Arzt beim Abhören eines Patienten
APA/HELMUT FOHRINGER
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Gesundheit

Akuter Ärztemangel greift weiter um sich

Derzeit sind laut Niederösterreichischer Gebietskrankenkasse 21 Stellen für praktische Ärzte unbesetzt. Besonders drastisch dürfte die Situation künftig in Groß-Siegharts (Bezirk Waidhofen an der Thaya) werden. Ab Oktober gibt es dort nämlich keinen Hausarzt mehr, der alle Kassen akzeptiert.

In Groß-Siegharts gibt es für knapp 3.000 Einwohnerinnen und Einwohner zwei Hausärzte – allerdings nur noch bis Oktober. Dann geht einer der beiden in Pension. Der zweite Hausarzt, Hans-Christian Lang, kündigte seinen Vertrag mit der Gebietskrankenkasse und ist für viele Patientinnen und Patienten somit nur noch Wahlarzt. „Das heißt: Ich wäre dann ganz alleine für die Bevölkerung zuständig und laut Kassenvertrag muss ich dann alle Patienten behandeln“, so Lang. „Ich darf keine wegschicken und ich sehe mich außer Stande, dass ich diese Zahl an Patienten bewältigen kann.“

Eine dritte Kassenstelle in Groß-Siegharts ist seit 2016 unbesetzt. Entsprechend groß ist die Verunsicherung in der Bevölkerung – das wird beim Besuch von noe.ORF.at klar. Zudem seien die Kosten, die für viele Patientinnen und Patienten in Zukunft in der Ordination von Doktor Lang anfallen, problematisch.

Gebietskrankenkasse verweist auf gesetzte Maßnahmen

Die Situation in Groß-Siegharts ist kein Einzelfall. 21 Kassenstellen für Allgemeinmediziner sind laut Niederösterreichischer Gebietskrankenkasse (NÖGKK) in Niederösterreich derzeit unbesetzt. Bei der Gebietskrankenkasse hofft man nun, dass die Maßnahmen greifen, die in vergangenen Jahren gesetzt wurden.

In einer Stellungnahme wird betont: „Die Niederösterreichische Gebietskrankenkasse hat mehrfach – auch beim letzten Honorarabschluss im Dezember 2018 – insbesondere Allgemeinmedizinerinnen und Allgemeinmediziner sowie Kinderfachärztinnen und Kinderfachärzte bei der Bezahlung ihrer Leistungen besonders gestärkt. Diese Fachrichtungen erhalten um je sechs Prozent mehr Honorar – und zwar rückwirkend ab 2017.“

Hausarzt misst Blutdruck
ORF
Hans-Christian Lang ist ab Oktober der einzige Hausarzt in Groß-Siegharts

Die Ärztekammer wiederum betont, schon vor Jahren auf den drohenden Ärztemangel hingewiesen zu haben: „Mittlerweile hat uns dieser eingeholt und die Auswirkungen sind in weiten Teilen des Landes spürbar. Der Ärztemangel beschränkt sich also schon lange nicht mehr nur auf ‚abgelegene‘ Gegenden. Alle Regionen, sowohl am Land als auch in den Städten, sind mittlerweile zumindest in den Fächern Allgemeinmedizin und Kinder- und Jugendheilkunde betroffen.“

Patientenanwalt will neue, innovative Modelle

Patientenanwalt Gerald Bachinger sagte zur aktuellen Situation, dass es nicht mehr reiche „an kleinen Schräubchen zu drehen, sondern wir müssen ganz neue Lösungskonzepte und innovative Modelle andenken.“ Möglichkeiten seien laut Bachinger etwa virtuelle Ordinationen nach dem Vorbild der Schweiz, mehr Kompetenzen für Pflegerinnen und Apotheker oder mehr Mitspracherechte für das Land. „Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass das Land Niederösterreich ganz neue Aufgaben und Zuständigkeiten bekommt, also die zukünftige Vertragspartnerschaft müsste zwischen dem Land und Kassen sein, um hier ganz neue Versorgungsmodelle anzudenken“, so Bachinger.

Die Ärztekammer wäre dann nicht mehr Vertragspartner. „Die Ärztekammer ist nach wie vor Standesvertretung, aber sie wäre nicht mehr in der Position, dass sie quasi ein Anbietermonopol hat oder alle Ärzte im Bereich des kassenärztlichen Bereiches vertritt, sondern, dass man hier viel flexibler auf die Bedürfnisse der betroffenen Ärzte eingehen kann und nicht alles über einen Gesamtvertrag geschert wird.“