Horst Kies vor dem Schloss Hunyadi in Maria Enzersdorf
ORF/Thomas Koppensteiner
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Politik

Mit 79 Jahren weiter Lust auf Politik

Mit Horst Kies stellt sich am Sonntag in Maria Enzersdorf ein 79-Jähriger der Wahl. „Politik braucht alle Altersgruppen“, sagt der ehemalige Flötist des ORF-Symphonieorchesters, der über eine Protestbewegung in den Gemeinderat kam, später grüner Vizebürgermeister war und nun für die ÖVP antritt.

Der gebürtige Wiener Horst Kies war Anfang der Achtzigerjahre gemeinsam mit seiner Frau, einer Sängerin aus Schweden, nach Maria Enzersdorf (Bezirk Mödling) gezogen. Anfang der Neunziger schloss er sich einer Protestbewegung gegen ein Bauvorhaben an, aus der die Bürgerliste „Liste Dorf“ wurde. Kies wurde geschäftsführender Gemeinderat und erhielt als solcher das Kulturressort. Das war auch genau sein Metier. Mehr als 30 Jahre lang war er nämlich hauptberuflich Musiker im ORF-Symphonieorchester.

Mit 79 ist doch noch nicht Schluss

Die Bürgerliste wurde später zur grünen Liste, aus der wiederum die Grünen Maria Enzersdorf hervorgingen. 2010 wurde Kies grüner Vizebürgermeister, 2015 kandidierte er bei der Gemeinderatswahl noch für die Grünen, 2017 kam es aufgrund von Meinungsverschiedenheiten allerdings zum Bruch mit der Partei. Kies war seitdem fraktionsloser Mandatar im Gemeinderat. Die politische Karriere wäre somit nach der bevorstehenden Gemeinderatswahl am 26. Jänner beendet gewesen. Der ÖVP-Bürgermeister holte ihn allerdings in sein Team, damit er sich weiterhin um die Kultur in Maria Enzersdorf kümmern kann.

„Politik braucht alle Altersgruppen. Ein junger Mensch kann sich nicht in einen alten Menschen hineindenken. Deswegen ist es wichtig, dass auch ältere Semester aktiv in die Politik ihr Wissen und Können einbringen“, sagt der 79-Jährige im Interview mit noe.ORF.at im Schloss Hunyadi, dem Zentrum der Kulturveranstaltungen in Maria Enzersdorf.

Horst Kies bei einem Fernsehinterview
ORF/Andreas Kotzmann
Horst Kies im Interview mit noe.ORF.at

noe.ORF.at: Sie sind 79 Jahre alt und werden im Mai 80 Jahre. Kann man für Politik zu alt sein?

Horst Kies: Das ist schwer zu beantworten, für einen der schon 79 war. Ich fühle mich sehr wohl. Erstens einmal gibt es die Erfahrung und eine gewisse Gelassenheit. Streit soll es nicht geben. So gesehen ist es gut, wenn man mit einer gewissen Behäbigkeit an die Sachen herangeht. Wichtig ist, was dabei herauskommt.

noe.ORF.at: Wie hat Ihre politische Karriere eigentlich begonnen?

Kies: Das ist eine lustige Geschichte. Ich wollte eigentlich nie in die Politik. Das hat mich herzlich wenig interessiert. Aber dann gab es hier in Maria Enzersdorf ein Bauvorhaben, wo ziemlicher Widerstand war. Da hat sich 1990 eine Bürgerliste gegründet, da war ich involviert, aber ich wollte nicht in den Gemeinderat, sondern habe mich auf den letzten Platz setzen lassen. Fünf Jahre später hat es anders ausgeschaut, dann habe ich mich – weil viele von der Bürgerliste weg waren – doch in den Gemeinderat wählen lassen. Nachdem uns ein geschäftsführender Gemeinderat zugestanden ist, habe ich die Kultur bekommen. Der damalige Bürgermeister, mit dem ich mich später gut verstanden habe, hat damals gesagt: ‚Dem Kies geben wir die Kultur, da kann er nichts anstellen.‘

noe.ORF.at: Sie sind mittlerweile seit 25 Jahren in Maria Enzersdorf für das Kulturangebot zuständig und haben in dieser Zeit dann doch einiges „angestellt“.

Kies: Ich wollte ein durchgehendes Programm haben, das die Leute interessiert, das eine Qualität hat und wo man die Leute an den Ort bindet. Das ist heute noch immer wichtig, gerade in dieser Randgemeinde von Wien, wo viele aus Wien zugezogen und Wien-orientiert sind. Ich bin ein Gegner von Schlafstädten, das ist schade. Man soll im Ort nicht nur schlafen und wohnen, sondern man soll im Ort auch teilnehmen. Dazu muss man natürlich etwas liefern, dass man teilnehmen kann.

Horst Kies vor dem Schloss Hunyadi in Maria Enzersdorf
ORF/Thomas Koppensteiner
Der 79-Jährige vor dem Schloss Hunyadi, wo der Großteil der Kulturveranstaltungen in Maria Enzersdorf stattfindet

noe.ORF.at: Wie schwierig ist es für einen 79-Jährigen, auch die jüngere Zielgruppe zu bedienen?

Kies: Sicherlich bin ich nicht total informiert, welche die tollsten Gruppen sind. Mein Wissen ist mehr im klassischen Bereich. Aber wenn man offen ist, das nicht ablehnt – und das tue ich nicht, denn ich finde das sogar oft sehr wohltuend, solche Konzerte zu hören – geht das schon. Ich habe Gott sei Dank Mitarbeiterinnen auf der Gemeinde, die mich kräftig unterstützen. Die sind selber vielleicht auch schon in gewissem Sinn diesem Alter entwachsen, aber haben Kinder, von denen sie die besten Informationen bekommen. Infolgedessen funktioniert das gut. Wir wollen künftig auch schauen, dass Gruppen, die sich in Schulen bilden, bei uns auftreten und Probemöglichkeiten haben.

noe.ORF.at: Nach dem Bruch mit den Grünen waren Sie zuletzt freier Mandatar im Gemeinderat. Die politische Karriere wäre somit am 26. Jänner beendet gewesen. Wie ist es zu der Entscheidung gekommen, nun für die ÖVP anzutreten?

Kies: Nachdem ich ein sehr gutes Verhältnis mit dem Bürgermeister habe und er mich gebeten hat, ob ich die Kultur weitermachen würde, weil das geschätzt wird, habe ich bei meiner Frau nachgefragt, wie sie reagiert, wenn ich das mache. Sie hat gesagt: ‚Du machst sowieso, was du willst.‘ Sie hat also zugestimmt.

noe.ORF.at: Sie waren zunächst auf einer Bürgerliste, dann bei den Grünen, jetzt treten Sie für die ÖVP an. Sehen Sie darin keinen Widerspruch?

Kies: Ich sehe Politik anders. Ich kann nicht in Parteistrukturen denken. Das ist für mich schwer. Gerade in der Gemeindepolitik ist man dem Bürger total ausgesetzt. Da muss man ehrlich sein. Die Gemeindepolitik verpflichtet zu einer großen Ehrlichkeit. Ich meine, ob das grün oder rot oder schwarz ist – wichtig ist, wer liegt mir am besten, mit wem kann ich mich identifizieren. Da habe ich keine Probleme mit unserem Bürgermeister und dem Team, ich fühle mich da zuhause.

Horst Kies mit dem Team der Volkspartei auf einem Wahlplakat
ORF/Thomas Koppensteiner
Der politische Weg von Horst Kies (r.) begann auf einer Bürgerliste, aus der letztlich die Grünen Maria Enzersdorf hervorgingen. Nun kandidiert der ehemalige grüne Vizebürgermeister für die Volkspartei.

noe.ORF.at: Was haben Sie in den nächsten fünf Jahren als Gemeinderat vor?

Kies: Natürlich soll das Programm weiterlaufen, weil es sich ja auch bewährt hat. Man muss aber auch die Augenblicke nutzen, die kommen. Die Maria Enzersdorfer Sommerspiele waren mir etwa ein Anliegen. Hier hat sich schon etwas geändert. Im letzten Jahr sind wir neben Theater und Musik auf Kabarett umgestiegen. In diesem Rahmen könnte man in Zukunft noch viele andere Dinge unterbringen, zum Beispiel kleine Opern. Alles ist möglich vor dieser Kulisse, dem Schloss Hunyadi.

Sendungshinweis

„NÖ heute“, 19.1.2020

noe.ORF.at: Für das Kulturressort hatten Sie sozusagen einen Startvorteil. Sie kommen beruflich aus dem Kulturbereich und waren Musiker – genauer gesagt Flötist – im ORF-Symphonieorchester.

Kies: (lacht) Da war ich wirklich sehr jung. Das Orchester wurde damals 1968 im großen Symphonierahmen gegründet, da waren natürlich sehr viele Junge dabei. Da kann man sich vorstellen, dass auch so mancher Schabernack passiert ist. Es war eine sehr gute Zeit und die Freundschaften aus dieser Zeit gibt es nach wie vor. Ich denke gerne an diese Zeit zurück.

noe.ORF.at: Die älteste Kandidatin bei den Gemeinderatswahlen am Sonntag ist Herta Kunerth. Sie tritt mit 101 Jahren in Perchtoldsdorf (Bezirk Mödling) für die Bürgerliste ihrer Tochter an. Wie lange haben Sie vor, weiterzumachen?

Kies: 101 Jahre werde ich wahrscheinlich nicht werden, ich weiß auch nicht, ob das erstrebenswert ist. Solange ich meine fünf Sinne beisammen habe und solange die Leute hinter mir nicht tuscheln, dass der endlich weggehört, habe ich keine Probleme. Wenn es geht, möchte ich natürlich diese fünf Jahre wirklich aktiv weitermachen.

Das Gespräch führte Thomas Koppensteiner, noe.ORF.at