„Giuseppe Verdis ‚Aida‘ vereint auf atemberaubende Weise das feinfühlige Drama um vier Einzelschicksale in Zeiten des Krieges mit Opernkultur in ihrer monumentalsten Form“, schwärmt Johannes Wildner über seine Wahl in seinem letzten Jahr als Intendant von Oper Burg Gars.
Was das Faszinierende an der 1871 uraufgeführten Oper sei? „Abendländische und morgenländische Sehnsüchte nach Exotik treffen in diesem Werk ebenso aufeinander wie musikalisch prunkvolle Zeremonielle und majestätische Chorszenen mit intimen Momenten voll großer Gefühlskonflikte“, so der Intendant, der 2013 die Leitung von Oper Burg Gars übernahm.
„Aida“ als Plädoyer für die Liebe
Im Zentrum der als Auftragswerk des ägyptischen Vizekönigs Ismael Pascha zur feierlichen Eröffnung des Suezkanals entstandenen Oper steht die tragische Liebe der äthiopischen Prinzessin Aida und des ägyptischen Heerführers Radames, eine Verbindung, die durch den Krieg zwischen Äthiopiern und Ägyptern unmöglich gemacht wird. Mit seinem höchst berührenden Schlussplädoyer für die große Kraft der Liebe setze Verdi ein besonderes Ausrufezeichen, dessen Symbolik zeitlos ist.
Johannes Wildner: „Regisseur Philipp Harnoncourt wird sich dieser Oper, die im Gesamtwerk Verdis auch hinsichtlich der zeitgeschichtlichen Bedeutung eine absolute Sonderstellung einnimmt, mit viel Fingerspitzengefühl annähern und garantiert ein bewegendes Drama auf die Bühne zaubern.“
Eine Oper zu einem geopolitischen Ereignis
Mit der Eröffnung des Suezkanals umrahmte die Oper „Aida“ ein geopolitisches Ereignis, das die Weltwirtschaft und die Weltpolitik nachhaltig verändern sollte. Anlässlich der Fertigstellung war in Kairo außerdem das erste ägyptische Opernhaus, die Königliche Oper, eröffnet worden. Was fehlte, war eine von der ägyptischen Kultur geleitete Oper. Genau das war der Wunsch Ismael Paschas an Verdi, der dazu zunächst keinerlei Lust empfand.
Erst der Hinweis, stattdessen seinen Komponistenkollegen Charles Gounod zu beauftragen oder gar Richard Wagner, stimmte ihn schließlich um. Aber auch die geforderte gigantische Summe von 150.000 Goldfrancs (umgerechnet 750.000 Euro) spielte gewiss eine Rolle. Für seine nationale Oper war dem Vizekönig nichts zu teuer.
Am 24. Dezember 1871 fand schließlich die von großer Begeisterung begleitete Uraufführung statt – der Ausgangspunkt für den weltweiten Triumphzug von „Aida“. Verdi blieb der Uraufführung fern. „Ich gehe nicht hin“, schrieb er einem Freund, „weil ich fürchten müsste, dort mumifiziert zu werden.“
„Ich bin überzeugt, dass ein Italien ohne Verdi das Gleiche wäre wie ein England ohne Shakespeare.“ Dieser Satz stammt von dem italienischen Avantgardisten Luciano Berio, sie illustriert Giuseppe Verdis enorme künstlerische und politische Energie und Position. Als „Aida“ zum ersten Mal erklang, hatte die umkämpfte Einheit Italiens, von Verdi selbst propagiert, gerade Gestalt angenommen.
Der Triumphmarsch wurde Verdis größter Gassenhauer
Seine drittletzte Oper, das fatalistische Wunderwerk eines nationalen und emotionalen Konflikts im alten Ägypten, schildert die Tragik einer durch Chauvinismus zerstörten großen Liebe. „Zwei Königstöchter begehren einen jungen Feldherrn, der leider die Tochter des Feindes liebt. Der Triumphmarsch mit den eigens angefertigten langen Aida-Trompeten, schön und brutal, wurde Verdis größter Gassenhauer“, so der Musikpublizist Wolfgang Schreiber.
Premiere von „Aida“ in der Inszenierung von Philipp Harnoncourt ist am 15. Juli, danach gibt es bis 5. August neun weitere Vorstellungen. Die Rolle der Aida singt Li Keng, den Radames gibt Oscar Marin, der im Vorjahr als Don Jose in „Carmen“ zu sehen war. In den weiteren Rollen: Nana Dzidziguri (Amneris), Neven Crnic (Amonasro), Stefano Park (Ramfis), Krzysztof Borysiewicz (König), Bianca von Oppell (Oberpriesterin) und Benedikt Kobel (Bote).
Wildner: „Musiktheater in seiner mitreißendsten Form“
Am 23. September verabschiedet sich Johannes Wildner nach zehn Jahren als Intendant mit einer „Schubertiade“. Freundinnen und Freunde, Wegbegleiter und er werden an diesem Abend Kammermusikalisches von Franz Schubert bieten. Der 67-jährige Universitätsprofessor für Dirigieren an der Universität für Musik und darstellende Kunst Wien übernahm 2013 die Leitung des Festivals.
„Im Zentrum meiner künstlerischen Tätigkeit in Gars steht bis heute der Anspruch, Musiktheater in seiner mitreißendsten Form für das Publikum erlebbar zu machen und dabei die über tausend Jahre alte Babenberger Burg mit all ihrer Mystik eine eigenständige Rolle im Operngeschehen spielen zu lassen." Er sei stolz auf das, was gemeinsam mit einem engagierten Team aufgebaut werden konnte, ebenso wie darauf, „das Opernhaus des Waldviertels bestens etabliert an seinen Nachfolger zu übergeben“, so Wildner.