„Nahaufnahme“

Gräben überwinden: „Oft reicht Verständnis“

Die unterschiedlichen Meinungen über Impfung und Schutzmaßnahmen führen teilweise zu tiefen Gräben. Psychologin Natalia Ölsböck verrät in der Radio-NÖ-„Nahaufnahme“ wie man wieder ins Gespräch kommen kann – „oft reicht Verständnis“, sagt sie.

Um nach zwei Jahren Pandemie tiefe Gräben und Gegensätze in der Gesellschaft wieder zu überbrücken, wurde die Initiative „Du+Ich=Österreich“ gestartet, eine Aktion für mehr Zusammenhalt. Dazu war die bekannte Psychologin Natalia Ölsböck aus Königstetten (Bezirk Tulln) am Sonntag zu Gast in der „Nahaufnahme“ bei Alice Herzog.

Sendungshinweis

„Nahaufnahme“, 23.1.2022

„Wir müssen nicht alles verstehen, oft reicht es aus, wenn wir Verständnis für den anderen zeigen“, so Ölsböck. Es gehe darum, die Argumente des anderen einmal zu hören, auch wenn man selbst anderer Meinung ist. Wenn tatsächlich Unwahrheiten verbreitet werden, bringe es mehr, dem Gegenüber Fragen zu stellen als dem anderen den eigenen Standpunkt aufzuzwingen. „Wo hast du das gelesen? Wer behauptet das? Mit solchen oder anderen Fragen kann man selbst Verschwörungstheoretiker zumindest wieder zum Nachdenken bringen“, so Ölsböck.

Gezielte Begleitung statt Ausgrenzung

Aus ihrer eigenen Praxis berichtet sie, dass beispielsweise die meisten Impfgegner nicht politisch motiviert sind, sondern aus eigenen negativen Erfahrungen im Leben Ängste entwickelten. „Die meisten Menschen, die sich nicht impfen lassen, haben Angst davor und das sollte man zumindest respektieren“, so Ölsböck.

Natalia Ölsböck
privat
Pychologin Natalia Ölsböck hält es für wichtig, andere Meinungen zu akzeptieren, „weil jeder Mensch andere Dinge erlebt im Leben, die uns prägen“

Diese Menschen benötigen eine gezielte Begleitung und keine Ausgrenzung. Hier könne im Gespräch sehr viel erreicht werden. Damit Gespräche nicht in Streit ausarten, kann man sich hier bewusst Grenzen setzen und das Thema zwischendurch auch einmal ausblenden, so die Psychologin.

„An Gefühle anknüpfen, die es vor der Pandemie gab“

„Wenn mir die Person wichtig ist, kann ich auch versuchen an Gefühlen anzuknüpfen, die es schon vor der Pandemie gegeben hat. Da gab es meist viel Verbindendes. Ich bin der Ansicht, man muss auch nicht immer zwanghaft darüber reden und den anderen überzeugen. Viel wichtiger ist es zu akzeptieren, dass wir andere Meinungen haben, weil jeder Mensch andere Dinge erlebt im Leben, die uns prägen.“

Natalia Ölsböck ist seit etwa 20 Jahren als Freiberuflerin tätig. Sie coacht Unternehmerinnen und Unternehmer, Führungskräfte und Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Seit 2010 lehrt sie an der Österreichischen Akademie für Psychologie die Fächer Positive Psychologie, Psychohygiene und Resilienzförderung. Seit 2020 ist sie als Expertin in der Barbara Karlich Show tätig. Das von ihr konzipierte Präventionsprojekt „SchauHIN“ wurde 2010 mit dem Liese-Prokop-Preis gewürdigt.