Schlafende Frau
pixabay/claudio_scott
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Gesundheit

Wenn „Schäfchen zählen“ nicht mehr hilft

Rund ums Schlafen dreht sich derzeit ein großer Gesundheits-Schwerpunkt im ORF. Apothekerin Irina Schwabegger-Wager kennt die besten Einschlafhilfen aus der Apotheke und erklärt Alternativen, wenn es mehr braucht als Schäfchen zu zählen.

„Unsere Aufgabe besteht darin, besonders im rezeptfreien Bereich das geeignete Präparat mit dem größten Nutzen für den Kunden auszuwählen an Hand der geschilderten Symptome bzw. rechtzeitig an den Arzt zu verweisen, z.B. bei organisch bedingter Schlaflosigkeit. Die meisten Betroffenen klagen darüber, dass sie einfach viel zu kurz schlafen- entweder durch nicht einschlafen oder durchschlafen zu können bzw. wachen die Betroffenen viel zu früh auf. Nicht zu vernachlässigen auch der Einfluss von AM, die den Schlaf beeinträchtigen können“, sagt Apothekerin Irina Schwabegger-Wager.

„An erster Stelle stehen immer Verhaltensänderungen, die einen erholsamen Schlaf fördern – das bedeutet auf eine gute Schlafhygiene achten. Dazu gehört: eine angenehme Schlafumgebung – dunkel, nicht zu warm, leise, wenn geht bei geöffnetem Fenster – Kaffee, reichliches Essen am Abend und Alkohol am Abend sollte vermieden werden, auf möglichst regelmäßige Schlafenszeiten und nur kurze Mittagsschläfchen achten, und auch Entspannungsbäder oder Einschlafrituale können hier helfen. Und wenn diese Maßnahmen nicht ausreichend wirksam sind, kann für drei bis vier Wochen medikamentös unterstützt werden, und da kommen dann zuerst meistens Heilpflanzen ins Spiel.“

Schlafende Frau im Bett
StockSnap / Pixabay
Halten Schlafbeschwerden an, sollten diese unbedingt von einem Arzt abgeklärt werden, rät die Apothekerin

Pflanzliche Einschlafhilfen – helfen die überhaupt?

„Pflanzliche Schlafmittel erhöhen die Schlafbereitschaft und beeinflussen im Gegensatz zu chemischen Schlafmitteln die natürlichen Schlafphasen nicht negativ, das bedeutet der gesunde natürliche Schlaf wird normalisiert, es besteht auch keine Sturzgefahr am nächsten Morgen und die Arzneimittel machen auch bei längerer Anwendung nicht abhängig. Ausschlaggebend für die Wirkung ist dabei immer die Qualität des Präparates: Zwei pflanzliche AM, die die gleichen Drogen enthalten, müssen nicht immer gleich gut wirken, da die Wirksamkeit auch durch das Herstellungsverfahren beeinflusst wird: mit welchem Mittel wurden die Inhaltsstoffe aus der Pflanze gewonnen, nach welchen Verfahren wurde das AM hergestellt, war es schonend genug? Können die gewonnenen Inhaltsstoffe dadurch überhaupt noch wirken und sind sie auch hoch genug dosiert?“

Um welche Heilpflanzen handelt es sich dabei?

„Am besten wirkt die Droge die am meisten gewöhnungsbedürftig ist, nämlich der Baldrian, der seine schlaffördernde Wirkung wahrscheinlich auch zum Teil über sein ätherische Öl entwickelt. Optimal wirkt er in der Kombination mit Hopfen oder auch oft in Begleitung mit Melisse und Passionsblume, diese sind als Dragee, Tabletten, Sprays oder auch Tropfen erhältlich und natürlich auch als beruhigende Teemischung – nicht nur zum Trinken sondern vielleicht auch mal als Badezusatz am Abend. Wichtig zu wissen und das gilt für alle pflanzlichen Drogen – ihre Wirkung ist dosisabhängig und die volle Wirkung tritt erst nach regelmäßiger Einnahme über mindestens ein bis zwei Wochen ein.“

Die Wirkung tritt nicht sofort ein, sagt Schwabegger-Wager, Entspannung komme schon früh, die schlafanbahnende Wirkung je nach Präparat oft erst nach ein- bis zweiwöchiger regelmäßiger Einnahme.

Welche rezeptfreien Alternativen gibt es noch?

"Arzneimittel, die ursprünglich zur Behandlung gegen Allergien auf den Markt gekommen, sind ebenfalls für die Behandlung von akuten Schlafstörungen, bei Jetlag oder als Bedarfstherapie so ein- bis zweimal pro Woche gut geeignet. Zu beachten ist dabei jedoch, dass man eventuell morgens mit einer Restmüdigkeit zu kämpfen hat, was bei Frühaufstehern oder berufstätigen Personen u.U. problematisch sein kann. Reagieren Betroffene auf diese Medikamente positiv, so sollten sie ein bis vier Wochen regelmäßig eingenommen werden.

Melatonin wird ja gerne als das Schlafhormon bezeichnet, wobei es richtigerweise als Dunkelheitshormon bezeichnet werden sollte – ein Hormon bleibt es aber, und es hilft auch nicht gegen alle Formen von Schlafstörungen, da sollte man sich vor der Einnahme wirklich gut beraten lassen. Wichtig ist dabei die korrekte Anwendung: Die Einnahme sollte ein bis zwei Stunden vor dem Zubettgehen und nach der letzten Mahlzeit eingenommen werden, und nur dann, wenn dann mindestens sechs Stunden Schlafenszeit möglich sind, sonst riskiert man, dass man beim Aufstehen noch müde ist. Und bei nächtlichem Aufwachen bitte niemals nachdosieren! Ebenso Vorsicht vor Überdosierung: Zuviel Melatonin kann u.U. Kopfschmerzen, Übelkeit und Magenprobleme verursachen."

Sendungshinweis

„Radio NÖ am Vormittag“, 22.11.2023

Immer wieder wird bei dieser Thematik auch Cannabis erwähnt, dazu sagt die Apothekerin: „Zu Cannabis gibt es mittlerweile eine ganze Reihe von Untersuchungen, deren Aussagekraft allerdings sehr gering ist, was den Einsatz von Cannabisprodukten im Bereich Schlaf- und Angststörungen sowie Depressionen betrifft – auch wenn das Internet voll ist davon, was Cannabispräparate alles können sollen: Es ist auf keinen Fall das Wunder-Schlafmittel, als das es gerne dargestellt wird.“

Beschwerden vom Arzt abklären lassen

„Akute Beschwerden mit einer bekannten Ursache können grundsätzlich im Rahmen der Selbstmedikation behandelt werden, das bedeutet bei Beschwerden wie Nervosität und innerer Unruhe bis zu zwei Wochen, bei Ein- und Durchschlafstörungen bis zu vier Wochen. Halten die Beschwerden länger an oder verstärken sich, so sollte ein Arzt konsultiert werden.“