Grapefruit
pixabay.com
pixabay.com
Gesundheit

Kraft der Bitterstoffe: Was steckt dahinter?

Das Bittere ist die unbeliebteste aller Geschmacksrichtungen, aber in vielen Kulturen gelten bittere Pflanzen als Universalmittel zum Gesundbleiben und Gesundwerden. Was hinter den Bitterstoffen steckt, erklärt Apothekerin Gertrude Kölbl aus dem Marchfeld.

„Als Bitterstoffe bezeichnet man all die Substanzen, die unsere entsprechenden Rezeptoren auf der Zungen- und Mundschleimhaut, als bitter wahrnehmen. Bitterstoffe sind also keine eigene Nährstoffgruppe wie zum Beispiel Eiweiße, Fette oder Vitamine, sondern eine sogenannte Wirkstoffgruppe. Bitterstoffe können unterschiedliche chemische Strukturen haben, werden aber dennoch in einer gemeinsamen Gruppe zusammengefasst.

Bitter gehört zu den fünf Geschmacksrichtungen- neben süß, salzig, sauer und umami. Es ist die unbeliebteste aller Geschmacksrichtungen. In vielen Kulturen weltweit galten bittere Pflanzen als Universalmittel zum Gesundbleiben und Gesundwerden. Auch die Natur zeigt uns, dass Bitterstoffe eine heilende Wirkung haben: Viele Tiere fressen instinktiv bittere Kräuter wenn sie akut erkranken.“

Wie wirken Bitterstoffe auf den Körper?

"Bitterstoffe fangen bereits im Mund zu wirken an: Beim Kauen reizen die im Essen enthaltenen Bitterstoffe die Nerven auf der Zunge. Dadurch wird die Produktion von Speichel angeregt. Die Enzyme im Speichel beginnen das Essen zu zerlegen – sie verdauen das Essen schon einmal vor. Der Magen beginnt bereits mit der Produktion von Magensaft. Sobald das zerkaute Essen im Magen angelangt ist, kann er sofort mit der Verdauung loslegen. Sind im Essen keine Bitterstoffe enthalten, dauert die Verdauung länger.

Sendungshinweis

"Radio NÖ am Vormittag, 31.1.2023

Der bittere Geschmack stimuliert aber nicht nur den Magen, sondern auch die Leber, die Gallenblase, die Bauchspeicheldrüse und den Darm, welche daraufhin mit der Sekretion von Verdauungssäften und Verdauungsenzymen beginnen. Die Leber wird so zum Beispiel beim Entgiften unterstützt. Bitterstoffe fördern die Peristaltik im Darm – den Transport der Nahrung. Dadurch wird die Schleimhaut des Darms dazu angeregt, verstärkt Stoffwechselschlacken auszuscheiden."

Warum meiden wir Bitterstoffe?

„Ein Grund warum Menschen Bitteres nicht so gerne Essen, könnte die evolutionäre Schutzfunktion sein: Pflanzen produzieren Bitterstoffe um Fressfeinde abzuwehren. Bitter gilt so als giftig, auch wenn das gar nicht stimmt. Heutzutage sind viele Lebensmittel stark gesüßt, und dadurch schmeckt unserem Gaumen Bitteres noch unangenehmer. Das Bittere wird aus Nahrungsmitteln oft herausgezüchtet – und auch viele Köche vermeiden es, indem sie bittere Pflanzenteile aus dem Gemüse herausschneiden. Bitteres nehmen wir besonders intensiv wahr, weil die Geschmacksrezeptoren auf der Zunge darauf deutlich stärker reagieren als zum Beispiel auf einen süßen Reiz. Besonders viele Bitterrezeptoren sitzen ganz hinten auf der Zunge.“

Helfen Bitterstoffe beim Abnehmen?

"Bitterstoffe helfen nicht nur das Essen besser zu verwerten, sie helfen auch dabei weniger zu essen – denn Bitteres führt zu einem schnelleren Sättigungsgefühl. Bitterstoffe docken an den Darmzellen an, die ein Hormon produzieren, das GLP-1. Dieses körpereigene Hormon löst im Gehirn ein Sättigungsgefühl aus. Durch die Einnahme vieler Bitterstoffe entsteht daher eine schnellere Sättigung. Sie können auch den Heißhunger auf Süßes und das Verlangen nach einem Dessert bremsen.

Bitterstoff ist nicht gleich Bitterstoff: In der Pflanzenheilkunde werden die Bitterstoffe ihrer Wirkweise entsprechend in verschiedene Bittermittel, sogenannte Amara (lateinisch für bitter), eingeteilt. Diese Einteilung nach Amara geht auf das Mittelalter zurück, sie findet aber noch immer Verwendung in der Naturheilkunde. Amara tonica oder Amara pura – diese enthalten nur Bitterstoffe, die speziell tonisch also stärkend wirken zum Bsp.: Enzian, Fieberklee und Tausendguldenkraut.

Amara aromatica: enthalten neben Bitterstoffen auch ätherische Öle zum Bsp.: Engelwurz, Schafgarbe, Wermut Amara acria diese Pflanzen beinhalten neben den Bitterstoffen auch noch Scharfstoffe zum Bsp.: Ingwer, Galgant und Kardamom Bitterstoffe kommen nicht nur in Heilpflanzen reichlich vor, sondern auch in vielen Lebensmitteln, allerdings in geringeren Mengen, da die bitteren Stoffe zum Teil herausgezüchtet wurden. Einige Beispiele: Chicoree, Radicchio, Endivie, Rucola, Kohlgemüse, Grapefruit, Kaffee, Schokolade mit möglichst hohem Kakaoanteil."

dunkle Schokolade
pixabay.com
Dunkle Schokolade mit hohem Kakaoanteil

Was ist der Bitterwert?

„Bitterstoffhaltige Pflanzen kann man auch nach ihren Bitterwerten unterteilen. Der sogenannte Bitterwert ist die Maßzahl um die Intensität der verschiedenen Bitterstoffe zu skalieren. Ein Bitterwert von 1.000 bedeutet, dass man 1g einer Substanz in 1.000ml Wasser gerade noch als bitter herausschmecken kann.“

Wie nimmt man Bitterstoffe richtig ein?

„Damit die Bitterstoffe ihre positive Wirkung auf die Verdauung entfalten können, nimmt man sie vor oder nach dem Essen ein. 10- 30 Minuten vor dem Essen eingenommen bereiten sie das Verdauungssystem optimal auf die Nahrungsverarbeitung vor; nach dem Essen unterstützen sie bei Völlegefühl, Blähungen oder Bauchschmerzen, so dass man sich schnell wieder aktiv und weniger abgeschlagen fühlt.“

Welche Präparate gibt es?

"Bitterstoffe werden am häufigsten in flüssiger Form angeboten, zum Beispiel als Tropfen oder Spray oder als Kräuterelixier. Ihre Wirkung tritt bereits bei Kontakt mit den Bitterstoff-Rezeptoren im Mund ein. Achten sie darauf, dass keine künstlichen Aromen, Zucker, Süßungsmittel oder sonstige Zusatzstoffe enthalten sind.

Wer sich mit dem Geschmack überhaupt nicht anfreunden kann, könnte die Bitterstoffe zu Beginn auch mit etwas Wasser verdünnen. Auch die Einnahme in einer Kapsel ist möglich – die Bitterstoffe wirken dann über die Rezeptoren im Magen und Darm An den Geschmack von Bitterstoffen müssen sich die meisten Menschen erst gewöhnen, aber es lohnt sich. Für eine gute Gesundheit sollten wir unseren Speiseplan auf alle Fälle mit Bitterstoffen bereichern."