Die Präsidentinnen
Lalo Jodlbauer
Lalo Jodlbauer
Kultur

„Die Präsidentinnen“ begeistern noch heute

Mit Werner Schwabs Bühnenerstling „Die Präsidentinnen“ landeten die Festspiele Reichenau am Freitagabend einen beachtlichen Premierenerfolg, schreibt APA-Kulturkritiker Ewald Baringer. Eine Woche zuvor gab es Unstimmigkeiten und eine kurzfristige Umbesetzung.

Das einstige Skandalstück des 1994 verstorbenen Autors gilt heute schon als moderner österreichischer Klassiker. Der aktuelle Skandal ereignete sich allerdings im Vorfeld der Reichenauer Premiere, als sich Marcello de Nardo und Petra Morzé, zwei veritable Veteranen der Festspiele, offenbar dermaßen in die Haare gerieten, dass das Dreipersonenstück kurz vor der Absage stand. Schade, denn das Konzept, die Partie der Erna einem Mann zu übertragen, wäre sicherlich spannend gewesen.

Nun hat aus der Not heraus Intendantin Maria Happel die Rolle der Erna übernommen und – das Textbuch vor sich – das Beste daraus gemacht: Großartig, wie sie diese vom Leben frustrierte und doch arrogante Frau anlegt, wie sie die Unsicherheit mit ebenso ausweichenden wie beredten Blicken zur Seite und mit nervöser Selbstbezupfung zu kompensieren sucht. Als Mariedl trifft Therese Affolter den berufenen Opferton der heldenhaft in die Scheiße Greifenden schmerzvoll, Johanna Arrouas im hässlich braunen Lederrock gibt trefflich die vergeblich lüsterne Grete.

Die Präsidentinnen
Lalo Jodlbauer
Therese Affolter als Mariedl und Maria Happel als Erna

Altes Stück mit aktuellen Anknüpfungspunkten

Ein wenig merkt man dem Stück bei aller makabren Opulenz auch sein Alter an. Nazibräute müsste man heute mit der Lupe in Altersheimen suchen. Aber nur darum geht’s nicht: Die Vermengung von verfehlten Lebenskonzepten, religiösem Wahn und aggressiver Intoleranz bietet nach wie vor inhaltliche Anknüpfungspunkte von unübersehbarer Aktualität.

Sehr originell ist das Bühnenbild von Christof Cremer gelungen, der eine Art Küchenverbau entworfen hat mit Kästchen, die einschlägige Utensilien enthalten, aber auch diverse Devotionalien. Christof Dienz steuert Soundtrack zwischen Schubert und Volksmusik-Gstanzln bei.

Nach pausenlosen 90 Minuten ist der Abend zu Ende: durchaus untypisch für Reichenau. Schwab ist angekommen. Wer weiß, womöglich findet sich eines Tages im Festspielrepertoire sogar noch Platz für ein zeitgenössisches Stück eines lebendigen Autors bzw. einer Autorin.