Szenenfoto aus „Die Physiker“ im Landestheater NÖ
Franzi Kreis
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kultur

„Die Physiker“: Fulminante Premiere in St. Pölten

Im Landestheater Niederösterreich hat am Sonntag Friedrich Dürrenmatts „Die Physiker“ Premiere gefeiert. Es geht um die Verantwortung der Wissenschaft, um Macht und Wahnsinn und um das Überleben der Menschheit – gekonnt in Szene gesetzt von Kriszta Szekely.

Ein Physiker namens Möbius gibt vor, Visionen zu haben und lässt sich in eine psychiatrische Anstalt einweisen. Nur so glaubt er, die Welt vor seinen eigenen Erkenntnissen schützen zu können. Denn diese, davon ist Möbius überzeugt, mögen für die Wissenschaft bahnbrechend sein, der Menschheit aber könnten sie das Ende bedeuten.

In der Anstalt trifft er auf zwei Kollegen, die ebenfalls vorgeben, verrückt zu sein und sich als Albert Einstein und Isaac Newton ausgeben, tatsächlich aber Spione und im Auftrag der Politik hinter Möbius’ Erkenntnissen her sind. In ihrem selbst gewählten Exil verhandeln die drei schließlich die Frage nach der Aufgabe und der Verantwortung der Wissenschaft in einer von Machtinteressen geteilten Welt.

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Szenenfoto aus „Die Physiker“ im Landestheater NÖ
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Julia Stemberger als Dr. Mathilde von Zhand, die zwischen Machtgier und Wahnsinn oszilliert
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Als Kommissarin Voß versucht Bettina Kerl (2. v. l.) drei Morde in der Anstalt aufzuklären
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Julian Tzschentke, Michael Scherff und Lennart Preining (v. l. n. r.) spielen die drei Physiker
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Eine Liebesgeschichte, die mit einem Mord und unerfüllten Hoffnungen endet: Julian Tzschentke und Caroline Baas
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Familie Rose auf Besuch in der psychiatrischen Anstalt
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Michael Scherff als vermeintlicher Newton
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Julian Tzschentke, Bettina Kerl und Julia Stemberger
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Wo liegen die Grenzen zwischen Wahnsinn und Wissenschaft? Eine der vielen Fragen, die „Die Physiker“ aufwerfen

Der Schweizer Friedrich Dürrenmatt hat „Die Physiker“ vor dem Hintergrund des Kalten Krieges geschrieben, als Warnung vor dem zerstörerischen Potenzial der Atomphysik. Heute ist das Bouquet an Bedrohungsszenarien vielfältiger: Zur nach wie vor realen Gefahr eines Atomkrieges sind nun die ungewissen Auswirkungen von sozialen Medien, Fake News und Künstlicher Intelligenz sowie der extensive, zerstörerische Lebensstil der westlich geprägten Zivilisation hinzugekommen, sagt Regisseurin Kriszta Szekely.

Zwischen Vernunft und Wahnsinn

Die Fragen, die das Stück aufwirft, seien daher nach wie vor aktuell, so die ungarische Regisseurin: „Wer ist verantwortlich für gefährliches Wissen und dafür, dass die Gesellschaft sich durch wissenschaftliche Erkenntnisse nicht selbst zerstört? Diese Frage ist noch immer nicht beantwortet.“ Die Antworten muss das Publikum selbst finden. „Das ist das Tolle am Theater, dass es keine Antworten gibt, sondern zum Denken und Fühlen anregt“, sagt Schauspielerin Julia Stemberger.

Als Anstaltsleiterin Mathilde von Zahnd zeigt Stemberger virtuos, wie nahe Vernunft und Wahnsinn, Fortschrittsglaube und Zerstörungswut zusammenliegen. Am Ende ist sie es, die Möbius’ Erkenntnisse an sich reißt und sie in ihrem Profilierungswahn einer erbarmungslosen Marktlogik unterwirft. „Ich glaube das kommt oft miteinander, dass Menschen, die der Realität fern sind, auch das Empfinden für Gut und Böse verlieren“, sagt Stemberger.

Mit Humor dem Weltuntergang entgegen

Tatsächlich ist es ein Abend, der nachdenklich macht und nicht gerade optimistisch auf die Zukunft der Menschheit blicken lässt. Aber so bedrückend die Fragen, die das Stück aufwirft, sein mögen – auf der Bühne werden sie mit Lust und Leichtigkeit verhandelt. Zum Lachen gibt es genug. Wie könnte man dem drohenden Weltuntergang auch besser begegnen als mit Humor.