Eine prunkvollere Atmosphäre könnten sich die Österreicher für ihr Gastspiel kaum wünschen. Das Kammerorchester Academia Allegro Vivo spielt im Ballsaal jenes Schlosses, das über den Dächern der UNESCO-Welterbestadt Cesky Krumlov (Krumau) an der Moldau thront. An diesem Abend sind Werke von drei Komponisten aus drei verschiedenen Ländern zu hören. Auf Wolfgang Amadeus Mozart folgen der Tscheche Leos Janacek und der Ungar Bela Bartok.
Der Unterschied zwischen den Komponisten aus den verschiedenen Ländern sei „wie wenn jemand von einem unterschiedlichen Sprachduktus kommt“, sagt Vahid Khadem-Missagh, der nicht nur das Orchester Academia Allegro Vivo, sondern das gesamte Kammermusikfestival leitet. „Man hört es in der Stimme so wunderbar, wenn man durch Österreich fährt und in Kärnten, Vorarlberg, Tirol oder Wien die verschiedenen Dialekte hört. In der Musik ist das genauso. Wenn wir Janacek hören, dann hören wir dieses Böhmische, dieses Tschechische.“
Das Konzert ist nicht nur ein erster Vorgeschmack auf die neue Festivalsaison von Allegro Vivo, sondern gleichzeitig ist es auch Teil des Internationalen Musikfestivals Cesky Krumlov, das 1992 – kurz nach der politischen Wende – gegründet wurde. „Vor der Samtenen Revolution gab es in unserem Land nur eine einzige Agentur für Musiker. Viele Künstler hatten damals einfach keine Chance“, erzählt Lubomir Herza, der beim Festival für das musikalische Programm verantwortlich ist.
Positive kulturelle Entwicklung
„Ich kann mich noch gut daran erinnern, wie schwierig es früher war, ausländische Künstler einzuladen. Es war harte Arbeit, aber ich konnte immer mehr Kontakte knüpfen, und mittlerweile sind wir unseren Nachbarn deutlich nähergekommen“, sagt Herza. Das Festival in Krumau spreche heute Opern-, Musical- und Jazzfreunde gleichermaßen an und lade auch immer wieder externe Orchester ein.
An schwierigere Zeiten erinnert sich auch Bijan Khadem-Missagh, der 1979 im Waldviertel Allegro Vivo gründete und Vater des Festivalleiters ist: „Das Waldviertel war damals schon sehr isoliert, der Eiserne Vorhang hatte es vom Rest der Welt getrennt.“ Die Region sei stark von Abwanderung geprägt gewesen, „und ich habe damals eine Oase der Stille gesucht“, sagt Khadem-Missagh.
Immer wieder fuhr er als Solist und als Dirigent in die Ostblockstaaten. „Jede Reise in die damalige Tschechoslowakei war mit einer Grenzkontrolle verbunden, bei der man sich nicht wohlgefühlt hat.“ Das sei schrecklich gewesen. Allerdings habe „Musik diese Grenzen nicht gekannt. Jedes Mal, wenn ich in einem dieser kommunistischen Länder konzertiert habe, war die Verbindung zu allen Menschen sofort da“, erinnert sich der Musiker.
Allegro Vivo zu Gast in Tschechien
Heuer, 30 Jahre nach dem Fall des Eisernen Vorhangs, stehen die Nachbarländer im Rampenlicht beim Kammermusikfestival.
Vorboten der Zusammenarbeit
In den vergangenen drei Jahrzehnten seit der politischen Öffnung sei man immer weiter zusammengewachsen, sagt Nikolaus Straka, der Geschäftsführer von Allegro Vivo. Zunächst habe sich das geäußert, „indem viele Musiker, speziell aus der Tschechoslowakei und Ungarn, aber auch aus anderen ehemaligen Ostländern nach Wien gekommen sind. Diese Musiker haben die Orchester und die Kammermusik bereichert.“ Sie seien die Vorboten der späteren Zusammenarbeit gewesen, so Straka.
Heuer feiert Allegro Vivo das 30-jährige Jubiläum der Grenzöffnung mit einem eigenen Schwerpunkt. Zum einen gebe es spezielle Konzerte wie in Krumau oder auch etwa in Horn, wo am 17. August die Philharmonie Brünn zu Gast ist. Zum anderen habe man „zahlreiche tschechische, ungarische und auch polnische Komponisten in unser Programm eingebaut“, sagt Geschäftsführer Straka. Dies seien Komponisten, „mit deren Musiksprache wir uns besonders verbunden fühlen.“
„Erhebendes Gefühl“
Für Festivalgründer Bijan Khadem-Missagh ist es jedenfalls ein „erhebendes Gefühl“, als Besucher am grenzüberschreitenden Konzert seines Sohnes Vahid in Cesky Krumlov teilzunehmen: „Erstens wegen der Entwicklung, die die Landschaft hier genommen hat, zweitens wegen der Entwicklung, die Allegro Vivo genommen und des Beitrags, den das Festival geleistet hat, und drittens wegen der neuen künstlerischen Leitung. Sie hat das Festival zu einer größeren künstlerischen Blüte geführt, als ich es mir erträumt hätte.“