Radausfahrt In Velo Veritas
Barbara Filips
Barbara Filips
In Velo Veritas

Auf alten Rädern durchs Weinviertel

Bereits zum siebten Mal findet am Sonntag die Nostalgie-Radrundfahrt In Velo Veritas statt. Ums Gewinnen geht es hier nicht, sondern ums Genießen: Auf malerischen Wegen wird gemeinsam durch die sanften Hügeln des Weinviertels geradelt – und zwar mit alten Rennradklassikern.

Start und Ziel befinden sich diesmal in der Weinstadt Poysdorf. Je nach Lust, Laune und Kondition gibt es Strecken zu 70, 140 oder ambitionierten 210 Kilometern. Mit-Organisator Horst Watzl: „In erster Linie geht es um die Fahrt und das Erlebnis mit einem klassischen Rennrad die Gegend zu durchstreifen. Ob schnell oder langsam spielt dabei keine Rolle. Es gibt keine Zeitnehmung. Zweitens möchten wir den Rennmaschinen aus vergangenen Zeiten eine Bühne geben.“

Veranstaltungshinweis:

Poysdorf, „Gstetten“: Startnummernausgabe am
Samstag, den 15. Juni von 13.00 bis 19.00 Uhr und am Sonntag von 6.00 bis 10.00 Uhr. Startzeit 70 km: 10.00 Uhr, Startzeit 140 Kilometer: 8.00 Uhr, Startzeit 210 Kilometer: 6.00 Uhr. Die Preise bewegen sich zwischen 39 und 79 Euro.

Sämtliche Strecken führen durch idyllische Kellergassen und dringen in die verborgensten Winkel des Weinviertels vor, die selbst Eingeweihte immer wieder in Staunen versetzen. „Eines der Markenzeichen von In Velo Veritas ist, dass wir jedes Jahr neue Routen anbieten“, so Watzl.

Im Gegensatz zu vergleichbaren Rennrad-Veranstaltungen setzen die Veranstalter bewusst auf Entschleunigung und das Weinviertler Motto der genussvollen Gelassenheit. Lokale Gastronomie an den Labestationen spielt dabei eine nicht unbeträchtliche Rolle. Sport hin, Sport her: Bei In Velo Veritas wird gut gegessen und getrunken.

Radausfahrt In Velo Veritas
Copyright: Peter Provaznik
70, 140 oder 210 Kilometer: Für jeden und jede ist „seine“ bzw. „ihre“ Strecke dabei

Sich abrackern wie damals

ORF.at: 210 Kilometer, und das mit uralten Rädern, bergauf und bergab auf teils schwierigem Terrain: Warum soll man sich das antun?

Horst Watzl: 210 km fahren ca. 100 Leute. Uralt ist übertrieben. Einige der Räder sind schön in die Jahre gekommen. Die, die sich das antun, wissen, was sie tun. Schliesslich geht es bei In Velo Veritas auch um Empfindungen, wie sich das anspürte, damals, auf diesen vergleichsweise gar nicht so schweren Maschinen. Sie waren schon sehr ausgereift, was die Geometrie betrifft.

Und damals, Anfang des vorigen Jahrhunderts, fuhren sie mit den Rennrädern ja nicht 200 km im Sprint wie heute sondern 400 bis 500 km am Stück. Schwere Gänge bergauf zu treten war und ist immer noch eine Herausforderung, der sich manche gerne stellen. Die jüngeren älteren Rennräder, gemeint sind 1970 aufwärts, sind schon mit gut abgestuften Gängen bestückt. Also keine Rede von antun. Von der Leichtigkeit und den unübertroffenen Dämpfungseigenschaften von Stahl gar nicht zu reden.

Stahlräder im Trend

ORF.at: Eine Frage, die sich aufdrängt: Wie fährt es sich mit den alten Rädern auf so weiten Strecken im Vergleich zu neuen? Hat sich weniger an Fortschritt getan, als man meinen sollte?

Watzl: Fortschritt ist im Rennradbereich sehr subjektiv. Letztlich kommt es immer auf den Fahrer oder die Fahrerin an. Manche sitzen noch immer gerne auf ihren Jugenderinnerungen und fühlen sich wie damals. Dann merken sie, dass da – abgesehen von der komfortableren Schaltung in den Bremshebeln – gar nicht so viel Unterschied ist zu den Carbonflitzern. Aktuell werden ja auch von den großen italienischen Marken wieder Stahlräder mit zeitgemäßen Schaltungen angeboten. Und ästhetisch sind die klassischen Rennräder ohnehin unübertroffen. Jetzt wieder sehr subjektiv.

ORF.at: Was bietet In velo veritas abseits vom Rennen selbst?

Watzl: In Velo Veritas ist kein Rennen. Vielleicht kann es als eine sportliche Klassikerausfahrt umschrieben werden. Es bilden sich verschiedene Gruppen, die gemeinsam ein Stück des Weges durch die Weinviertler Landschaft radeln. Die Verpflegungstationen sind Treffpunkte. Keine Müsliriegel und Bananen oder sonstige isotonische Getränke, sondern regionale Kulinarik. Darüber hinaus ein umfangreiches Programm, wie eine Familienrunde, Rundfahrten in Poysdorf, Führungen, einen Teilemarkt, ein genußvolles oder auch rasantes Zeitfahren auf den klassischen Rädern, ein Get-Together samt Musik in der „Gstetten“. Aber im Zentrum steht die Fahrt auf den verschiedenen Distanzen.

Radausfahrt In Velo Veritas
Copyright: Peter Provaznik
Durch die malerischen Kellergassen des Weinviertels

Lust auf mehr – und weiter

ORF.at: Gibt es da eine eigene Szene von Menschen, die sich regelmäßig trifft rund ums Thema alte Rennräder? Was kennzeichnet diese Szene, falls es eine gibt? Wie sind die drauf?

Watzl: Wie immer und überall gibt es hier nicht nur eine Szene. Die „Oldies“ tauschen sich über historische Räder und ihre jahrzehntelangen Erfahrungen aus. Darunter auch etliche Sammler mit einer erklecklichen Anzahl von Juwelen, die eigentlich eine oder mehrere Ausstellungen füllen würden. Das ist die eine Gruppe. Die andere, jüngere Abteilung, erfreut sich ebenfalls an den Stahlrennern. Fährt mit ihnen auch in der Stadt, um gesehen zu werden. Das Rennrad aus Stahl ist momentan Lifestyle und manche möchten dazugehören. Gut so. In Velo Veritas ist die Gelegenheit, sich auszutauschen, Gleichgesinnte zu treffen und das Rennrad wirklich auch in der Landschaft, am Hügel oder in der Abfahrt zu bewegen. Das steckt an und macht Lust auf mehr oder weiter.

Anstrengung und Leidenschaft

ORF.at: Steht eher der „Oldtimerkult“ samt Nostalgie im Vordergrund oder der Nachhaltigkeitsgedanke, alte Dinge weiter zu nutzen?

Watzl: Für mich eigentlich vorrangig der Gedanke der Nachhaltigkeit und des Zusammenkommens. Darüber hinaus die Wertschätzung wertvoller Rennräder, die vor nicht allzulanger Zeit noch im Container landeten. Die Wertschätzung der Rahmenbauer, deren Fertigkeit hierzulande – Ausnahmen bestätigen die Regel – verloren ging. Aber das Bewusstsein wächst und wir möchten dazu beitragen.

Deshalb laden wir einmal im Jahr zum „Gipfel“. Carbon ist nach einem Sturz Sondermüll. Stahl kann wieder geschweisst oder recycelt werden. Nostalgie oder Verklärung irgendwelcher „goldenen Zeiten“ steht nicht im Zentrum, sondern der Anspruch auf schönen, schnellen Rädern eine gewisse Strecke gemeinsam zu bewältigen. Anstrengung und Leidenschaft gehören dazu. Infektionsgefahr nicht ausgeschlossen.