Bundespräsident Alexander Van der Bellen, Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner und Robert Ziegler, Chefredakteur des ORF Niederösterreich
ORF / Benedikt Fuchs
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Politik

Marsch der Freiheit „einzigartiges Ereignis“

Tausende Menschen aus der ehemaligen CSSR sind beim sogenannten Marsch der Freiheit vor genau 30 Jahren über die offene Grenze bei Berg (Bezirk Bruck an der Leitha) gepilgert. Anlässlich einer Sondersendung des ORF Niederösterreich sprachen Bundespräsident Alexander Van der Bellen und Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner (ÖVP) von einem „einzigartigen Ereignis“.

„Wir waren verblüfft, was da passiert“, erinnerte sich Van der Bellen zurück an den 10. Dezember 1989. Er hatte die Ereignisse in seinem Büro an der Universität Wien im Fernsehen mitverfolgt. Die „schrittweise Implosion der Sowjetunion“ habe dazu geführt, „dass die meisten osteuropäischen Länder in die Freiheit entlassen wurden und im Laufe der Zeit der EU beigetreten sind.“

Für Österreich sei der Fall des Eisernen Vorhangs von enormer wirtschaftlicher Bedeutung gewesen, so Van der Bellen: „Österreich ist in all diesen Ländern heute einer der größten Investoren – abgesehen davon sind die nachbarschaftlichen Beziehungen immens erleichtert worden.“ Der Eiserne Vorhang trennte Österreich auf einer Länge von mehr als 400 Kilometern von seinen Nachbarländern.

Mikl-Leitner: „Tor zur Welt aufgemacht“

Die Region sei dadurch von Stillstand geprägt gewesen, ergänzte Landeshauptfrau Mikl-Leitner im Gespräch mit dem Chefredakteur des ORF Niederösterreich, Robert Ziegler: „Wer hätte damals in Richtung toter Grenze Straßen- und Zugsverbindungen bauen sollen? Wer hätte investieren sollen?“ Der Stillstand ging mit Abwanderung einher, so Mikl-Leitner: „Durch den Fall des Eisernen Vorhangs hat sich für uns alle dann aber ein Tor zur Welt aufgemacht.“

Der Fall des Eisernen Vorhangs habe nicht nur zu einer nachhaltigen Veränderung des gesamten Kontinents, sondern auch der Region geführt: „Es ist gelungen, Niederösterreich von einer vergessenen und benachteiligten Region zu einer dynamischen Region zu machen. Die Zusammenarbeit mit unseren Nachbarn funktioniert sehr gut – wir leben und arbeiten im Miteinander –, und es gibt viele Möglichkeiten, diese Zusammenarbeit zu stärken“, sagte die Landeshauptfrau in der Sondersendung am Grenzübergang Berg.

Gespräch mit Magda Vasaryova

Magda Vasaryova – Schauspielerin, Politikerin und erste Botschafterin der freien Tschechoslowakei in Österreich – hat den Fall des Eisernen Vorhangs hautnah miterlebt. Sie erinnert sich im Gespräch mit Robert Ziegler.

„Wirtschaftsraum und Binnenmarkt genügen nicht“

Mit Blick in Richtung Zukunft fanden sowohl Mikl-Leitner als auch Van der Bellen durchaus mahnende Worte. „Es waren Bilder, die man nicht vergisst, und die Geschichte ist eine fantastische. Aber wir müssen alles tun, um an der Europäischen Union weiter gemeinsam zu bauen und zu einer noch besseren Union zu machen“, sagte Niederösterreichs Landeshauptfrau. Der Bundespräsident erinnerte an „europäische Werte“ wie Rechtsstaatlichkeit, Pressefreiheit oder Demokratie. Er sieht diese Werte in der Europäischen Union gefestigt genug, „wo wir allerdings Nachholbedarf haben, ist in unserem Verhältnis zur Welt insgesamt.“

Der Bundespräsident zitierte den früheren Präsidenten der Europäischen Kommission, Jean-Claude Juncker, und verwies auf das Fehlen einer „Weltpolitikfähigkeit“. Die 28 Mitgliedsstaaten der Union hätten Schwierigkeiten, eine gemeinsame außenpolitische Position zu finden. Van der Bellen ortete großen Handlungsbedarf, um gemeinsame Interessen gegenüber China, Russland oder den Vereinigten Staaten zu vertreten. „Es ist gut und wichtig, ein gemeinsamer Wirtschaftsraum und Binnenmarkt zu sein, aber das genügt für die kommenden Jahrzehnte nicht. Da haben wir noch Entwicklungsbedarf.“

Slowakische Staatspräsidentin dankte für Erinnerung

Die slowakische Staatspräsidentin Zuzana Caputova dankte Bundespräsident Alexander Van der Bellen für sein Gedenken des „Marsches der Freiheit“ vor 30 Jahren in Hainburg und am Grenzübergang Berg. Ursprünglich hätte Caputova an der Veranstaltung am Dienstagabend ebenfalls teilnehmen sollen. Wegen Krankheit wurde ihre Reise aber abgesagt. „Vor 30 Jahren konnten wir die Grenzen, die für Jahrzehnte geschlossen waren, frei überqueren. Danke, Präsident Van der Bellen, für die Erinnerung an unsere erste Reise, die freie Welt zu sehen“, schrieb Caputova auf Twitter.