Zwei Hebammen am Spitalsgang
Gesundheit

Hebammen: „Mehr Ausbildungsplätze nötig“

Niederösterreichs Hebammen leiden unter immer größerer Personalnot. Ohne eine Erhöhung der Ausbildungsplätze drohe Niederösterreich ein Hebammenmangel, warnt Alexandra Böhm vom Hebammengremium Niederösterreich.

Auf einer Geburtenstation herrscht ein ständiges Kommen und Gehen. Wann die nächste schwangere Frau mit Wehen die Station betritt, lässt sich nicht vorhersehen. Während in den Kreißsälen Babys das Licht der Welt erblicken, liegen wenige Zimmer weiter neugeborene Kinder in den Armen ihrer frischgebackenen Mütter im Wochenbett. Sie alle brauchen eine umfassende Betreuung. Mütter wie Hebammen wünschen sich besonders für die Geburt selbst eine Eins-zu-eins-Betreuung. Doch die gibt es für sie in der Praxis bei weitem nicht.

Viele Hebammen klagen über eine zunehmende Arbeitsbelastung. Während einerseits der Druck steige, werde die Personalsituation andererseits immer angespannter – und das bei einer enormen Verantwortung. Pro Patientin kommen mit Mutter und Kind zwei Menschen, für die Hebammen zu sorgen hätten.

Neugeborene Babys liegen schlafend nebeneinander
dpa-Zentralbild/Ralf Hirschberger
Hebammen betreuen Frauen von der Schwangerschaft bis ins erste Lebensjahr ihrer Kinder

Überstunden stehen auf der Tagesordnung

Die Solidarität unter den Hebammen ist groß und auch jene gegenüber ihren Arbeitgebern, also den Landeskliniken. Namentlich wollen sie weder sich selbst, noch ihre Kolleginnen und ihre jeweilige Klinik genannt wissen. Im Vertrauen erzählen sie, dass Überstunden auf der Tagesordnung stünden, der dadurch anfallende Zeitausgleich aber kaum abzubauen sei und die Personalnot in manchen Kliniken groß sei. Beispielsweise gebe es Kolleginnen, die selbst nach Antritt ihrer Alterspension noch für einzelne Dienste gebraucht würden. Ohne deren Hilfe seien kaum alle Dienste laut Dienstplan zu besetzen. Immer mehr Hebammen würde es daher in die Freiberuflichkeit ziehen. Vollzeitstellen seien für junge Kolleginnen kein erstrebenswertes Ziel mehr.

„Der Druck steigt tatsächlich“, sagt Alexandra Böhm vom Hebammengremium Niederösterreich. Von einem bereits bestehenden akuten Hebammenmangel möchte sie in Niederösterreich noch nicht sprechen. Ihrer Einschätzung nach müsste aber rasch an wesentlichen Schrauben gedreht werden, um in Zukunft auf keinen Mangel an Geburtshelferinnen zuzusteuern, sagt Böhm: „Der wichtigste Schritt wäre eine Erhöhung der Ausbildungsplätze. Die Zahl der Absolventinnen ist definitiv zu gering – vor allem auch in Hinblick auf die Zukunft.“

Hebammen fordern Unterstützung

In den nächsten Jahren wird sich die Situation der Hebammen laut Ansicht des Hebammengremiums durch Pensionierungen noch weiter zuspitzen. „Mehr als 100 der insgesamt 412 Hebammen in Niederösterreich werden in den nächsten zehn Jahren das Pensionsalter erreichen“, sagt Böhm. Hier gelte es in den Augen der Hebammen rechtzeitig gegenzusteuern: neben der Anhebung der Ausbildungsplätze durch eine Aufstockung der Kassenstellen für freiberufliche Hebammen sowie durch Tarifanpassungen.

IMC FH Krems
© IMC FH Krems
In Niederösterreich werden Hebammen ausschließlich in Krems ausgebildet

Das bestätigt auch Elisabeth Rakos. Sie leitet an der IMC Fachhochschule Krems den niederösterreichweit einzigen Ausbildungsstandort für Hebammen. „Die Nachfrage nach Hebammen übersteigt die Zahl an Absolventinnen bei weitem. Wöchentlich bekomme ich Stellenausschreibungen für unsere Studierenden. Ich könnte locker die eineinhalbfache Menge an fertig ausgebildeten Hebammen vermitteln.“

Hebammen sind nicht mehr nur im Kreißsaal im Einsatz, sondern auch in der Schwangerenvorsorge – etwa bei den mittlerweile im Mutter-Kind-Pass vorgesehenen Hebammenberatung – sowie in der Betreuung im Wochenbett und im ersten Lebensjahr des Säuglings. Immer mehr Hebammen arbeiten auch in der freien Praxis, betreiben Hebammenordinationen und machen Hausbesuche und bieten Stillberatungen.

20 Ausbildungsplätze pro Jahr

Die Anzahl der pro Bundesland zur Verfügung stehenden Ausbildungsplätze werden vom jeweiligen Land festgesetzt. In Niederösterreich stehen jährlich 20 Ausbildungsplätze zur Verfügung, in Wien beispielsweise 30. Auch dort wurden zuletzt Rufe nach zusätzlichen Studienplätzen laut – mehr dazu in Unterbesetzung: Hebammen schlagen Alarm (wien.ORF.at; 12.7.2019).

In Niederösterreich wurde die Anzahl der Ausbildungsplätze kürzlich sogar erhöht – von 16 auf 20 Plätze. Doch das reiche nicht, so Studiengangsleiterin Elisabeth Rakos: „Weil die in der Vergangenheit vorhandenen 16 Plätze schon zu wenig waren, haben wir aufgrund dieser Situation bereits damals 22 Hebammen pro Jahr ausgebildet. Weil der Bedarf nachweislich gegeben ist, wurde die Zahl jetzt auch tatsächlich erhöht. De facto heißt das aber, dass durch die Erhöhung nicht mehr Hebammen pro Jahr mit ihrer Ausbildung fertig werden als zuvor.“

Laut Einschätzung des Hebammengremiums sei die Aufstockung von 16 auf 20 finanzierte Plätze zwar begrüßenswert, letztlich aber dennoch ein Tropfen auf den heißen Stein. Dabei würde es nicht an Interessentinnen für das Hebammenstudium mangeln: Um die 20 niederösterreichischen Ausbildungsplätze rittern mehr als 300 Bewerberinnen.