Johann Hagenhofer
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„Menschen im Blickpunkt History“

Jäger der verloren geglaubten Geschichte

Kaum eine Region ist zeitgeschichtlich so erforscht wie die Bucklige Welt um Hochwolkersdorf. Dafür ist einerseits die wechselvolle Geschichte verantwortlich, andererseits aber auch Johann Hagenhofer, der sie ans Tageslicht geholt hat.

Während früher oft und ausgiebig geschwiegen wurde über die Ereignisse im und nach dem Zweiten Weltkrieg, hat der heute 81-jährige Johann Hagenhofer diese Zeit in seiner Heimat akribisch erforscht und mehrere Bücher geschrieben. Einen Gedenkraum im Gemeindeamt Hochwolkersdorf (Bezirk Wr. Neustadt) hat er vor 40 Jahren aufgebaut. Bis heute wird dieser von Hagenhofer betreut.

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„NÖ heute“, 11.12.2022

Im Haus gegenüber – das noch existiert und in Privatbesitz ist – war 1945 das sowjetische Hauptquartier untergebracht. Dort fiel über den Schriftverkehr via Telegrammen mit Diktator Josef Stalin die Entscheidung, Karl Renner als Chef der provisorischen Regierung einzusetzen. Johann Hagenhofer erhielt die Telegramme erst kürzlich aus russischen Archiven – ein später Höhepunkt in seinem Historikerleben.

Er sieht sich als Zeitzeugen, der die Veränderungen im Laufe seines Lebens beobachtet und festgehalten hat. Auch, dass der Gedenkraum nun entscheidend vergrößert werden soll, ist eine Genugtuung für Hagenhofer.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Historisches Foto von einem Gebäude, in dem 1945 ein Telegramm von Stalin einging, zum Zeitpunkt 1945
Johann Hagenhofer
In diesem Haus in Hochwolkersdorf war 1945 das sowjetische Hauptquartier untergebracht
Gebäude in Hochwolkersdorf, in dem ein Telegramm von Josef Stalin 1945 einging
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Eine aktuelle Aufnahme des Gebäudes
Telegramme von Josef Stalin, die 1945 nach Hochwolkersdorf gingen
privat
Hier fiel über Schriftverkehr per Telegrammen mit Josef Stalin die Entscheidung, Renner zum Staatskanzler zu machen
Gemeindeamt Hochwolkersdorf
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Im Gemeindeamt kümmert sich Hagenhofer um den Gedenkraum für Zeitgeschichte
Johann Hagenhofer
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„Hochwolkersdorf ist für mich der Geburtsort der Zweiten Republik", sagt Hagenhofer wegen der Telegramme

Schule und Studium: Keine Infos zu Zweitem Weltkrieg

Hagenhofers Interesse stammt aus seiner eigenen Vergangenheit. Das ist in dem Buch „Halterbub und Hofrat“ nachzulesen – einer Mischung aus Autobiografie und Geschichte der Region. Der spätere Historiker wuchs im Umfeld der sowjetischen Besatzung auf und hütete Vieh. Gefundene Bücher weckten sein Interesse an der Vergangenheit, das aber lange Zeit unerfüllt blieb.

Gespräch mit Lokalhistoriker in Buckliger Welt

In der Buckligen Welt rund um Hochwolkersdorf hat ein Mann die Ereignisse rund um den Zweiten Weltkrieg akribisch aufgearbeitet, einen Gedenkraum eingerichtet und Bücher geschrieben. Der heute 81-jährige Johann Hagenhofer hat „Niederösterreich heute“ ein Interview gegeben.

„Ich durfte eher aus Zufall ein Gymnasium besuchen“, erzählt Hagenhofer, „erfuhr dort aber nichts über die Geschichte rund um den Zweiten Weltkrieg. Die Zeitgeschichte wurde ausgeklammert, die Informationen endeten nach dem Ersten Weltkrieg. Dann studierte ich in Wien Geschichte und erfuhr wieder nichts über diese Zeit. Dann war ich Lehrer und musste mich selber weiterbilden. Wirkliche Einblicke habe ich erst durch die Zeitzeugenprojekte erhalten, die ich in der Buckligen Welt organisierte.“

„Unangenehmes“ nicht vergessen lassen

Und zwar nach Pensionsantritt, unter Mithilfe von Schulklassen und interessierten Menschen in der Region. Auch heikle Themen wurden nicht ausgespart: „Wir sprachen über Nazi-Funktionäre, über die letzten Kriegstage, Vergewaltigungen und Russen-Kinder. Das heikelste Thema war die Aufarbeitung der jüdischen Geschichte, die dann für die ganze Region erfolgte.“

Das ist Johann Hagenhofer gelungen. Der frühere Direktor eines Wiener Neustädter Gymnasiums arbeitete auch Unangenehmes so auf, dass es bis zum heutigen Tag zum unumstrittenen Teil der Geschichte dieser Region wurde.