„Nahaufnahme“

Die Synagoge als offenes Haus für alle

Zur Wiedereröffnung der Synagoge in St. Pölten ist die Historikerin und Judaistin Martha Keil zu Gast in der Radio Niederösterreich „Nahaufnahme“. Sie spricht über die Bedeutung dieses Projekts und die Geschichte der jüdischen Gemeinde in St. Pölten.

Die Wiedereröffnung der ehemaligen Synagoge sei „ein großer, wichtiger Schritt in der Geschichte dieses Hauses", so die Wissenschafterin, die seit vielen Jahren im Institut für jüdische Geschichte Österreichs in der Landeshauptstadt tätig ist. Es gehe dabei nicht nur um das schöne Gebäude mit seiner Kuppel und seiner Jugendstilfassade, sondern auch um die Geschichte der jüdischen Gemeinde St. Pölten, die vernichtet wurde und deren Gemeindeleben durch dieses Projekt restauriert und öffentlich zugänglich gemacht werde, so Keil.

Sendungshinweis

„Nahaufnahme“, 14.4.2024

Sie erzählt auch von der Geschichte der jüdischen Gemeinde in St. Pölten, die um 1920 ungefähr 800 bis 900 Menschen umfasste und bis zum Ende der Monarchie wie alle anderen jüdischen Einrichtungen unter dem Schutz des Kaiserhauses stand. Die Synagoge wurde während der Novemberpogrome 1938 schwer beschädigt und die Gemeinde durch die Nazis vernichtet. Seitdem wurde die jüdische Gemeinde in St. Pölten nie neu gegründet.

Wiedereröffnung als Zeichen für tolerantes Miteinander

Keil betont, dass es „ein Glück“ sei, dass die Synagoge als Gebäude überlebt habe und nun als ehemalige Synagoge eine Vielfalt von Veranstaltungen beherbergen werde. Die jüdische Geschichte sei „ein Seismograph für gesellschaftliche Entwicklungen“, daher gelte es wachsam zu bleiben und die jüdische Kultur nicht zu vergessen. Die Wiedereröffnung der Synagoge als Kulturzentrum mit Dauerausstellung könne hier einen Beitrag leisten.

Martha Keil
ORF
Martha Keil

Keil erzählt auch über ihre persönliche Faszination für die jüdische Kultur: „Ich wollte schon im Alter von zwölf Jahren nach Israel fahren und in einem Kibbuz leben.“ Diesen Vorsatz habe sie nach der Matura auch umgesetzt. „Faszinierend finde ich, dass diese Kultur und diese Religion schon so alt ist. Dass so früh schon eine klare jüdische, religiöse und dann auch kulturelle und politische Identität herausgebildet worden ist. Dass so früh schon schriftliche Zeugnisse da sind, die in ihrer Schönheit und in ihrer Botschaft heute noch wichtig sind.“ Das Projekt sollte als Zeichen gegen den Antisemitismus verstanden werden. „Die Wiedereröffnung der Synagoge sollte doch auch ein Zeichen sein, für ein tolerantes Miteinander und als offenes Haus für alle.“