall. Helmut Leherbauers Vater war gebürtiger Wallseer und auch von seinem Sohn gibt es zahlreiche Fotos, die ihn in dem kleinen Mostviertler Ort zeigen – u.a. vor dem Haus der Familie.
Leherb, ein gebürtiger Wiener, verbrachte einen wesentlichen Teil seiner Kindheit und Ferien in Wallsee an der Donau, „im idyllischen Haus seiner Großeltern und bei seiner Lieblingscousine Martha“, wie seine Enkelin erzählt. Auch später kehrte er immer wieder dorthin zurück. Vor allem in den 1960er- und 1970er-Jahren besuchte er Martha und deren Familie des Öfteren.
Die Ausstellung in Wallsee ist immer nur donnerstags bzw. nach Voranmeldung zu sehen und ist vorerst bis Ende August geplant. Das Interesse am Eröffnungstag sei Angela Kundegraber-Leherb zufolge jedenfalls „erfreulich groß“ gewesen. Dass ihr Großvater als umstrittener Zeitgeist in Erinnerung bleibt, sei gerechtfertigt, so Kundegraber-Leherb. An diesem Bild will auch seine Enkelin nicht rütteln: „Er war definitiv exaltiert. Das kann man schon festhalten.“